Die CDU will sich an diesem Abend mit der LGBTI-Community versöhnen. Sogar die Regenbogenflagge weht (erneut) vor dem Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale in Berlin. Alexander Vogt, Vorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), hat am Donnerstag zum Jahresempfang der Gruppe geladen. Man wolle nicht in die Vergangenheit zurückblicken, sondern nach vorne schauen. Alle wissen, was er damit meint.
Alexander Vogt eröffnete den Jahresempfang und mahnte, in die Zukunft zu schauen (Bild: Markus Kowalski)
Am 28. Februar hatte Annegret Kramp-Karrenbauer bei einem Faschingsauftritt in Baden-Württemberg gesagt, "Toiletten für das dritte Geschlecht" seien "für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette" (queer.de berichtete). Dafür wurde die CDU-Chefin bundesweit kritisiert, während sie selbst die Äußerungen mehrfach trotzig ohne Entschuldigung "verteidigte" und Parteifreunde sich über eine "linke Intoleranzpolizei" und "Schultoiletten des 3. bis 312. Geschlechts" empörten (queer.de berichtete). Sogar ihre Umfragewerte brachen kurz nach der Debatte ein (queer.de berichtete). Der Auftritt beim LSU-Empfang soll nun die Wogen glätten.
Unvergessen auch AKKs Feldzug gegen die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben, die sie mit dem Argument ablehnte, dass ein solcher Schritt auch zur Anerkennung von Viel- oder Verwandten-Ehen führen könne (queer.de berichtete). 2017 behauptete sie, dass das "Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts" durch heiratende Homosexuelle "schleichend erodiert" werden könnte (queer.de berichtete).
Kramp-Karrenbauer verteidigt ihre Büttenrede
Nach dem misslungenen Karnevalswitz fragt Fernsehmoderator Reinhold Beckmann die Parteivorsitzende schon nach wenigen Minuten auf dem Podium. Kramp-Karrenbauer wirkt sichtlich angespannt. Sie habe sich beim "Stockacher Narrengericht", wo sie vor einem ausschließlich männlichen Publikum sprach, nur über Machos lustig gemacht. "Es hat sich überhaupt nicht um Intersexuelle gedreht, sondern um die Berliner Blase und um Machos." Bei der Veranstaltung seien viele Journalisten und Grünen-Abgeordnete im Saal gewesen. "An diesem Abend ist niemand auf die Idee gekommen, mir diesen Vorwurf zu machen." Der Toiletten-Witz sei im Nachhinein "aus dem Zusammenhang gerissen" worden. "Es liegt mir wirklich fern, da jemanden zu verletzen", sagt sie.
Vor dem LSU-Empfang habe sie gelesen, was sie angeblich alles sei, übte die CDU-Chefin gleichzeitig Kritik an der Medienberichterstattung: "Homophob, eine Frömmlerin, dem Papst hörig. Um mal damit aufzuräumen: Ich bin weder das Erste. Ja, ich bin bekennende Christin und Katholikin, ob mich das unbedingt fromm macht, nach allen Maßstäben, weiß ich nicht."
Reinhold Beckmann fragte mehrfach kritisch nach (Bild: Markus Kowalski)
Ole von Beust, ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg, nimmt die Parteichefin in Schutz. "Ich finde, man sollte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen." So sei es schon schwierig, als Politiker in einem vollen Karnevalssaal eine launige Rede zu halten. Nach der scharfen Kritik an dem Witz von Kramp-Karrenbauer findet der schwule CDU-Politiker: "Es muss jetzt auch mal gut sein." Viele im Saal applaudieren laut.
Doch Beckmann fragt mehrmals bei Kramp-Karrenbauer nach. Karneval sei dazu da, die Mächtigen zu kritisieren, nicht Minderheiten, findet er. "Ich hatte nicht die Absicht, nach unten zu treten", antwortet Kramp-Karrenbauer. Beckmann bleibt beim Karnevalswitz, fragt noch einmal. Schließlich sagt Kramp-Karrenbauer mit deutlichem Ton, der Witz sei "böswillig aus dem Zusammenhang gerissen" worden. "Wenn sich jemand darüber beschweren könnte, dann sind es die Machos dieser Welt."
Steht die LSU vor einer Aufwertung?
Auch bei Beckmanns Frage, ob sie ihre Meinung zur Ehe für alle geändert habe, findet AKK keine Worte des Bedauerns. sondern akzeptiert lediglich das Faktische: "Die Ehe für alle ist ein Fakt, ist abgestimmt worden, ist akzeptiert worden, gilt für mich. Und alles, was jetzt weiter rechtlich noch daran hängt, wird auch umgesetzt. Das ist gar keine Frage."
AKK konnte sich nicht durchringen, sich bei der LGBTI-Community zu entschulidgen (Bild: Markus Kowalski)
Immerhin: Zur Frage, ob die LSU als Vereinigung in der CDU anerkannt werden sollte, signalisierte die CDU-Vorsitzende leichte Zustimmung. Auf die Frage, ob die LSU gleichberechtigter Teil der CDU ist, sagte sie "Ja": "Wir haben in der CDU eine gute Tradition, dass wir die Gruppierungen an soziologischen Merkmalen festmachen. MIT oder Arbeitnehmer, Frauenunion oder Seniorenunion. Und deswegen gehört die LSU unter diesem Gesichtspunkt für mich dazu", so Kramp-Karrenbauer. Sie sprach sich jedoch gegen "weltanschauliche Kreise" innerhalb der CDU aus. "Das ist auch der Grund, weshalb ich mich so schwer tue, wenn jetzt die Anträge kommen für eine Werteunion und eine Union der Mitte. Weil ich glaube, dass das einer Volkspartei nicht gut tut."
Inter-Aktivistin vermisst klare Haltung
Vor allem die Nicht-CDU-Mitglieder im Publikum reagieren verhalten auf den Auftritt der Parteivorsitzenden, Auch derjenige, der sich als erstes öffentlich über ihren Karnevalswitz beschwert hatte, ist anwesend: Nollendorfblogger Johannes Kram. Er hatte Kramp-Karrenbauer wenige Tage nach dem Auftritt auf Facebook kritisiert, nach einem ersten Bericht auf queer.de wurden Medien bundesweit auf den Fall aufmerksam. Doch Kram ist von den Erklärungen der CDU-Chefin weiter enttäuscht. Unzufrieden zeigte sich auch Lucie Veith, Gründerin des Vereins Intersexuelle Menschen: "Ihr Auftritt war nicht befriedigend. Sie hat sich darauf zurückgezogen, dass der Witz aus dem Zusammenhang gerissen wurde." Veith vermisst bei der CDU-Vorsitzenden eine klare Haltung zur Sichtbarkeit von LGBTI.
Großer Andrang der Besucher, nach der Podiumsdiskussion noch ein Foto zu machen (Bild: Markus Kowalski)
Etwas, das viele erwarten, bleibt an diesem Abend aus. So hatte der LSU-Vorsitzende Alexander Vogt im März eine Entschuldigung für den Witz gefordert (queer.de berichtete). Doch so ein klares und deutliches "Tut mir leid" bekommt er an diesem Abend nicht.
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