Imam Christian Awhan Hermann will liberale Imam*innen ausbilden (Bild: privat)
Erst vor gut einem Jahr hatte Christian Awhan Hermann eine Ausbildung als islamischer Geistlicher am Institut Calem in Marseille beim schwulen Imam Ludovic-Mohamed Zahed absolviert – und wurde damit der erste offen schwule Imam Deutschlands (queer.de berichtete). Nun will der in Bayern als Protestant aufgewachsene 49-Jährige das Konzept nach Deutschland bringen: Am Freitag sollen "so Gott will" die ersten Islam-Kurse seiner neu gegründeten Kalima-Akademie in Berlin anlaufen, verriet Hermann queer.de. "Das muss sich aber erst noch rumsprechen." Die Moscheegemeinde Kalima (Arabisch für "Wort" oder im übertragenen Sinne "Idee") hatte er bereits im Dezember letzten Jahres gegründet (queer.de berichtete).
Die "integrierte Imam*innen-Ausbildung" soll zunächst via Skype durchgeführt werden, meist durch Abendkurse. "Interaktivität ist wichtig", so Hermann. Später sollen die Seminare in einem Gemeindezentrum stattfinden. Die Ausbildung besteht aus zehn Kursen und Workshops. Diese reichen vom A-Kurs (Aqida/islamische Glaubenslehre) über den K-Kurs (Koranlehre) bis hin zum F-Kurs (feministische Theologie) und dem Q-Kurs (queere Themen).
Beim Q-Kurs steht der Umgang mit LGBTI in islamischen Gemeinden ebenso auf dem Programm wie Grundlagen zur geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt und der queere Blickwinkel auf den Koran. Dass Homosexualität in islamischen Ländern kriminalisiert werde, sei ein "relativ neues" Phänomen, berichtete Hermann, das im 19. Jahrhundert entstanden sei.
Hermann will Musliminnen ansprechen
Auch Frauen sollen besonders angesprochen werden. "Grad die Frauen gehen nicht in die Moschee, weil sie keine Lust haben, wie zweite Garnitur behandelt zu werden", erklärte Hermann und bezieht sich dabei auf die Geschlechtertrennung, die in den meisten Moscheen üblich ist.
Den Abschluss erreicht man – wie in der guten alten Schule – mit Prüfungen. Es solle eine Mischung aus Multiple-Choice, Wissensfragen und Essays geben, so Hermann Da die Ausbildung von Imamen und Imaminnen traditionell nicht im Islam geregelt ist, kann jeder Gläubige diesen Weg wählen. Als Voraussetzungen verlangt Hermann neben einem Mindestalter von 18 Jahren gute Deutschkenntnisse, eine abgeschlossene Berufs- oder Universitätsausbildung sowie – natürlich – die muslimische Religionszugehörigkeit, die durch ein Zertifikat oder einen Fragebogen nachgewiesen werden kann.
Wichtig ist dem schwulen Imam insbesondere, dass es sich hierbei um ein religiöses Projekt handelt und kein politisches, so der 1970 in Konstanz geborene Geistliche. Er steht deswegen über Kreuz mit der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee von Seyran Ates, der er vorwirft, Politik machen zu wollen und das Geistliche zu vernachlässigen. Vergangene Woche verfasste er auch eine Pressemitteilung, in der er kritisierte, dass die Moschee suggeriere, als einziger Ort für queere Musliminnen und Muslime da zu sein.
Hermann erzählte auch mit einem gewissen Stolz, dass er in der muslimischen Hauptstadtcommunity integriert sei und auch mit konservativen Imamen gute Kontakte pflege. Er wolle nicht "Blame and Shame" betreiben, sondern versuchen, Freundschaften aufzubauen und so einen Meinungswandel herbeizuführen. Er ist sich sicher: "Anfeindungen helfen nicht."