Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der EU (Bild: Cedric Puisney / flickr / by-nd 2.0)
Diskriminierende Äußerungen von Arbeitgebern können nach Ansicht einer wichtigen EU-Gutachterin gegen Arbeitsrecht verstoßen, auch wenn sie nicht im Firmenumfeld getätigt wurden. Es sei an den nationalen Gerichten zu prüfen, wie hypothetisch eine Aussage sei, erklärte die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, Eleanor Sharpston, am Donnerstag in Luxemburg (Rechtssache C-507/18).
In dem noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreit geht es um einen Verstoß gegen die EU-Richtlinie 2000/78/EG und ihre italienische Umsetzung, die Gleichstellung und Antidiskriminierung im Arbeitsrecht regelt und dabei auch den Schutz von Homo- und Transsexuellen vor direkter und indirekter Diskriminierung umfasst (eine entsprechende Richtlinie zum Zivilrecht wird seit 2008 unter anderem von Deutschland blockiert). Im konkreten Fall hatte ein Rechtsanwalt in Italien während eines Radiointerviews ausgeschlossen, homosexuelle Menschen beschäftigen oder mit ihnen zusammenarbeiten zu wollen. Zu dieser Zeit suchte seine Firma aber nicht nach Mitarbeitern.
Queere Rechtsanwälte hatten geklagt
Die italienische Rechtsanwaltsvereinigung "Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI", die auf die Beratung queerer Menschen spezialisiert ist, hatte daraufhin geklagt und unter anderem eine Geldsumme als Sanktion und ein Abdruck des Urteils gefordert. In erster Instanz hatte ein Gericht der Organisation 10.000 Euro zugesprochen, was von einer zweiten Instanz bestätigt wurde.
Nach erneuter Berufung hatte das oberste italienische Gericht den Fall nach Luxemburg verwiesen. Das Gericht hatte Zweifel, inwieweit derartige Aussagen unter den in der entsprechenden EU-Richtlinie geltenden Diskriminierungsschutz in Beschäftigung und Beruf fallen können und ob der Verband hier Klagerecht habe.
Die Gutachterin stellte nun fest, dass die Interviewäußerungen sehr wohl unter die Direktive fallen, da mit ihr der Zugang zu Beschäftigung beeinträchtigt werden könnte. Wenn solche Aussagen nicht in einem konkreten Bewerbungsverfahren fallen, müssen nach Ansicht der Gutachterin die nationalen Gerichte klären, ob diese nicht nur hypothetisch seien. Dabei seien der Status des Äußernden zu berücksichtigen und der Inhalt und Kontext seiner Äußerungen.
Speziell gehe es um die Frage, ob die Äußerungen dazu geeignet seien, Menschen von einer Bewerbung abzuhalten, die zu einer vor Diskriminierung geschützten Gruppe gehören. Die Einschätzung der Gutachterin ist für den EuGH nicht bindend. In den meisten Fällen folgen die Richter ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen. (dpa/nb)