Im Bundestag wird wieder einmal über eine Ergänzung von Artikel 3 diskutiert (Bild: poolie / flickr)
Der Bundestag wird am frühen Freitagmorgen über einen gemeinsamen Gesetzentwurf der Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne (PDF) debattieren, der das Merkmal "sexuelle Identität" in den Antidiskriminierungsartikel des Grundgesetzes aufnimmt. In Artikel 3 heißt es derzeit lediglich: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Laut dem Antrag soll dieser Artikel um drei Worte ergänzt werden: Nach "seines Geschlechtes," sollen "seiner sexuellen Identität" und ein Komma folgen. Die Debatte zur ersten Lesung ist nach aktuellem Stand für 1.40 Uhr morgens im Hohen Haus angesetzt.
"Auch noch 70 Jahre nach Entstehung unserer Verfassung sind Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, als einzige Verfolgtengruppe nicht in Artikel 3 des Grundgesetzes erwähnt", beklagte Ulle Schauws, die grüne Sprecherin für Queerpolitik, vorab. "Homo- und bisexuelle Menschen wurden jahrzehntelang menschenrechtswidrig verfolgt. Sie explizit sichtbar zu machen und zu nennen ist wichtig."
Jens Brandenburg, der Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion, bezeichnete es gerade in der jetzigen Situation als wichtig, Artikel 3 zu ergänzen. "Die politische Radikalisierung in Deutschland und weltweit zeigt, wie zerbrechlich vermeintlich selbstverständliche Minderheitenrechte sein können", so Brandenburg. Doris Achelwilm von der Linksfraktion ergänzte, dass ein "grundgesetzlicher Schutz" negativen politischen Entwicklungen bei Minderheitenrechten entgegenwirken könne.
Union ziert sich
Aus der Regierung kommen unterschiedliche Stimmen. Während die SPD bereits 2010 grundsätzlich beschlossen hatte, dass ein Diskriminierungsschutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle in Artikel 3 notwendig sei, gibt sich die Union bislang größtenteils ablehnend. Fraktionsvize Thorsten Frei warnte angesichts der drei zusätzlichen Worte im Grundgesetz etwa vor einer "Überfrachtung" der deutschen Verfassung.
Ganz anders sieht das der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak: "Niemand darf in unserem Land aufgrund seiner sexuellen Identität ausgegrenzt, verfolgt oder diskriminiert werden. Leider ist das heute nicht für alle eine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil erleben wir, dass Hass und Hetze und auch homophobe Übergriffe in letzter Zeit zunehmen. Deswegen brauchen wir ein klares und sichtbares Zeichen gegen Diskriminierung und Hass", so der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Bei der geplanten Änderung gehe es nicht um Symbolpolitik: "Mit der Ergänzung von Art. 3 Abs. 3 GG sichern wir das bisher bei Gleichstellung und Schutz gegen Diskriminierung Erreichte verfassungsrechtlich ab. Reaktionären und rückwärtsgewandten Kräften wird damit ein Riegel vorgeschoben."
Für eine Grundgesetzänderung sind jeweils Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und im Bundesrat notwendig. Sie ist damit nicht gegen den Widerstand der Union möglich. (dk)
Solange in Art. 3 GG ganz viele einzelne Gleichheitsmerkmale genannt werden, ist es diskriminierend, die Merkmale der geschlechtlichen Identität und der sexuellen Orientierung dort explizit nicht zu nennen.
Solange man schon per Grundgesetz diskriminiert ist (als einzige Bevölkerungsgruppe), sind alle anderen Gleichstellungsversuche nette Kosmetik, aber das grundsätzliche Problem bleibt.