Der russische Präsident Wladimir Putin schaut bislang über zahlreiche Verbrechen des Regimes seines "Statthalters" in Grosny, Ramsan Kadyrow, hinweg. Der Europarat hat das mehrfach erfolglos kritisiert
Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow hat einen anstehenden Besuch einer Europarats-Delegation dazu genutzt, erneut gegen Homosexuelle zu hetzen. Berichtete "Probleme" mit LGBT in dem Land seien erfunden, da diese nicht existierten. "Zumindest in Tschetschenien. Hier heiraten Männer Frauen und Frauen heiraten Männer."
Das sei schon seit Jahrtausenden so "und wird immer so bleiben, egal was der Westen uns auferlegt", so Kadyrow am Donnerstag in seinem öffentlichen Kanal bei Telegram. "Das hängt nicht vom Willen eines Menschen ab, das ist ein Ehrenkodex des Volkes", nach dem das Land heute lebe.
Kadyrow reagierte mit dem Ausbruch auf eine Ankündigung des stellvertretenden Duma-Vorsitzenden Pyotr Tolstoy, dass die Europarats-Delegation zunächst die russische Duma und am Freitag Grosny besuchen werde. "Wir haben alles für sie organisiert", so Tolstoy gegenüber Interfax. Man werde ohne Beisein der Presse über diverse angeprochene Probleme reden, auch wenn Berichte über die Verfolgungen von LGBTI eine "Lüge" seien. Davon könne sich die Delegation im Gespräch mit Kadyrow überzeugen.
"Immunität" gegen Homosexualität
Tschetschenien sei offen für den Dialog mit Delegationen, deren Besuch mit dem russischen Außenministerium vereinbart wurde, so Kadyrow. Aber zu dem Thema habe es "Hunderte von Kontrollen" der zuständigen Stellen und von Menschenrechtsorganisationen gegeben. Der 42-Jährige hatte die – von vielen Betroffenen und Zeugen dokumentierte – Verfolgungen immer wieder abgestritten.
Auch in diesem HBO-TV-Interview hatte Kadyrow vor zwei Jahren die Verfolgung Homosexueller geleugnet – und betont: "Wir haben keine Schwulen. Wenn es welche gibt, bringt sie nach Kanada. (…) Um unser Blut zu reinigen: Wenn es hier irgendwelche gibt, nehmt sie" (queer.de berichtete). Für Anzeigen wegen Volksverhetzung interessierten sich russische Strafverfolger ebenso wenig wie für die Verfolgung an sich
Der Europarat und andere europäische Organisationen zeigten gegenüber Tschetschenien immer wieder Vorurteile und interessierten sich nicht für Erfolge, so Kadyrow am Donnerstag weiter. Es gebe "allen Grund zu der Annahme, dass sie sich absichtlich das Ziel gesetzt haben, Tschetschenien und danach ganz Russland zu verunglimpfen". Mit Blick auch auf das russische Publikum meinte Kadyrow, die Europäer wollten, "dass wir unsere geistigen und nationalen Werte verlieren, in der Masse derer verschwinden, die ihre Sprache, Religion und Kultur vergessen haben, so dass Männer aufhören, Männer zu sein, und Frauen Frauen."
Der Präsident zeigte sich "überzeugt, dass das tschetschenische Volk und andere Völker Russlands eine starke Immunität gegen dieses zerstörerische und zersetzende Übel haben. Unsere Völker sind in der Lage, sich und ihr Land vor den westlichen Versuchen zu retten, die sogenannte 'Demokratie' zu exportieren, die darauf abzielt, die Institution der traditionellen Familie zu zerstören, unsere Religiosität und Kultur, die die russische Gesellschaft seit jeher schätzt."
Europarat beklagt "Klima der Rechtlosigkeit" in Grosny
Angeleitet von dem deutschen SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe, dem Berichterstatter des Parlaments des Europarats zu Menschenrechten im Nordkaukasus, befindet sich eine Delegation seit Mittwoch auf einem "fact-finding visit" in Russland, um einen Bericht zu dem komplizierten Thema vorzubereiten. Laut der Ankündigung sollen "insbesondere das anhaltende Klima der Straflosigkeit" in der Region angesprochen werden, "die Verfolgung von LGBTI-Personen" sowie "das Versäumnis, Fälle von Folter und Verschwindenlassen zu untersuchen".
Neben Regierungsvertretern sollen die Gesandten auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen treffen. Es ist der erste Besuch von Europarats-Politikern seit Beginn der Krim-Krise: Russland hatte erst kürzlich seine Kooperation wieder begonnen, nachdem die Parlamentarische Versammlung Sanktionen wie einen Stimmentzug zurücknahm; das Land hatte mit dem Austritt gedroht. Die Lage von Menschenrechten sei in Tschetschenien "vermutlich am problematischsten von allen 47 Ländern des Europarats", so Schwabe im Vorfeld. "Umso wichtiger ist es, die Lage zu beobachten und darüber zu berichten."
Es ist auch der erste Besuch in Grosny seit den ersten Meldungen über die Verfolgung Homo- und Transsexueller. Im Frühjahr 2017 waren demnach über hundert Männer wegen vermuteter Homosexualität verschleppt und in außergesetzlichen Lagern an der Seite von anderen Inhaftierten wie Drogensüchtigen gefoltert worden, einige von ihnen starben dabei. Nach internationaler Empörung wurde das mutmaßliche Hauptinhaftierungslager geräumt, später kam es aber immer wieder zu kleineren Verfolgungen, die auch vermutete Lesben oder Transsexuelle umfassten, zuletzt Anfang des Jahres (queer.de berichtete). Der Europarat hatte dazu im letzten Sommer eine umfangreiche Untersuchung vorgelegt (queer.de berichtete).
Wenig später folgte das Parlament den Empfehlungen des Berichterstatters Piet De Bruyn fast einstimmig und forderte von den dafür zuständigen russischen Behörden, die Taten aufzuklären und Verantwortliche zu ermitteln und zu bestrafen (queer.de berichtete). Im März hatte der Europarat die Forderung erneuert und Aufklärung gefordert zu weiteren Menschenrechtsverletzungen, etwa zur Folter von Gefangenen mit Elektroschocks, Schlägen, gezielten Verbrennungen und anderen Misshandlungen (queer.de berichtete). (nb)
"Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche."
Wäre nicht das erste mal, dass ein Mega-Homophob am Ende...