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Autobiografie

Thomas Gottschalks Kampf gegen die eigene Homophobie

In seinem Buch "Herbstbunt" berichtet Deutschlands bekanntester Entertainer offen von seinem inneren Kampf, Homosexualität zu akzeptieren. Bis heute zeige er "spießige Reflexe", wenn Schwule sich küssen.


Thomas Gottschalk, geboren 1950 in Bamburg, erzählt in seinem Buch vom Älterwerden – nachdenklich, mit viel Humor und großer Offenheit (Bild: Christliches Medienmagazin pro / flickr)
  • Von Britta Schultejans, dpa
    2. September 2019, 06:07h 51 4 Min.

Die Endlichkeit zeigte sich Thomas Gottschalk nicht, als er darauf vorbereitet war. Er hatte erwartet, an seinem 60. Geburtstag als alter Mann aufzuwachen, fühlte sich aber jung und viril wie eh und je. Erst Jahre später traf es ihn in Jerusalem – ausgerechnet am Aschermittwoch. Er rutschte aus, stürzte unglücklich und riss sich den Quadrizeps, einen Oberschenkel-Muskel. Eine ebenso schmerzhafte wie langwierige Sache, die den ewigjungen einst wohl berühmtesten Moderator im deutschen Fernsehen brutal vor eine entscheidende Erkenntnis stellte: Besser wird's nicht mehr. "Plötzlich schien es mir, als sei ich jetzt fällig", schreibt Gottschalk in seinem neuen Buch "Herbstbunt" (Amazon-Affiliate-Link ). "Erntereif sozusagen. War das der Anfang vom Ende?"

Im April 2018 verabschiedete Thomas Gottschalk sich von Twitter mit den Worten "Ich schreib ein Buch…." Jetzt ist er fertig damit. "Herbstbunt" ist schon die zweite Autobiografie des früheren "Wetten, dass..?"-Gastgebers nach dem beinahe gleich lautenden "Herbstblond" (Amazon-Affiliate-Link ), das im Jahr 2015 auf den Markt kam.

Die Seele des alten, weißen Hetero-Mannes


"Herbstbunt" ist seit Montag im Buchhandel erhältlich

Sein neues Buch ist ein Sammelsurium. Ein bisschen Rentner-Ratgeber, ein bisschen Medien-Wissenschaft ("Das klassische Fernsehen hat keine Zukunft, jedenfalls keine strahlende." "Der Vorstellungsbeginn um 20.15 Uhr wird nur noch beim "Tatort" akzeptiert, und der Kampf um die Fernbedienung ist eine launige Anekdote der Vergangenheit."), ein bisschen Rückblick auf alte Witze, die er hier und da erzählte und viel Einblick in die Seele des alten, weißen Mannes, als den er sich selbst im Buch immer wieder bezeichnet.

Der "'ältere heterosexuelle weiße Mann', eine Spezies, der ich mich zurechne", sei "mittlerweile das einzige lebende Wesen (…), das keinerlei Artenschutz für sich reklamieren kann". Die große Sorge, alter weißer Männer auf der ganzen Welt.

"Wer nur alt wird, aber nicht klüger, ist schön blöd", lautet allerdings der Untertitel des Buches. Gottschalk wird im kommenden Jahr 70 und gehört damit erklärtermaßen zu den Senioren. Er inszeniert sich als konservativen, aber lernfähigen Alten, der im fortgeschrittenen Lebensalter doch tatsächlich einräumen muss, sich bei der ein oder anderen Sache vielleicht vertan zu haben.

Gesund zu leben halte er zum Beispiel inzwischen gar nicht mehr für so eine weit hergeholte Idee. Und als sein Sohn ihm eröffnete, er wolle nach der Geburt wiederum seines Sohnes Elternzeit nehmen, habe Gottschalk ihn doch tatsächlich nicht ausgelacht

Die Sache mit den schwulen Küssen

Ein Beispiel, bei dem die Läuterung nicht ganz geklappt hat, liefert Gottschalk auch: "Ich bin einen langen Weg gegangen, bis es mir gelang, schwules Verhalten als normal zu betrachten", gibt der Katholik aus Kulmbach in Oberfranken zu. Zwar finde er es inzwischen "total in Ordnung", wenn zwei Männer sich an den Händen halten. Aber: "Wenn sie sich küssen, will ich denken 'Warum nicht?' und komme nur zu 'Warum?' Von spießigen Reflexen bin ich immer noch nicht ganz frei und werde es wohl auch nie sein."

Die #MeToo-Debatte finde er wichtig, schreibt Gottschalk – und betont gleichermaßen immer wieder, wie schwer es für einen Dampfplauderer wie ihn doch sei, zu erkennen, wo die Grenzen des guten Geschmacks heute verlaufen. Es sind die nicht immer die sympathischsten Einstellungen, die er in seinem Buch thematisiert. Eben die Sorgen des alten, weißen Mannes.

Er sei sich seiner Sache stets sehr sicher gewesen, schreibt Gottschalk auch. "So sicher, dass ich mir im Rückblick fast eine gewisse Arroganz eingestehen muss. Das wurde mir aber erst klar, als mir im letzten Drittel meiner Reise nach meinem beruflichen auch mein privates Leben um die Ohren flog".

Gottschalk wird sehr persönlich

Das Spannendste an dem Buch: Gottschalk wird sehr persönlich. Er erzählt von dem Schicksalsschlag, als seine Villa in Malibu abbrannte, über die Trennung von seiner Ehefrau Thea nach fast 50 gemeinsamen Jahren – und seine neue Liebe. Gottschalk schreibt: "Im Klartext: Mir ist etwas passiert, das mich ziemlich aus der Bahn geworfen hat und was ich mit meinem Traum von einem bunten Herbst selbst heraufbeschworen habe. Ich habe mich noch einmal verliebt."

Seit einigen Monaten ist er mit seiner neuen Lebensgefährtin Karina Mroß zusammen, die er auf einer Geburtstagsparty kennenlernte – und zwar nicht ganz zufällig, wie er in seinem Buch schreibt. "Der einzige Anklagepunkt, zu dem ich mich schuldig bekenne, ist das Geständnis, die Tischkärtchen auf dem Esstisch ausgetauscht zu haben."

Ziemlich am Ende des Buches schreibt er das: "Meine erklärte Absicht war es eigentlich, als abgeklärte Fernsehlegende in Malibu die Füße hochzulegen, während sich die Nation nur schwer mit dem Gedanken abfinden kann, ihre Samstagabende ohne mich zu verbringen." Doch: "Malibu ist abgebrannt, die Nation plant das Wochenende ohne mich, und statt in meiner kalifornischen Windmühle in die Abendsonne zu blinzeln, die glutrot im Pazifik versinkt, habe ich mir mit neuer Partnerin in Baden-Baden eine renovierte Dachwohnung gemietet." Erstens kommt es anders – und zweitens als man denkt.

Infos zum Buch

Thomas Gottschalk: Herbstbunt. Wer nur alt wird, aber nicht klüger, ist schön blöd. 272 Seiten. Heyne Verlag. München 2019. Gebundenes Buch: 20 € (ISBN: 978-3-453-20706-6). E-Book: 15,99 €

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#1 RuferInDerWüsteAnonym
  • 02.09.2019, 09:45h
  • ""Wenn sie sich küssen, will ich denken 'Warum nicht?' und komme nur zu 'Warum?'"

    Tja, warum wollen sich wohl Menschen, die einander lieben, küssen? Da braucht man schon extrem akrobatische geistige Verrenkungen, lieber Herr Gottschalk, um das nachvollziehen zu können. Scheint Ihnen ja leider selbst im hohen Alter nicht zu gelingen.

    Aber damit befinden Sie sich ja in "allerbester" Gesellschaft: schließlich finden 40% der Deutschen Homo-Küsse "ekelhaft".

    www.queer.de/detail.php?article_id=26358

    Dann doch lieber queere Menschen unsichtbar machen (Herrschaftstechnik Nr. 1) oder uns Schuld und Scham auftragen (Nr. 5). Die Scham verinnerlichen wir dann schön, und viele von uns ersparen Ihnen dann diesen "ekelhaften" Anblick:

    "Insgesamt 89 Prozent der Befragten [...] verzichteten etwa im öffentlichen Raum auf Gesten gleichgeschlechtlicher Zuneigung wie Händchenhalten oder Küssen"

    www.queer.de/detail.php?article_id=34221

    "Es ist die Scham, die uns zu duldsamen Opfern und unfreiwilligen Mittäter*innen gleichzeitig macht. Es ist die Scham, die uns Ungerechtigkeiten mit gesenktem Blick ertragen lässt. Es ist die Scham, die uns lähmt, uns verstummen lässt und uns einsam macht."

    derzaunfink.wordpress.com/2016/01/17/schwulescham/
  • Direktlink »
#2 JohannbAnonym
  • 02.09.2019, 10:47h
  • Antwort auf #1 von RuferInDerWüste
  • Hallo Herr Gottschalk. Ich hätte ein inneres Problem damit, wenn Sie sich mit der Neuen öffentlich küssen. Bei der Vorgängerin würd ich mich auch schwer tun, den Anblick zu ertragen. Darum: machen Sie es halt einfach öfter öffentlich!
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#3 FliegenAnonym
  • 02.09.2019, 11:07h
  • ...kann sein das der gute alte Mann neidisch ist???!!!
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