Justin Trudeau freut sich nach dem knappen Wahlsieg seiner Liberalen
Nach einer spannenden Wahlnacht ist die Liberale Partei Kanadas als Sieger aus den Unterhauswahlen vom Montag hervorgegangen. Sie konnte zwar keine absolute Mehrheit erreichen, kann aber in einer Minderheitsregierung weitermachen. Die Liberalen kommen laut dem Fernsehsender CBC voraussichtlich auf 156 der 338 Sitze im Parlament von Ottawa – und verloren damit 21 Mandate im Vergleich zur Wahl 2015. Die LGBTI-feindlichen Konservativen konnten ihr Ergebnis von 95 auf 122 Sitze verbessern, aber nicht ihr Ziel erreichen, die Liberalen zu überholen. Die linksgerichtete NDP erreichte 24 Sitze (minus 15) – sie wird voraussichtlich eine liberale Minderheitsregierung tolerieren. Die Separatisten vom Bloc Québécois kamen auf 32 Sitze, die Grünen auf drei.
Die Sitzverteilung spiegelt wegen des kanadischen Mehrheitswahlrechts nur begrenzt die realen Stimmenergebnisse wider: Die Liberalen erreichten kanadaweit etwa nur 33 Prozent, während die Konservativen auf 34,5 Prozent kamen. Grund für das schlechtere Abschneiden der Konservativen bei der Sitzverteilung ist, dass sie in vielen ländlichen Gebieten bei hoher Wahlbeteiligung große Mehrheiten für sich verbuchen konnten, während die Liberalen viele urbane Sitze eher knapp gewannen. Im ländlich geprägten Alberta erreichten die Torys etwa 70 Prozent der Stimmen, während es die Liberalen nur auf 14 Prozent brachten. Die NDP, die besonders unter Studenten erfolgreich ist, schaffte es landesweit auf rund 16 Prozent, erhielt dafür aber nur sieben Prozent der Sitze im Parlament.
Der Sieg der Liberalen ist dahingehend überraschend, dass die Trudeau-Regierung in den letzten Monaten und Jahren mehrere Skandale zu überstehen hatte. Erst im September sorgte etwa für Aufruhr, dass ein rund 20 Jahre altes Foto eines jungen Trudeaus auftauchte, in dem er bei einer Schulgala als Araber verkleidet mit brauner Farbe im Gesicht zu sehen ist – dieses "Brownfacing" wird heute generell als rassistisch eingestuft. Außerdem geriet der Premierminister im Frühjahr diesen Jahres in den Strudel einer Schmiergeldaffäre rund um den Baukonzern SNC-Lavalin – und machte dabei eine sehr schlechte Figur.
Oppositionsführer gestehen Niederlage ein
Die beiden Spitzenkandidaten der Opposition, Andrew Scheer von den Liberalen und Jagmeet Singh von der NDP, haben ihre Niederlage am Wahlabend bereits eingestanden. Wahlsieger Trudeau zeigte sich vor Anhängern begeistert: "Von Küste zu Küste zu Küste haben die Kanadier heute Nacht Teilung und Negativität abgelehnt", erklärte der 47-Jährige bei einer Siegesansprache am späten Abend. "Die Kanadier haben Haushaltseinschnitte und Sparpolitik abgelehnt und sich eine progressive Agenda und starkes Handeln beim Klimawandel gewählt."
Andrew Scheer wollte Justin Trudeau ablösen – und scheiterte (Bild: Conservative Party of Canada)
Im Wahlkampf hatte auch LGBTI-Politik eine Rolle gespielt. Die Liberalen warben mit Verweis auf Justin Trudeaus Politik offensiv um die Stimmen von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten. Trudeau war nicht nur der erste Regierungschef, der an einem CSD teilnahm, sondern versuchte seit seiner Amtseinführung 2015, mehrere Projekte für LGBTI-Rechte durchzusetzen (queer.de berichtete).
Demgegenüber hatte sich der konservative Spitzenkandidat in der Vergangenheit als Gegner von LGBTI-Rechte profiliert. Im Wahlkampf teilten die Liberalen in sozialen Medien etwa eine Parlamentsrede von Scheer aus dem Jahr 2005, in dem sich der Konservative für das Ehe-Verbot für homosexuelle Paare aussprach. Sie warnten, dass der 40-Jährige die Uhren wieder zurückdrehen und möglicherweise das vor 14 Jahren landesweit abgeschaffte Ehe-Verbot für Schwule und Lesben wieder einführen könne. Scheer, der öffentlich seinen katholischen Glauben zelebriert, behauptete zwar im Wahlkampf, dass das Thema "juristisch geklärt" sei – viele Liberale und auch LGBTI-Aktivisten trauten seinen Ankündigungen aber nicht. (dk)