Die "umstrittenen" Videos sind nicht mehr abrufbar, russische Medien veröffentlichten nur noch einige Screenshots, auf denen sie die fragenden Kinder und Jugendlichen unkenntlich machten
Die russische Polizei ermittelt wegen der Veröffentlichung von mehreren Online-Videos, in denen sich mehrere Kinder unter anderem mit einem schwulen Mann schlicht unterhalten hatten. Wie Moskauer Ermittler gegenüber russischen Medien angaben, ermittelten sie nach einem Strafrechtsparagrafen zu "sexueller Gewalt" gegenüber Kindern unter 14 Jahren. Die Aufnahmen zeigten demnach "Minderjährige und Kinder, die über unterschiedliche sexuelle Angelegenheiten mit Erwachsenen" sprechen.
Die Ermittlungen beziehen sich auf Videos, die seit Dezember auf dem Youtube-Kanal "Real Talk" veröffentlicht wurden. In der Reihe hatten sich Kinder mit diversen Menschen getroffen, etwa einer Frau mit Magersucht, einer Kleinwüchsigen oder einer ehemaligen Prostituierten, und Fragen zu ihrem Leben gestellt. Andere zeigten sie im Gespräch mit einer Drag Queen und, in zwei Folgen, mit einem Schwulen. Eines der Videos wurde mehr als zwei Millionen Mal angeklickt. Die Videos wurden mittlerweile gelöscht, der Kanal auf eine Sperrliste der Medienanstalt gesetzt.
Ein Verantwortlicher für die Videos sei bereits vernommen worden, so die Polizei am Samstag. Derzeit suche man nach den betroffenen Kindern und Jugendlichen. Bei einer Verurteilung wegen "sexueller Gewalt" drohen bis zu 20 Jahre Haft. Wie die Menschenrechtlerin Valentina Dekhtyarenko von der Organisation Pravozashchity Otkrytki mitteilte, hätten weder die betroffenen Kinder noch die Eltern Beschwerden zu den Sendungen. Auf eine Mutter werde durch die Polizei Druck ausgeübt, sie könne ihr Sorgerecht verlieren – Mitarbeiter einer Vormundschaftsbehörde seien bereits vorstellig geworden.
Aktivisten äußerten auch die Sorge, dass gegen die Gesprächspartner der Kinder ermittelt werden könnte. Mehrere Portale zitierten aus Akten, in denen der zuständige Ermittler den folgenden Vorwurf festhält: "Organisation und Durchführung von Interviews zwischen den oben genannten Opfern sowie Menschen mit nichttraditioneller sexueller Orientierung, bei denen sie Gespräche über verschiedene Themen verdorbener Natur führten, um sexuelle Erregung bei den Opfern zu bewirken und ihr Interesse an sexuellen Beziehungen zu wecken".
Auf "Homo-Propaganda" folgt "Homo-Panik"
Das Thema hatte schon vor einigen Wochen für Aufregung und geschürte Panik zu Homosexuellen in einigen Medien geführt, nachdem der Vize-Präsident des russischen Parlaments, Pjotr Tolstoi, im September nach eigenen Angaben das Innenministerium und die Medienanstalt über die Existenz der "ethisch inakzeptablen und unmoralischen" Videos informierte. Vergangenen Monat verkündete Tolstoi, das Ministerium habe eine Untersuchung wegen eines möglichen Verstoßes wegen des Gesetzes gegen "Homo-Propaganda" eingeleitet.
Das Thema sorgte im September für einigen homophoben Medienwirbel
Das 2013 trotz Kritik aus dem In- und Ausland erlassene Gesetz verbietet positive Äußerungen über Homosexualität bzw. "nichttraditionelle sexuelle Beziehungen" im Beisein von Minderjährigen und sieht dazu Bußgelder vor. In der Praxis führte es bislang zu wenigen Verurteilungen und wurde vor allem zum Vorab-Verbot von Kundgebungen und zu politischer und medialer Stimmungsmache genutzt. Medien können sich der Wirkung des offiziell mit dem Jugendschutz begründeten Gesetzes entziehen, in dem sie sich oder Beiträge als "18+" auszeichnen. Allerdings kam es mehrfach zu Verfahren und Sperren gegen Unterstützungsprojekte für queere Jugendliche (queer.de berichtete) und gegen queere Webseiten und Auftritte von LGBTI-Gruppen in sozialen Netzwerken (queer.de berichtete).
Bereits im Sommer war es zu einer homofeindlichen politischen und medialen Panik gekommen, nachdem eines von zwei Adoptivkindern eines schwulen Paares mit Bauchschmerzen in einer Klinik erschien und der Arzt allein aufgrund des Aufwachsens bei zwei Männern Kindesmissbrauch vermutete. Die Behörden fanden dazu nichts, ermittelten danach allerdings gegen die eigenen Adoptionsbehörden wegen "krimineller Nachlässigkeit von Pflichten", in dem sie die Kinder nicht vor "gesundheits- und entwicklungsschädlichen Informationen" geschützt hätten. Der Adoptivvater habe die Kinder in einem Lebensverhältnis mit einem anderen Mann aufgezogen und dabei "unkonventionelle Beziehungen" beworben (queer.de berichtete).
Ermittler dursuchten auch die Wohnung des Paares und befragten Verwandte und Nachbarn, worüber einige Medien wie bei einem Verbrechen berichteten. Während einige Politiker und Prominente einen Kindesentzug und ein Adoptionsverbot für Homosexuelle ins Spiel brachten, nutzte die Regenbogenfamilie einen Auslandsaufenthalt für eine Flucht und schließlich einen Asylantrag in den USA. (nb/afp)
Mal einer kleiner Vorgschmack aus seinem aktuellen Buch:
"...werden wir vermutlich ein paar Volksteile verlieren, die nicht willens sind..."
Das lässt sich dann prima mit -
"...wohl temperierte Grausamkeiten anwenden..."
- kombinieren.