In Plock stellte sich ein 15-Jähriger mit Kreuz und Rosenkranz dem CSD in den Weg und wurde von der Polizei weggetragen – Kirche und rechte Medien stellen ihn in einem immer krasseren Kulturkampf in Polen um LGBTI-Rechte als Helden dar, während queere Verbände und Medien eine Aufhetzung von Kindern beklagen – Videos vom CSD am 10. August zeigten auch ca. Zehnjährige bei homofeindlichen Gesängen
Der Bürgermeister von Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe), Jacek Wójcicki, hat den für diesen Samstag geplanten CSD in der Stadt mit 125.000 Einwohnern im Westen Polens untersagt. Das gewählte Stadt-Oberhaupt einer unabhängigen, mit der Partei "Recht und Gerechtigkeit" im Stadtrat kooperierenden Liste begründete das Verbot mit Sicherheitsbedenken; neben dem "Marsch für Gleichberechtigung" seien insgesamt rund 20 (Gegen-)Veranstaltungen angemeldet worden.
Letztlich könne Medienberichten zufolge nur eine Veranstaltung stattfinden, die angeblich vor dem CSD angemeldet worden sei – eine Anti-Abtreibungsorganisation will dabei über "aktuelle Bedrohungen" informieren. Die Organisatoren des "Marsz Równosci w Gorzowie" kündigten an, vor Gericht zu ziehen, um den ersten CSD in der Stadt doch noch durchführen zu können.
Das Logo vom CSD in Gorzów Wielkopolski
Es wäre nicht der erste Versuch in diesem Jahr, einen CSD zu untersagen, der später vor Gericht scheitert. In der Rekordzahl von insgesamt rund 25 polnischen Städten soll es in diesem Jahr CSD-Demonstrationen geben (Karte). Weltweite Schlagzeilen machte vor wenigen Wochen die Pride-Premiere in Bialystok, als hunderte Gegendemonstranten den Weg blockierten und CSD-Teilnehmer mit Steinen und Böllern bewarfen (queer.de berichtete). Der erste Pride in Plock vor eineinhalb Wochen blieb trotz Gegendemonstranten unter Polizeischutz weitgehend friedlich (queer.de berichtete); auch der erste CSD in Radomsko, der kleinste nach Einwohnerzahl, wurde am letzten Wochenende trotz einigen Gegendemonstranten und unter anderem Eierwürfen ein Erfolg.
Kaczynski gegen CSDs und LGBTI-Rechte
Am Sonntag bekräftigte derweil Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der rechtspopulistischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), seinen Widerstand gegen LGBTI-Rechte und speziell CSD-Veranstaltungen: "Dieses offensive, wandernde Theater, das in aufeinanderfolgenden Städten auftritt, um zu provozieren und dann zu weinen, geht weiter", beklagte er bei einem "Familienpicknick" der Partei in der Stadt Stalowa Wola. "Diese Methode, 'Erst die Provokation, dann das Weinen, dass wir die Opfer sind', muss entlarvt, abgelehnt werden."
Der 70-Jährige, der erst rund eine Woche zuvor beklagt hatte, dass Europäische Union und Gerichte ein Verbot von CSD-Veranstaltungen unmöglich machten, zeichnete bei dem Picknick das Zerrbild einer Bewegung, "die in unsere Familien einbrechen will, unsere Schulen, Kindergärten, in unsere Leben", und dabei den Polen "unsere Kultur, Freiheit und unsere Rechte" wegnehmen und "unsere Heiligen attackieren" wolle. Er stehe für ein friedliches und freies Polen, "in dem nicht alles aus dem Westen zu uns kommt", so Kaczynski. Im Mittelpunkt stehe die Familie: "Wir müssen diese Familie verteidigen, eine normale Familie".
Kaczynski am Sonntag in Stalowa Wola
Er sei "von ganzem Herzen" Erzbischof Marek Jedraszewski für das "eindeutige Erkennen dieses Problems" dankbar. Der Krakauer Bischof hatte weltweit für Empörung gesorgt, als er vor wenigen Wochen bei einer Predigt zum Jahrestag des Warschauer Aufstands vor der angeblich neuen Bedrohung durch eine "Regenbogen-Pest" gewarnt hatte (queer.de berichtete). Die Katholische Bischofskonferenz Polens hatte dem Bischof danach den Rücken gestärkt und von der Politik eine Ablehnung von LGBTI-Rechten gefordert (queer.de berichtete).
Kirche im Kulturkampf
Erst am Montag betonte die Bischofskonferenz, Eltern sollten an Schulen "wachsam" sein und Widerstand gegen Sexualkunde und "sogenannte Anti-Diskriminierungs-Erziehung" leisten. Unter der Überschrift "Stoppt das Verderben der Kinder und Jugendlichen" stellte die Kirche dazu Musterformulare für Eltern bereit, um Kinder von den entsprechenden Unterrichtseinheiten fernzuhalten.
Im Frühjahr hatte sich der Warschauer Stadtpräsident Rafal Trzaskowski in einer "Regenbogen-Erklärung" unter anderem für eine umfassende und LGBTI-inklusive Sexualaufklärung an Schulen verpflichtet. Die PiS machte daraus ein Thema zum damaligen Europa- und nun im Oktober bevorstehenden Parlamentswahlkampf: "Die LGBT- und Gender-Bewegung bedroht unsere Identität und unsere Nation", meinte etwa Jaroslaw Kaczynski bereits im April.
Inzwischen haben über 30 PiS-geführte Gemeinden und Regionen Resolutionen gegen eine "LGBT-Ideologie" beschlossen. Viele Medien, darunter der von der PiS zum Propagandakanal umgebaute Staatssender TVP, unterstützten die homo- und transfeindliche Stimmungsmache. Ein PiS-nahes Politik-Magazin verteilte gar Aufkleber mit durchgestrichenem Regenbogen und dem Aufdruck "LGBT-freie Zone" – bis es von einem Gericht gestoppt wurde (queer.de berichtete). (nb)
Update 21.8., 15.30h: CSD-Demo kann stattfinden
Das Bezirksgericht von Gorzów Wielkopolski hat das vom Stadtpräsidenten ausgesprochene Verbot des "Marsches für Gleichberechtigung" aufgehoben. Die CSD-Demo kann damit am Samstag stattfinden, gaben die Veranstalter am Mittwoch bekannt.
Es ist Aufgabe der Polizei, die Sicherheit der Teilnehmer zu garantieren und ihnen die Ausübung ihrer demokratischen Grundrechte zu gewähren. Punkt.
Es wird höchste Zeit, dass die EU Polen ein für alle mal klar macht, dass die sich an geltdendes Recht zu halten haben.