Eingang eines englischen Abschiebezentrums (Immigration Removal Centre) in der Grafschaft Lincolnshire (Bild: ukhomeoffice / wikipedia)
Das britische Innenministerium hat mindestens 3.100 Asylanträge von lesbischen, schwulen, bisexuellen oder trans Geflüchteten aus Ländern abgelehnt, in denen sexuelle und/oder geschlechtliche Minderheiten strafrechtlich verfolgt werden. Das geht laut einem Bericht der Londoner Tageszeitung "Guardian" aus einer Analyse der Liberaldemokratischen Partei hervor, die nach Konservativen, Labour und schottischen Nationalisten die viertgrößte Fraktion im Unterhaus stellt. Die Partei beruft sich dabei auf vom Innenministerium veröffentlichte Zahlen.
Demnach wurden Anträge von mindestens 1.197 Personen aus Pakistan abgelehnt, die mit Verweis auf ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität einen Asylantrag gestellt hatten. Hinzu kommen laut dem Bericht 640 abgelehnte Anträge von Personen aus Bangladesch und 389 aus Nigeria. Alle drei Länder ahnden Homosexualität mit langen Haftstrafen – in Pakistan und Bangladesch droht auf "Geschlechtsverkehr gegen die Natur" im Maximalfall eine lebenslange Haftstrafe, in Nigeria sind es bis zu 14 Jahre Haft.
Homophobe Gesetze gehen auf Kolonialzeit zurück
Die Verbote wurden in diesen drei und vielen weiteren Ländern von britischen Kolonialherren im 19. und frühen 20. Jahrhundert eingeführt. Während die vier Landesteile Großbritanniens ihr Sex-Verbot für schwule und bisexuelle Männer zwischen 1967 und 1982 abschafften und 2001 auch das Schutzalter für gleich- und verschiedengeschlechtlichen Verkehr anglichen, bestehen die homophoben Gesetze in vielen der ehemaligen Kolonien weiter.
Insgesamt sind laut den Liberaldemokraten vergangenes Jahr 970 Asylanträge von mutmaßlichen sexuellen oder geschlechtlichen Minderheiten abgelehnt worden – in den Vorjahren waren es 1.096 bzw. 1.043. Andere abgelehnte Asylbewerber kamen demnach auch aus Ländern wie Kamerun, Ghana, Iran, Uganda, Irak, Jamaika und Malaysia.
Liberaldemokraten: Regierung schaut einfach weg
"Die konservative Regierung enttäuscht LGBT-Personen und jeden, dem Menschenrechte am Herzen liegen", erklärte Christine Jardine, die innen- und rechtspolitische Sprecherin der Liberaldemokratischen Fraktion. "Wir sollten die Kampagne gegen weltweite Homo- und Transphobie anführen. Stattdessen haben wir eine Regierung, die einfach wegschaut." Ihre Fraktion wolle eine neue Behörde einrichten, die Asylanträge "ohne politische Beeinflussung und ohne die Angewohnheit des Innenministeriums, den Bewerbern nicht zu glauben, arbeitet".
In britischen Medien beklagten Asylbewerber immer wieder, dass sie nicht ernst genommen werden. Für Schlagzeilen sorgte etwa kürzlich der Fall eines Mannes, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, weil er äußerlich kein schwules "Gebaren" bei der Anhörung an den Tag gelegt habe. Konkret beklagte der Richter, dass der Mann keine "weibischen" Verhaltensweisen habe.
Auch in Deutschland gibt es immer wieder Berichte darüber, dass queere Asylbewerber aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt und in ein Verfolgerland zurückgeschickt werden sollen. Im Juni wurde etwa ein Fall aus Baden-Württemberg bekannt, in dem ein Nigerianer abgelehnt wurde, weil er Analverkehr als nicht schmerzhaft beschrieben habe (queer.de berichtete). Ein schwuler Russe trat in der letzten Woche wegen der Ablehnung seines Asylantrags in Bayern in einen Hungerstreik (queer.de berichtete).
Großbritannien nimmt vergleichsweise wenige Asylbewerber auf und schottet sich – auch im Zuge des Brexit – immer mehr ab. 2018 wurden etwa 37.000 Asylanträge in England, Wales, Schottland und Nordirland gezählt. In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum 185.000 Anträge.
Laut EU-Recht, dem Deutschland und bis zum Austritt aus dem Staatenverbund auch Großbritannien unterliegt, müssten queere Asylbewerber aus Verfolgerstaaten eigentlich anerkannt werden: Der Europäische Gerichtshof hatte 2013 entschieden, dass Homosexuelle eine "soziale Gruppe" seien und deshalb Anspruch auf Asyl in der gesamten Union haben, wenn sie in ihrem Heimatland aggressiv verfolgt werden (queer.de berichtete). (dk)
Obwohl das Königreich mit seiner früheren Kolonialisierung der halben Welt für diese menschenverachtenden Gesetze (mit)verantwortlich ist, hat die Regierung heute nicht den Anstand, diesen Verfolgten ein gerechtes Asyl-Verfahren zu bieten.
Stattdessen strengere Regeln, weniger Einwanderer und eine "Britain first"-Politik. Von mir aus können die sich dort auch ganz abschotten und nach dem Brexit in der Isolation und Bedeutungslosigkeit versinken.