Es ist die Einlösung eines Versprechens von Emmanuel Macron: Die künstliche Befruchtung für alle. Damit hat Frankreichs Präsident eine Gesetzesreform mit großer gesellschaftlicher Bedeutung auf den Weg gebracht (queer.de berichtete).
Bisher ist die künstliche Befruchtung in Frankreich nur heterosexuellen Paaren erlaubt – sie müssen verheiratet sein oder mindestens zwei Jahre zusammen leben. Das soll sich nun ändern. Auch lesbische und alleinstehende Frauen sollen sich ihren Kinderwunsch erfüllen dürfen. Macron hatte das im Wahlkampf zugesagt, nun will er liefern.
Doch katholische Verbände und Politiker aus dem rechten Spektrum machen gegen die geplante Reform mobil. Und vor allem ein Bündnis will die Menschen zum Protest auf die Straße holen: "La Manif pour tous". Es ruft am Sonntag zu einer Großdemonstration in Paris auf.
Bereits vor sechs Jahren Massendemos gegen die Ehe für alle
"La Manif pour tous" kennt man in Frankreich nur zu gut. Vor sechs Jahren hatte das reaktionäre Bündnis Hunderttausende Menschen gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mobilisiert. Wochenlang gab es Massenproteste, die Homo-Hasser lieferten sich sogar gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei (queer.de berichtete). Stehen Frankreich erneut derartige Großdemonstrationen bevor? Ein neuer heißer Herbst sozusagen, nachdem sich die "Gelbwesten"-Demos größtenteils beruhigt haben?
"Manif pour tous" – das heißt auf Deutsch so viel wie "Demo für alle". Und das dürfte vielen auch in Deutschland noch ein Begriff sein. Das LGBTI-feindliche Bündnis hat hierzulande gegen die angebliche "Frühsexualisierung" von Kindern an Schulen demonstriert und sich gegen Lehrpläne gestellt, die verschiedene Familienformen neben der heterosexuellen Ehe gleichberechtigt vermitteln.
Vorbild für die "Demo für alle"
An der geplanten Demo am Sonntag in Paris will das deutsche Bündnis aber nicht teilnehmen, hieß es auf Anfrage. Aber wie das Original lehnt die Gruppe die Reformpläne der französischen Regierung ab. "La Manif pour Tous" ist für das deutsche Pendant ein Vorbild gewesen, vor allen in "Erscheinungsbild und Auftreten", erklärt die Organisatorin, Hedwig Freifrau von Beverfoerde.
Das Besondere an der französischen Bewegung ist tatsächlich ihr bunter Auftritt mit modernem Anstrich bei gleichzeitig reaktionären Positionen. Es gab bei den Demos farbige Ballons, T-Shirts und Plakate, Happenings wurden organisiert. Bloß nicht bieder wirken. Das Bündnis war ein Sammelbecken auch für junge Menschen aus dem katholisch-konservativen Umfeld. Die Kirche stand hinter dem homophoben Protest. Aber auch die rechtspopulistische Marion Maréchal-Le Pen, Enkelin des Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen, trat auf.
Künstliche Befruchtung in Deutschland schwierig
In Deutschland ist die künstliche Befruchtung theoretisch allen Frauen erlaubt – in der Realität ist es für viele allerdings schwierig. Die gesetzliche Krankenkasse beteiligt sich an den Kosten in der Regel nur, wenn das Paar auch verheiratet ist und Ei- und Samenzellen des Partners verwendet werden. Außerdem müssen bestimmte Altersvoraussetzungen erfüllt werden. Die Eizellspende ist verboten.
Warum aber stört sich "La Manif pour tous" überhaupt an der künstlichen Befruchtung für alle? Das Bündnis argumentiert, eine solche Regelung würde die Kinder nicht nur des Vaters, sondern der gesamten väterlichen Familie berauben. Es sei eine große Ungerechtigkeit für Kinder, sagte die Organisatorin des Bündnisses, Ludovine de La Rochère, dem Sender Franceinfo. "Ich denke, es gibt eine sehr breite Ablehnung."
Zwei-Drittel-Mehrheit für die Reform
Damit dürfte sie falsch liegen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass 65 Prozent der Franzosen die künstliche Befruchtung für lesbische Paare unterstützen und 68 Prozent für alleinstehende Frauen. Und auch die Kirche gibt sich dieses Mal eher zurückhaltend. Auch von den "Gelbwesten" wird die Bewegung Experten zufolge eher nicht profitieren können – zu unterschiedlich sind die Bewegungen. Wird aus dem groß geplanten Protest also eine Luftnummer?
"Die Formen der Mobilisierung sind weniger spektakulär", erklärt Magali Della Sudda mit Blick auf die Demos von damals. Sie forscht unter anderem zu Religion und Geschlecht am politisch-soziologischen Centre Émile Durkheim in Bordeaux. Dadurch, so die Expertin, würden die Medien das Interesse verlieren – die Illusion des Verschwindens entstehe. Die Rückkehr auf die Straße markiere nun aber den Versuch einer Wiedererweckung der Demonstrationen von damals gegen die Ehe für alle.
Aber den Unfrieden den sie stiften und den Hass den sie schüren, ist schon schlimm genug.