Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Bürger in Deutschland dazu aufgerufen, die liberale Demokratie auch im Internet engagiert zu verteidigen. "Überlassen wir die digitalen Räume nicht den Feinden der Freiheit und überlassen wir sie nicht den Feinden der Demokratie", sagte er am Donnerstag in Berlin. Die demokratische Mehrheit dürfe sich nicht vertreiben lassen vom Gebrüll der Wenigen – "und das nicht nur auf den Marktplätzen, sondern auch in den Kommentarspalten und Debattenräumen im Internet".
Bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema "Demokratie unter Druck – für eine neue politische Streitkultur" betonte Steinmeier, die Stärke der Zivilgesellschaft müsse auch im Netz zum Tragen kommen. "Die Mehrheit muss jetzt sichtbar werden, sie muss viel wirksamer werden, als sie es bislang war. Sie muss laut und deutlich Wort ergreifen – auch im Netz." Diejenigen, die der liberalen Demokratie schaden wollten, seien im Netz viel zu oft viel effektiver aufgestellt als die, die für sie einstünden.
Steinmeier reagierte damit auch auf den Terroranschlag von Halle. Dort hatte ein 27-jähriger Deutscher am Mittwoch vergangener Woche versucht, sich mit Waffengewalt Zutritt zu einer Synagoge zu verschaffen. Als dies misslang, tötete er eine Passantin und später einen Mann in einem Döner-Imbiss. Der Mann hat die Tat gestanden und rechtsextremistische sowie antisemitische Motive angegeben. In der Synagoge hielten sich mehr als 50 Menschen auf, um den jüdischen Feiertag Jom Kippur zu begehen.
Entgleisungen als Wegbereiter der Gewalt
Der Bundespräsident forderte zudem, geltendes Recht strikter durchzusetzen. "Der Anschlag auf unsere Demokratie beginnt nicht erst beim politischen Mord", so Steinmeier. "Antisemitische oder rassistische Beleidigungen, islamophobe oder homophobe Herabsetzungen, immer und immer wieder auch frauenverachtende, sexistische, auf brutalste Weise entwürdigende Äußerungen, wie sie Renate Künast und viele andere – auch hier im Saal Anwesende – öffentlich erdulden müssen, solche Entgleisungen sind es, die der Gewalt den Weg bereiten." Dies dürfe niemals zur Normalität werden. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen im digitalen Dauerfeuer jeden Schutz verlieren."
Im vergangenen Jahr entschuldigte sich der Bundespräsident in einer historischen Rede für die Homosexuellenverfolgung in Deutschland (Bild: Micha Schulze)
Steinmeier begrüßte es, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaften der Durchsetzung geltenden Rechts im Netz widmeten, und der Gesetzgeber nach Wegen suche, strafbare Äußerungen dort mit neuer Konsequenz zu ahnden. Es sei auch gut, dass die Gerichtsbarkeit mit diesen Fragen ringe. "Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, dass unsere höchsten Gerichte sich einmal grundlegend dem Gleichgewicht von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz im digitalen Zeitalter widmen."
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Norbert Lammert, sagte, die Digitalisierung revolutioniere das Kommunikationsverhalten von Personen und Institutionen mit nachhaltiger Wirkung für den privaten und öffentlichen Bereich. "Die Konfliktfähigkeit unserer Gesellschaft setzt einen Mindestkonsens darüber voraus, wie verschiedene Standpunkte zusammengebracht werden können. Nur wenn es einen Konsens gibt, wie Konflikte auszutragen sind, kann sich eine Gesellschaft diese Konflikte tatsächlich leisten." (cw/dpa)
Die Probleme auf der Straße, in Bildungseinrichtungen und im Bereich Wohnen sowie in anderen Bereichen wie auch die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sind in Deutschland genauso problematisch wie die Hetze im Netz. Auch hier verweigern Geeichte oftmals die Anerkennung und erweisen sich als der Weimarer Repulik entsprechend. Der Anstieg der homophob motivierten Straftaten um 46 % sagt einiges zur derzeitigen Situation in Deutschland aus. Meiner Erfahrung zufolge hatte die Einführung der Ehe für Alle in Deutschland noch mehr politische und gesellschaftliche Verfolgung nach sich gezogen als die Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001, die an sich bereits extrem gewesen ist.