Szene aus dem Film "G O'Clock", der von Londons schwuler Chemsexszene handelt (Bild: Brownboy Productions)
Eine neue Ambulanz an der Universitätsklinik Tübingen will Beratung zum Thema Chemsex bieten und bei der Entwöhnung helfen. Chemsex umschreibt die Einnahme vor allem chemischer Drogen wie Liquid Ecstasy (Gina), Methamphetamin (Tina) oder Ketamin (Special K) beim Geschlechtsverkehr, um die Lust zu steigern. "Ein kontrollierter Konsum ist nicht möglich. Das ist wie ein Tanz auf einem Vulkankrater", so beurteilte der betreuende Arzt Carsten Käfer am Mittwoch diese Sex-Praxis.
Neben Metropolen wie Berlin liegen laut der Uniklinik auch in Baden-Württemberg Szeneschwerpunkte, vor allem in den Regionen Reutlingen, Stuttgart, Konstanz und im Zollernalbkreis. Ein vergleichbares psychiatrisches Beratungsangebot für Betroffene gibt es im Südwesten bisher nicht.
Suchtmediziner Käfer zufolge benutzen Anhänger dieser Praktik die Drogen, um den Sex intensiver zu erleben. Mit der Einnahme gehe aber auch die Reduktion von Hemmnissen einher. Kontrollverlust und die Gefahr einer Ansteckung mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, Psychosen und Abhängigkeit nannte der Arzt als mögliche Folgen.
Chemsex besonders unter Schwulen verbreitet
Knapp 52 Prozent der Menschen, die "Chemsex" praktizieren, seien Männer, die Sex mit Männern haben, sagte Käfer. Anhänger dieser Praxis fänden sich durch alle Altersgruppen hinweg. Nach Angaben von Prakash W., der bundesweit Präventionskurse für die Aidshilfe leitet, hat Sexualität bei vielen Schwulen einen hohen Stellenwert und sei oft mit Leistungsdruck verbunden. Die steigende Popularität von Chemsex wird auch damit in Zusammenhang gebracht, dass es in der Ära des Online-Apps sehr viel einfacher ist, Gleichgesinnte zu finden. Die Gefahren würden dabei von den meisten unterschätzt.
Der Baden-Württembergische Landesverband für Prävention und Rehabilitation (BWLV) begrüßt die neue Einrichtung. Das Thema "Chemsex" gilt als schambehaftet. Nach Einschätzung eines BWLV-Sprechers gibt es bei einem solchen Spezialangebot einer Klinik für Betroffene eine niedrigere Hemmschwelle als bei der gängigen Drogenberatung.
Die Ambulanz wird bei einer Veranstaltung am 4. Dezember vorgestellt (Mehr Infos hier). (dpa/dk)