So einfach wie diese Grafik ist die Natur nicht…
Das Erbgut eines Menschen gibt keine alleinige und definitive Auskunft über seine sexuelle Orientierung. Das schließt ein internationales Forscherteam aus der mit Abstand größten Studie zu genetischen Einflüssen auf Homosexualität. Zwar fanden die Wissenschaftler in der Untersuchung an fast 500.000 Menschen fünf genetische Merkmale, die bei Menschen mit angebener homosexueller Erfahrung eher auftreten. In der Gesamtheit erkläre dies aber nur einen kleinen Bruchteil des sexuellen Verhaltens, schreibt das Team um Andrea Ganna vom Center for Genomic Medicine am Massachusetts General Hospital in Boston in einem am Donnerstag veröffentlichten Artikel im Fachblatt "Science".
Homosexualität ist weit verbreitet: Generell geben den Autoren zufolge je nach Land etwa zwei bis zehn Prozent der Menschen an, entweder ausschließlich oder zusätzlich Sex mit Partnern des gleichen Geschlechts zu haben. Seit langem versuchen Forscher zu ermitteln, welche Rollen die Erbanlagen einerseits und Umwelteinflüsse andererseits spielen könnten. Da Homosexualität in vielen Ländern tabuisiert und kriminalisiert wird, ist das Thema zugleich heikel.
Bislang deuteten Studien von Zwillingen und in Familien darauf hin, dass die sexuelle Orientierung genetisch mitbeeinflusst wird. Beteiligungen bestimmter Gene wurden aber nicht klar nachgewiesen. In der neuen Untersuchung werteten die Forscher um Ganna nun vor allem zwei Datensätze mit insgesamt rund 470.000 Menschen aus Großbritannien, den USA und Schweden aus. Die Daten enthielten sowohl das Genom der Teilnehmer als auch Angaben zu ihrem Sexualleben.
Der Abgleich ergab, dass fünf Genvarianten mit zumindest einmaligen homosexuellen Erfahrungen assoziiert waren. Zwei dieser Varianten fanden die Wissenschaftler sowohl bei Männern als auch bei Frauen, zwei weitere nur bei Männern und eine nur bei Frauen. Die bei Männern gefundenen Genorte stehen etwa in Zusammenhang mit dem Geruchssinn und dem Hormonspiegel. "Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten wird nicht von einem oder wenigen Genen beeinflusst, sondern von vielen", folgert das Team, vermutlich sind hunderte Varianten beteiligt. Anhand der genetischen Daten fanden sich laut den Studienautoren "Hinweise darauf, dass das Sexualverhalten ein sehr komplexes Merkmal ist" und es keine "eindimensionale Sexualität" gäbe.
Eine Studie, viele Fragen
Die Soziologin Melinda Mills von der Oxford University schreibt in einem "Science"-Kommentar, aus den fünf Genvarianten könne man keinen Rückschluss auf die Sexualität ziehen: "Ganna und Kollegen haben herausgefunden, dass die von ihnen isolierten Genorte weniger als ein Prozent des gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens von Individuen vorhersagen." Es sei damit ausgeschlossen, diese Ergebnisse für Vorhersagen oder gar Interventionen zu benutzen.
Die Studie ergab allerdings auch, dass das Zusammenspiel aller Gene je nach Analysemethode zwischen acht bis 25 Prozent des gleichgeschlechtlichen Verhaltes erklären konnten. Zu den Problemen der Studie gehört, dass beim größten Datensatz gefragt wurde, ob Menschen in ihrem gesamten Leben mindestens einmal gleichgeschlechtlichen Sex hatten, was nicht unbedingt mit einer Homosexualität bzw. einer entsprechenden Orientierung / Identifikation zu tun hat. Auch umfassen die Ergebnisse hauptsächlich Menschen über 40 mit europäischer Abstammung. Beim US-Datensatz lag der Anteil "Homosexueller" mit 19 Prozent zugleich deutlich über dem Durchschnitt.
Das Fazit der Studienautoren sowie von vorab einbezogenen Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen: Es ist kompliziert. Das sexuelle Verhalten werde wohl von einem Mix aus genetischen und Umwelt-Einflüssen bestimmt, betonte Studien-Mitautor Ben Neale vom Broad Institute von MIT und Harvard gegenüber "Life Science". Das sei nicht ungewöhnlich und gelte etwa auch für die Körpergröße. Dazu gesellten sich soziokulturelle Einflüsse.
Das Zusammenspiel mehrerer Gene beeinflusse das sexuelle Verhalten von Personen durchaus, betonte Mitautor Brendan Zietsch von der Universität von Queensland. Eine genetische Beeinflussung sei aber nicht mit einer genetischen Bestimmung zu verwechseln. Das zeigten etwa Studien an Zwillingen, die unterschiedliche sexuelle Orientierungen entwickelten.
"Es konnte mit der Studie erstmals gezeigt werden, dass offensichtlich eine große Zahl von Genen eine Rolle spielt und sich damit homosexuelles Verhalten nicht von anderen Verhaltensmerkmalen, wie zum Beispiel Dimensionen der Persönlichkeit, unterscheidet", betonte Prof. Dr. Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn.
"Diese Studie zeigt deutlich, dass die Erblichkeit sexueller Orientierungen gering ist und man anhand des Erbguts einer Person diesbezüglich nichts 'ablesen' kann", sagt Jan Korbel vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. "Es gibt kein einzelnes Gen, was die sexuelle Orientierung bestimmt – wie vor einiger Zeit fälschlicherweise in einigen Medien kolportiert." Die Studie bedeute auch, dass Menschen verschiedener sexueller Orientierung ihr Genom analysieren lassen können, "ohne dass Gefahr besteht, dass dabei ihre Orientierung aufgedeckt werden könnte".
Fah Sathirapongsasuti von der an der Studie beteiligten Umfragefirma 23andMe betonte, die Ergebnisse zeigten, dass Homosexualität "ein natürlicher und normaler Teil der Variation unserer Spezies" sei und deshalb keine "Heilung" benötige. David Curtis vom University College London meinte, die Studie zeige klar, dass es kein "schwules Gen" gebe wie Medien lange berichteten. Das bedeutet aber nicht, dass Homosexualität "in irgendeiner Weise kein angeborener und unverzichtbarer Teil der Persönlichkeit eines Menschen ist".
Zeke Stokes von der queeren US-Organisation GLAAD meint: "Diese neue Forschung bestätigt erneut das seit langem bestehende Verständnis, dass es keinen abschließenden Grad gibt, in dem Natur oder Erziehung das Verhalten einer schwulen oder lesbischen Person beeinflussen." Letztlich sei Homosexualität ein "natürlicher Teil des Lebens". (cw/dpa)
Die Komplexität, welche die Vererbung von Dummheit beeinflusst, wird ja leider ähnlich unfeststellbar bleiben. Deshalb müssen wir uns mit derart Leuten wohl auch in Zukunft herumschlagen.
Bleibt zu hoffen, dass immer mehr Leute lernen, dass LGBTIQ* so normal und einfach sein kann, wie ob Jemand krause oder glatte Haare, lange dünne oder kurze breite Finger hat.
Zum Nasebohren kann man immerhin viele Fingerformen nutzen