Eine Blockade am Beginn des CSD (Bild: Twitter)
Beim zweiten CSD in Lublin ist es am Samstag zu kleineren Ausschreitungen durch rund 200 Nationalisten und Hooligans gekommen. Sie stimmten immer wieder homophobe Sprechchöre wie "Zakaz pedalowania" (in etwa: "Stoppt Schwuchteln") an und blockierten zusammen mit einigen fundamentalistischen Gläubigen und mit Transparenten wie "Lublin, Stadt ohne Abweichungen" mehrfach die Wegstrecke.
Wie im Vorjahr hatte der Bürgermeister der 340.000-Einwohner-Stadt im Südosten Polens, Krzysztof Zuk von der liberal-konservativen Bürgerplattform, den CSD vorab verboten, war aber in dieser Woche damit in zwei Gerichtsinstanzen gescheitert. Beim ersten Pride im letzten Jahr hatten Nationalisten vor Beginn Rauchbomben und Feuerwerkskörper auf CSD-Teilnehmer geworfen und sich danach der Demonstration mehrfach in den Weg gestellt, bis sie von der Polizei unter Einsatz von Wasserwerfern vertrieben wurden (queer.de berichtete).
Die Polizei sicherte den Pride auch in diesem Jahr mit einem Großaufgebot von rund 1.000 Beamten und setzte dabei Erfahrungen aus dem letzten Jahr um. So löste sie einzelne Blockaden, darunter zu Beginn, mit entschlossenem Körpereinsatz und Pfefferspray auf. Mit einem letztlich selten eingesetzten Wasserwerfer und einer Wand aus Polizisten an der Spitze konnte der CSD für zwei Stunden recht problemlos in einem Kreis durch die Innenstadt ziehen. Vor allem an der Zugspitze kamen auch verdeckte Polizisten zum Einsatz, um Gewalttäter schnell ausfindig zu machen, unterstützt von einem Helikopter und Drohnen. Insgesamt kam es zu rund 30 Festnahmen.
Nach einigen halbwegs friedlichen CSDs stellten die Szenen aus Lublin die schwersten Ausschreitungen seit den gewalttätigen Übergriffen gegen den ersten CSD in Bialystok Mitte Juli dar. Bis zu 2.000 LGBTI und Unterstützer, nach Polizeiangaben 1.500, ließen sich dennoch nicht von dem "Marsch für Gleichberechtigung" in Lublin abhalten. Mit einem ironischen Transparent "Starke Bewerbung von Homosexualität" an der Spitze zogen sie mit Regenbogen- und Transflaggen einem Wagen mit Musik und Redebeiträgen hinterher. "Pervers ist, wer Hass sät", stand auf einem Plakat, "Homophobie bedroht die polnische Familie" auf einem anderen. Vom Straßenrand aus klatschten auch viele Einwohner und winkten den Pride-Teilnehmern zu.
Journalisten angegriffen
Von den CSD-Teilnehmern wurde soweit bekannt niemand angegriffen und verletzt, die Polizeibeamten hatten eine Kette um die gesamte Demonstration gebildet. Aus einem Wohnhaus flogen offenbar einmal Eier auf die Aktivisten. An der ersten Blockade wurde durch die Gegendemonstranten ein Journalist von oko.press mit einem Schlag gegen den Kopf angegriffen, sein filmendes Smartphone wurde auf den Boden geworfen und damit zerstört. Eine Journalistin von oko.press erhielt eine geworfene Getränkedose gegen den Kopf, der danach blutete. Der Angreifer wurde später offenbar festgenommen. Die von Medien und Aktivisten für den Gesamteinsatz gelobte Polizei kündigte an, durch Auswertung von Videomaterial weitere Störer und Gewalttäter ausfindig zu machen. Beamte wurden offenbar keine verletzt.
Insgesamt hatte es in diesem Sommer in einer Rekordzahl von fast 40 polnischen Städten einen CSD gegeben, in der nächsten Woche machen Breslau und Nowy Sącz den Abschluss. Eine Woche später folgen die Parlamentswahlen. Die regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" hatte seit den Europa-Wahlen im Mai eine konsequente Stimmungsmache gegen eine vermeintliche "LGBT-Ideologie" betrieben und dabei in einem eskalierenden und geschürten Kulturkampf Unterstützung von der katholischen Kirche und einigen regierungsnahen Medien erhalten.
Kurz vor Beginn der Stimmungsmache wurde im Mai die in dieser Woche veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage zu LGBTI-Themen durchgeführt. In Polen zeigte sich dabei neben Deutschland der größte Zuwachs an Akzeptanz gegenüber der Umfrage vor vier Jahren. (nb)
Die müssen akzeptieren, das auch GLBT ein Recht auf freie Rede haben.
Anderen Menschen die eigene Gesinnung aufzwingen zu wollen ist der Geist des Totalitarismus.