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Transphobie-Vorwürfe
Linkspartei macht Chelsea Manning zum Mann
Die Trans-Whistleblowerin Chelsea Manning ist für viele Linke eine Heldin. Für Aufregung sorgt jetzt, dass Manning bei einer Protestaktion der linken Bundestagsfraktion als Mann dargestellt wurde – das wird als transphob kritisiert.

Twitter / Heike Hänsel) Stauten von Edward Snowden, Julian Assange und einer männlichen Chelsea Manning vor dem Brandenburger Tor (Bild:
- 29. November 2019, 15:24h 4 Min.
"Medien unter Beschuss", so lautet der Titel eines Kunstevents und einer öffentliche Anhörung der Linksfraktion vom Mittwoch, in dem sie Angriffe auf investigativen Journalismus kritisierte. Nun steht die Partei aber selbst unter Beschuss, weil sie vor dem Brandenburger Tor kurzzeitig Statuen von Edward Snowden, WikiLeaks-Gründer Julian Assange und Chelsea Manning zeigte – und alle drei als Männer dargestellt wurden, obwohl Manning bereits vor über sechs Jahren ihr Coming-out als Transfrau hatte und obwohl es als respektlos und beleidigend gilt, eine Transperson zu misgendern. Schließlich haben diese Menschen meist jahrelang gegen viele Widrigkeiten dafür gekämpft, in ihrem Geschlecht anerkannt zu werden.
Bei der Veranstaltung waren unter anderem Fraktionschef Dietmar Bartsch und Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht anwesend. Wagenknecht war bereits im letzten Jahr vorgeworfen worden, Homophobie zu schüren, nachdem sie die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht als Ablenkungsmanöver kapitalistischer Politik dargestellt hatte (queer.de berichtete).
In sozialen Netzwerken führte die Statue Mannings zu scharfer Kritik: "Sie schämen sich nicht mal dafür, dass Chelsea Manning, die schon so viel Transfeindlichkeit überstehen musste, als Mann dargestellt wird. Wow. Das fühlt sich gerade wie ein Schlag in die Magengrube an", hieß es in einem Twitter-Eintrag. "Trans Personen zu respektieren ist wohl zu viel verlangt", schrieb ein anderer Nutzer.
Diese Kritik brachte viele transphobe Nutzer dazu, ihrem Hass freien Lauf zu lassen: "Wenn ein geistig behinderter Mann sich für weiblich hält, müssen doch nicht alle mitmachen", schrieb etwa eine Person als Reaktion. In einem anderen Eintrag wurde schlichtweg bestritten, dass die Figur einen Mann zeige: "Ist es nicht eher transfeindlich von den Kritikern? Wer sagt denn, dass die Skulptur männlich ist?"
Linke: Manning sah halt früher so aus

Dieses Bild wurde Mitte 2013 den Medien zugespielt
Gegenüber dem "Spiegel" erklärte Künstler Davide Dormino: "Sie war in Einzelhaft und so unmöglich für mich zu erreichen. Mein Porträt basierte auf den damals einzigen verfügbaren Bildern." Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen erklärte, dass Künstler Davide Dormino die Skulptur "2014 geplant und Anfang 2015 angefertigt" habe. Demnach sei die "Whistleblowerin Chelsea Manning abgebildet [worden], wie sie damals ausgesehen hat." Allerdings sind einige dieser Behauptungen schlicht unwahr: Bereits lange vor der Fertigestellung der Statue kursierten Abbildungen, die Manning als Frau zeigten. Mitte 2013 wurde etwa ein Bild von Manning der Presse zugespielt, auf dem Manning beim Autofahren mit langen Haaren und Make-up zu sehen ist.
Manning war als Militärangehörige 2010 verhaftet worden, weil sie Hunderttausende geheime Dokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt hatte. Diese zeigten unter anderem Kriegsverbrechen der US-Armee im Irak-Krieg. Nach ihrer Verurteilung zu 35 Jahren Haft outete sich Manning 2013 als Transfrau. 2017 erließ Präsident Barack Obama drei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit den größten Teil von Mannings Strafe, wodurch sie im Mai in Freiheit kam (queer.de berichtete). Seit Monaten sitzt sie jedoch in Beugehaft, weil sie sich weigerte, Julian Assange mit einer Aussage zu belasten (queer.de berichtete). (dk)
Update 01.12.19: Reaktion von DIE LINKE.queer
Die Bundesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE.queer veröffentlichte bereits am 29. November auf Facebook einen Offenen Brief an die Organisatorin der Protestaktion, Heike Hänsel, den wir im Folgenden dokumentieren:
Liebe Heike,
kürzlich hast Du gemeinsam mit einigen Genoss*innen die Ausstellung des Kunstwerks "Anything to Say?" von Davide Dormino vor dem Brandenburger Tor eröffnet, um Whistleblower*innen wie Chelsea Manning zu ehren. Tatsächlich handelt es sich bei Manning um eine bewundernswerte und mutige Frau, die jede Ehrung verdient hat.
Hier stoßen wir aber bereits zu dem Problem vor, das uns als Bundesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE.queer dazu bewogen hat mit einem offenen Brief an dich heranzutreten. Manning wird in der Installation als Mann dargestellt – und eben nicht in ihrer Identität als Frau.
Seitdem Du Fotos der Aktion veröffentlicht hast bist Du mehrfach aus der Community heraus darauf hingewiesen worden, dass diese Darstellung inkorrekt und transfeindlich ist. Leider ist deine Reaktion auf die Kritik nicht so ausgefallen, wie wir uns das gewünscht hätten: Du hast Kritiker*innen blockiert oder darauf verwiesen, dass die Skulptur entstanden ist bevor Manning zu ihrer Identität als Frau gefunden hat. Du unterschlägst dabei aber, dass es genau diese Kontroverse schon bei der ersten Ausstellung der Skulpturen im Jahr 2015 auf dem Gelände der Ufa-Fabrik in Berlin gegeben hat – wohlgemerkt zwei Jahre nach dem Coming Out von Manning.
Da Manning ansonsten an jeder anderen Stelle von euch als Frau bezeichnet wird und ihr in engem Kontakt mit ihrem Unterstützer*innenkreis gewesen seid, gehen wir davon aus, dass es sich nicht um eine Böswilligkeit handelt. Wir hoffen aber, dass Du verstehst woher der Aufschrei rührt und dass eine Entschuldigung angemessen wäre. In dieser Form hat die Installation aus unserer Sicht nichts auf dem Pariser Platz verloren.
BAG DIE LINKE.queer

Die einzige Partei, die an Chelsea Manning's Schicksal erinnert und ehrt sie, ist Die Linke, eine Partei, die jetzt von ihren Gegnern als transphob dargestellt wird.
Na dann. Weiter so!