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Niedersächsischer Landtag

Alle demokratischen Parteien für Reform der Blutspende

Im Landtag von Hannover herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass Diskriminierung von Schwulen bei der Blutspende nicht akzeptabel sei. Nur die AfD sieht das anders. Auch ein Diskriminierungsschutz in der Verfassung wurde diskutiert.


Im Landtag des Acht-Millionen-Einwohner-Landes Niedersachsen waren diese Woche auch LGBTI-Rechte Thema

"Diskriminierungsfreie Blutspende ermöglichen" – mit diesem Antrag (PDF) brachte die FDP ein heiß diskutiertes Thema in den Niedersächsischen Landtag ein, das nicht nur LGBTI-Aktivisten umtreibt. Am Donnerstag fand dazu eine halbstündige Debatte im Plenum statt.

Die liberale Landtagsfraktion will – wie auch die FDP-Bundestagsfraktion – erreichen, dass "die medizinische Beurteilung zur sicheren Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen nicht mehr von der sexuellen oder geschlechtlichen Identität abhängig gemacht wird". Der Antrag fordert, dass sich die rot-schwarze Landesregierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei der Bundesärztekammer für ein Ende der Diskriminierung einsetzt und im Bundesrat eine Initiative zur Änderung des Transfusionsgesetzes startet.

Der Hintergrund: Bis 2017 waren schwule und bisexuelle Männer wegen ihrer sexuellen Orientierung grundsätzlich vom Blutspenden ausgeschlossen. Seither wurden die Richtlinien ein wenig gelockert, allerdings nach Ansicht von LGBTI- und Aids-Aktivisten zu wenig: Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen demnach spenden, wenn sie ein Jahr lang zölibatär gelebt haben (queer.de berichtete). Selbst Geschlechtsverkehr mit dem eigenen Ehemann reicht aus, um in der Blutspendezentrale mit dem Bannstrahl getroffen zu werden. "Transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten" werden ebenfalls ausgeschlossen.

Die FDP hält in ihrem Antrag den Totalausschluss von sexuell aktiven schwulen Männern und Transpersonen für diskriminierend: "Entscheidend für ein Infektionsrisiko ist […] nicht die sexuelle oder geschlechtliche Identität eines Menschen, sondern das tatsächliche Risikoverhalten, z. B. durch ungeschützten Sexualverkehr mit häufig wechselnden Partnerinnen/Partnern."

Augenblickliches Sex-Verbot für Schwule "zutiefst diskriminierend"

In ihrer Landtagsrede bezeichnete es die FDP-Politikerin Sylvia Bruns als "zutiefst diskriminierend", "dass alle homo- und bisexuellen Männer ausgeschlossen werden". Von der mitregierenden CDU kam dazu kein Widerspruch: "Liebe Kollegin Bruns, das sieht nach großer Einigkeit aus", so begann Petra Joumaah ihren Redebeitrag. Sie wies auf Engpässe in der Blutversorgung hin und beklagte, dass es immer weniger aktive Blutspender gebe: "Wir können es uns also überhaupt nicht leisten, auf auch nur einen einzigen Blutspender zu verzichten." Auch sie bezeichnete die augenblickliche Regelung als diskriminierend. Es sei zudem "empörend", dass die Bundesärztekammer ihr Restriktionen gegen Transpersonen damit begründe, dass sich viele in dieser Gruppe prostituieren würden.


Die FDP-Politikerin Sylvia Bruns bei ihrer Landtagsrede

Auch Grüne und SPD stimmten in den Chor ein: Julia Willie Hamburg (Grüne) bekräftigte, dass "strukturelle Diskriminierung" nicht geduldet werden dürfe. Dr. Thela Wernstedt (SPD) beklagte, dass sich unter Wissenschaftlern viele Vorurteile gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten hielten.

Die Harmonie wurde von Rechtsaußen unterbrochen: "Ich muss Ihnen hier doch vehement widersprechen", erklärte der AfD-Politiker Stephan Bothe zu Beginn seiner Rede und warf den anderen Parteien vor, "vorsätzlich" das Leben von Menschen zu gefährden, die auf Bluttransfusionen angewiesen sind. Homosexuelle Männer bezeichnete er pauschal als "Hochrisikogruppe".


Stephan Bothe (AfD) hält Schwule als Blutspender für gefährlich

Der FDP-Politiker Björn Försterling wollte die offene Homophobie Bothes nicht akzeptieren und warf spontan ein: "Es gibt viele homosexuelle Beziehungen, die sind monogam. Da gibt es kein sexuelles Risikoverhalten. Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum diese Menschen zwölf Monate keinen Geschlechtsverkehr in einer monogamen Beziehung und in einer Ehe praktizieren, weil sie dann nur so Blut spenden können. Wir können doch nicht allen Ernstes auf dieses Blut verzichten."

Bothe erwiderte: "Es gibt einfach Infektionen, die einen längeren Zeitraum brauchen, damit sie im Blut bemerkbar werden", so der Rechtspopulist, der offenbar glaubt, dass Heterosexuelle grundsätzlich vor diesen Infektionen sicher seien. Darauf klärte Försterling auf: "Diskriminierung ist, wenn man sich eine Gruppe Menschen heraussucht und sie anders behandelt als andere." In Richtung AfD-Fraktion sagte er: "Ich weiß, dass sie mit der Begriffsdefinition Diskriminierung ein Problem haben."

Der FDP-Antrag wurde im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse verwiesen, in denen sich Fachpolitiker mit der Thematik auseinandersetzen.

Merkmal "sexuelle Identität" in die Verfassung?

Bereits am Dienstag hatte der Landtag über ein LGBTI-Thema diskutiert. Die Grünen hatten einen Antrag auf Änderung der Landesverfassung (PDF) eingereicht. Sie wollen drei Punkte erreichen: Der problematische Begriff "Rasse" soll durch "rassistisch" ersetzt werden, die Verfassung soll eine geschlechtergerechte Sprache erhalten (statt "seines Geschlechtes, seiner Abstammung": "des Geschlechts, der Abstammung") und das Merkmal "sexuelle Identität" soll in den Antidiskriminierungsartikel der Verfassung aufgenommen werden.

Bislang schützen nur fünf der 16 Bundesländer Menschen wegen ihrer sexuellen Identität ausdrücklich in der Landesverfassung vor Diskriminierung: Brandenburg (seit 1992), Thüringen (seit 1993, hier wird der Begriff "sexuelle Orientierung" benutzt), Berlin (seit 1995), Bremen (seit 2001) und das Saarland (seit 2011). Auf Bundesebene gibt es zudem eine Debatte um die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" ins Grundgesetz (queer.de berichtete).

Für den Grünen-Antrag wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Hauptdiskussionspunkt in der Plenardebatte war das Themenfeld Rasse/Rassismus. Es wurde aber auch klar, dass sich die CDU bei der Aufnahme des Diskriminierungs-Merkmals "sexuelle Identität" nach wie vor ziert, wie aus dem Redebeitrag des christdemokratischen Abgeordneten Christian Calderone hervorging. Der 42-Jährige beklagte großväterlich, dass ihm die gesamte Entwicklung zu schnell gehe, und forderte, "ein gewisses Maß bei Verfassungsänderungen einzuhalten". Er signalisierte zu dem Gesetzentwurf aber Gesprächsbereitschaft in den Ausschüssen, in die der Entwurf überwiesen wurde.

#1 Taemin
  • 22.11.2019, 13:36h
  • Seit Ende der NS-Schwulenverfolgung sind heuer 50 Jahre vergangen. So manchem in der CDU geht die seither nur in Trippelschrittchen vorankommende Gleichstellung der Minderheit mit der Bevölkerungsmehrheit immer noch zu schnell. So war das auch bei der Eheöffnung, als Unionspolitker erklärten, die seit damals 20 Jahren andauernde öffentliche Diskussion zum Thema sehr viel zu kurz, um schon eine abschließende Entscheidung zu finden. Und bei der endgültigen Abschaffung des Rest-Paragraphen 175 wurde 25 Jahre lang erklärt, dass es gerade Wichtigeres zu tun gebe und sowieso immer noch nicht genug Sachverständige gehört worden seien. Wenn es um unsereines Rechte geht, kann so manchem Politiker die Zeit offenkundig nicht langsam genug vergehen.
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#2 Carsten ACAnonym
  • 22.11.2019, 15:06h
  • Das HI-Virus kennt keine sexuelle Orientierung und befällt jeden Wirt.

    Jede Blutspende sollte umfassend getestet sein, egal ob sie von Heteros oder Homosexuellen kommt.
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#3 irgendjemandAnonym
  • 22.11.2019, 17:08h
  • Die Blutspenden werden umfassend auf HIV und STI getestet. Wer die 8-Wochen-Frist nach Geschlechtsverkehr mit einer*m neue*n Partner*in einhält, bei dem kann eine Übertragung durch die Blutspende ziemlich sicher ausgeschlossen werden.
    Ich sage ziemlich sicher, denn es gibt keinen medizinischen Test, der eine 100%-Erfolgsquote hat. (Was unter anderem der Grund ist, warum das Blut mindestens 3 unterschiedlichen Testverfahren alleine auf HIV unterzogen wird).
    Der springende Punkt aber ist: Diese Daten sind unabhängig von der sexuellen Orientierung. Das bedeutet, dass die derzeitige Diskriminierung nicht nur völlig unhaltbar, sondern auch völlig unbegründet ist.
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