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Stichtag 14. Februar
Jetzt sicher: Auch Nordirland bekommt die Ehe für alle
Da bis Montagnacht keine neue regionale Regierung steht, tritt eine Vorlage aus London in Kraft. Erste gleichgeschlechtliche Ehen könnte es am Valentinstag 2020 geben.

Am Montag feiern Aktivisten die Ehe-Öffnung bei einem Empfang in Belfast (Bild) und Derry, bereits am Samstag gab es eine größere Party in Belfast
- 21. Oktober 2019, 16:44h 4 Min.
Vom britischen Parlament im Juli beschlossene Reformen für Nordirland, die gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe öffnen und Abtreibungen legalisieren, treten in der Nacht zum Dienstag in Kraft, nachdem am Montag Versuche der konservativen Partei DUP zu ihrer Verhinderung in letzter Minute scheiterten.
Nach jahrelangem Stillstand in der Sache und Jahren ohne Regierung in Stormont hatte das Parlament in London den Schritt beschlossen mit der Vorgabe, dass dieser nur in Kraft tritt, wenn sich nicht bis zum 21. Oktober eine neue gemeinsame Regierung der zerstrittenen großen Parteien DUP und Sinn Fein bildet (queer.de berichtete). Ursprünglich sollte die Ehe-Öffnung ansonsten direkt möglich werden – nach einem Änderungsantrag im House of Lords, der der Verwaltung mehr Vorbereitung ermöglichen sollte, gilt inzwischen der 13. Januar 2020 als Stichtag der Umsetzung des Gesetzes.
Twitter / Love_EqualityNI | Am Montagnachmittag wurde es Zeit für HochzeitskuchenWere so proud to be surrounded by some of the people, couples and campaigners who have brought us to this point.
Love Equality NI (@Love_EqualityNI) October 21, 2019
Thank you to everyone who has told their stories to help us reach this milestone. pic.twitter.com/51F875nNHm
Da Paare nach der Beantragung ihrer Ehe eine Wartezeit von 28 Tagen haben, könnten die ersten gleichgeschlechtlichen Ehen damit am 14. Februar geschlossen werden. "Es könnte kein passenderes Datum für Nordirlands erste gleichgeschlechtliche Hochzeiten geben als den Valentinstag", kommentierte Patrick Corrigan von Amnesty International in Nordirland am Montag.
DUP lehnt Ehe-Öffnung strikt ab
Die Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe galt als einer der großen Streitpunkte in der nordirischen Politik – die radikal-protestantische Partei Democratic Unionist Party (DUP), die im Londoner Parlament der britischen Tory-Regierung im Rahmen einer Unterstützungsvereinbarung eine Mehrheit sichern soll (allerdings derzeit die aktuellen Brexit-Vorlage ablehnt), ist entschieden gegen die Ehe für alle. Nachdem das nordirische Parlament seit 2012 vier Mal die Ehe-Öffnung ablehnte, stimmte es 2015 mit 53 zu 51 Abgeordneten knapp dafür.
Die DUP erklärte die Frage aber zu einer "Petition of Concern", womit eine Supermehrheit von 60 Prozent sowie Stimmen aus allen Parteien für die Verabschiedung eines Gesetzes notwendig gewesen wären (queer.de berichtete). Diese Regelung war eingeführt worden, damit die Minderheit bei kontroversen Auseinandersetzungen zwischen protestantischen Unionisten und katholischen Republikanern nicht andauernd überstimmt wird. Vor zwei Jahren lehnte der Oberste Gerichtshof von Nordirland die Ehe-Öffnung ab, da dies eine Frage der Politik sei (queer.de berichtete). Eine Berufung läuft noch.
Twitter / NIOgovIf Stormont is not back up and running by 21 October 2019, the UK government will be under a duty to make same-sex marriage and opposite-sex civil partnerships possible for the people of Northern Ireland by 13 January 2020. https://t.co/xOp3ypdImE pic.twitter.com/Li1Fjo0oxK
Northern Ireland Office (@NIOgov) October 9, 2019
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DUP scheitert mit letzter Blockade
Das Parlament in Stormont, die Northern Ireland Assembly, war im Zuge des Karfreitagsabkommens eingerichtet worden; aus ihm heraus wird die Northern Ireland Executive, die regionale Regierung, gebildet. Seit Anfang 2017 hatte Stormont nicht mehr getagt. In der letzten Woche hatte die DUP überraschend die anderen Parteien zu einer Parlamentssitzung am Montag eingeladen und dazu einen entsprechenden Antrag gestellt.
Sinn Fein und kleinere Parteien wie die Grünen kritisierten den Aufruf allerdings als "PR-Spektakel", bei dem die DUP nur ihre Ablehnung von Ehe-Öffnung und vor allem Abtreibung demonstrieren wolle. Die Sitzung wurde am Montag letztlich nach wenigen Minuten ergebnislos beendet, da unter anderem Sinn Fein fernblieb und aus Sicht des Parlamentsvorsitzenden ein neuer Vorsitzender aus beiden Lagern hätte gewählt werden müssen.
Twitter / BBCNewsNIFollow all the latest developments as the Stormont Assembly sits for the first time in nearly three years after being recalled in a last-ditch attempt to stop abortion law changes https://t.co/lsIjNju6Go pic.twitter.com/b2tFvpXflC
BBC News NI (@BBCNewsNI) October 21, 2019
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DUP-Chefin Arlene Foster, die einen Eilantrag "zum Schutz des Ungeborenen Lebens" einbringen wollte, sprach von einem "Tag der Schande für Nordirland", da nun eines der liberalsten Abtreibungsgesetze in Europa in Kraft treten würde. Zuvor hatte das europaweite fundamentalistische Portal CitizenGo in einer Online-Petition angeblich über 77.000 Unterschriften gesammelt, mit denen Sinn Fein aufgefordert wurde, zur Verhinderung von "Europas extremstem Pro-Abtreibungs-Gesetz" nach Stormont zurückzukehren.
Die Reformen im Bereich Abtreibung werden zum 31. März eingeführt. Bislang gilt in Nordirland ein striktes Abtreibungsverbot, das nur wenige Ausnahmen, etwa bei Gesundheitsgefahren der Mutter, zulässt – im letzten Berichterstattungsjahr betraf das zwölf Fälle. Die DUP war einst von dem evangelikalen Priester Ian Paisley gegründet worden, einem der homofeindlichsten Stimmungsmacher der britischen Politik.
Twitter / stonewallukFinally! Same-sex marriage will become a reality in #NorthernIreland. This is a historic moment same-sex couples will be able to say I do from January 2020. Read our statement https://t.co/HCbfhCgGVw @Love_EqualityNI #equalmarriage
Stonewall (@stonewalluk) October 21, 2019
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Bevölkerung unterstützt Liberalisierung
2018 hat eine Umfrage ergeben, dass 76 Prozent der nordirischen Bevölkerung die Ehe-Öffnung befürwortet. Nachdem die 29-jährige Journalistin und Aktivistin Lyra McKee im April bei Ausschreitungen in Derry erschossen wurde, hatte ihre Partnerin sich öffentlich für Friedensbemühungen eingesetzt und auch LGBTI-Rechte inklusive der Ehe für alle eingefordert (queer.de berichtete).
Twitter / RBlackPAEarly celebrations at the Merchant Hotel among same-sex couples and campaigners of the Love Equality campaign ahead of the law changing at midnight following Westminster legislation which will require government to extend same-sex marriage to Northern Ireland. pic.twitter.com/oi3qQAXaiK
Rebecca Black (@RBlackPA) October 21, 2019
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Das benachbarte Irland hatte die Ehe für alle 2015 nach einer Volksabstimmung geöffnet (und 2018 auch das Abtreibungsrecht liberalisiert). In England und Wales gibt es die Ehe für alle seit Ende März 2013, Schottland folgte im Dezember. Inzwischen gilt die Ehe für alle auch auf den Kanalinseln mit Ausnahme von Sark, auf der Isle of Man und in zehn der vierzehn Überseegebiete. (nb)

Mehr zum Thema:
» Nordirland: Britisches Parlament stimmt für Ehe-Öffnung (09.07.2019)
Ob das durch einen Volksentscheid, einen Parlamentsentscheid, einen Gerichtsentscheid oder eben durch Verstreichen einer Frist passiert, ist dabei herzlich egal.
Jetzt hoffe ich als nächstes auf die Eheöffnung in der Schweiz und in einigen lateinamerikanischen Ländern.