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Chancen unklar

Artikel 3: Neuer Anlauf im Bundestag gestartet

Grüne, Linke und FDP haben ihren versprochenen Gesetzentwurf zur Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes eingebracht.


Doris Achelwilm (Linke), Jens Brandenburg (FDP) und Ulle Schauws (Grüne) zusammen mit LSVD-Bundesvorständin Henny Engels im Mai bei der Vorstellung der Initiative (Bild: Markus Kowalski)

  • 19. September 2019, 11:47h 21 4 Min.

Der Bundestag wird bald über eine Initiative diskutieren, den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes ausdrücklich auf Homo- und Bisexuelle auszuweiten. Die Oppositionsparteien Grüne, Linke und FDP haben jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, den sie bereits im Mai angekündigt hatten (queer.de berichtete).

In Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es bislang: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Der Antrag der Oppositionsparteien (Drucksache 19/13123 vom 12. September, PDF) fordert nun, nach "wegen seines Geschlechtes" die Wörter "seiner sexuellen Identität" einzufügen.

Das Merkmal Behinderung war 1994 in das Grundgesetz aufgenommen worden. Der Entwurf der Opposition verzichtet auf die teilweise debattierte Aufnahme des Begriffes "geschlechtliche Identität": Das sei "keine Verkürzung des verfassungsrechtlichen Schutzes für Transgender, transgeschlechtliche und intergeschlechtliche Menschen", heißt es in der Begründung. Der Punkt sei "bereits jetzt vollumfänglich" im Merkmal "Geschlecht" umfasst.

Verfassungsänderung nur mit Union


Wie schon 2009 machte der Hamburg Pride die Ergänzung des Artikels 3 zum Motto des diesjährigen CSD (queer.de berichtete)

In der Bundes­regierung gilt das seit Jahren diskutierte Vorhaben als umstritten. Die SPD hatte vor der Bundestagswahl dem LSVD in den Wahlprüfsteinen versprochen, dass man das Grundgesetz um das Merkmal "sexuelle Identität" erweitern wolle (queer.de berichtete). 2011 hatte die Partei neben den Grünen selbst einen ähnlichen Antrag eingebracht, der aber von den damaligen schwarz-gelben Regierungsfraktionen abgelehnt wurde (queer.de berichtete). Laut den aktuellen Wahlprüfsteinen lehnt die Union den Schritt weiter als "nicht erforderlich" ab, weil der Schutz "bereits rechtlich verwirklicht" sei – durch Entscheidungen des Bundes­verfassungs­gerichts sowie durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

"Das Grundgesetz darf nicht mit Änderungen oder Ergänzungen überfrachtet werden, für die es gar keine Notwendigkeiten gibt", hatte Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei im Mai der "FAZ" gesagt. Später betonte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak hingegen, er würde das Vorhaben als "klares Signal gegen Diskriminierung und Hass" unterstützen (queer.de berichtete). Für die Verabschiedung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl in Bundestag als auch im Bundesrat notwendig. Daher kommt es derzeit auf eine Zustimmung der Union an.

"Das jahrzehntelange gesellschaftliche wie politische Unsichtbarmachen von Lesben, Schwulen und Bi­sexuellen ist bis in die heutige Zeit einer der zentralen Mechanismen von Homophobie", heißt es in der Begründung des Antrags, und die Aufnahme habe mehr als eine "bloße Symbolfunktion": Es sichere vielmehr die gegenwärtige Rechtsprechung des Bundes­verfassungs­gerichts "gegen rückläufige Tendenzen" ab, das gleiche gelte für EU-Recht. Die Aufnahme des Merkmals sichere "diesen Gruppen eine unmissverständliche Anerkennung ihrer Existenz und ihrer Rechte", so Grüne, Linke und FDP. "Sie stellt sicher, dass sich ein Unrecht, wie es insbesondere in der strafrechtlichen Verfolgung von Schwulen nach § 175 StGB seinen Ausdruck gefunden hat, auf Basis des Grundgesetzes nicht wiederholen kann."

Initiative im Bundesrat stockt


Rund zehn Jahre alte Postkarte zur Kampagne "Artikel 3+" des LSVD

Der Entwurf steht nicht auf der Tagesordnung des Bundestags in der nächsten Woche und würde damit frühestens Mitte Oktober in erster Lesung beraten werden. Die Initiative läuft parallel zu einem Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat: Im Sommer 2018 hatte Berlin mit Unterstützung der Länder Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen einen eigenen Antrag zur Ergänzung des Artikels 3 eingebracht.

Die Gesetzes-Initiative, der inzwischen auch die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein beigetreten ist, will das Merkmal "sexuelle und geschlechtliche Identität" ins Grundgesetz aufnehmen. In der Sitzung am 6. Juli 2018 wurde der Antrag, den Entwurf dem Bundestag zuzuleiten, jedoch von der Tagesordnung genommen, weil sich keine Mehrheit abzeichnete (queer.de berichtete). Der Innen- und Rechtsausschuss hatten sich gegen den Entwurf, der Ausschuss für Frauen und Jugend dafür aufgesprochen werden. Eine Abstimmung kann jederzeit neu angesetzt werden, der Entwurf verfällt nicht.

Laut einer Umfrage aus dem Mai unterstützt eine Mehrheit der Bevölkerung einen grundgesetzlichen Schutz von LGBTI (queer.de berichtete). Mehrere Landesverfassungen verbieten bereits Diskriminierungen ausdrücklich auch aufgrund der "sexuellen Identität" oder "Orientierung". Einige Verfassungen umfassen auch den Schutz von nationalen Minderheiten und Volksgruppen – am Freitag berät der Bundesrat einen Antrag der Länder Schleswig-Holstein, Sachsen und Brandenburg, mit dem die Bundes­regierung aufgefordert werden soll, eine entsprechende Grundgesetzinitiative zu starten. Der Artikel 3 soll demnach einen neuen Abschnitt zur "Achtung der Identität der autochthonen Minderheiten und Volksgruppen" erhalten, der sich aktuell auf die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma und das sorbische Volk bezöge. (cw)

#1 Dont_talk_aboutProfil
  • 19.09.2019, 14:44hFrankfurt
  • Hier bahnt sich die neue Koalition RRG+FDP des Kollegen TheDad an. Uneinigkeiten auf anderen Politikfeldern können sicher auch noch aus dem Weg geräumt werden.
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#2 Sprich_Nicht_DrüberAnonym
#3 Klaus LeberhartingerAnonym
  • 19.09.2019, 17:49h
  • Wenn finanziell arme Menschen eine Lobby hätten, gäbe es vielleicht sogar einen Entwurf, Artikel 3 um "Einkommen" zu ergänzen.
    Ob die FDP da mitmachen würde?
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