Dass man Homo- und Transsexuelle nicht "heilen" kann, ist inzwischen auch zum Gesetzgeber durchgedrungen
Wer homosexuelle oder transsexuelle Menschen mit einer "Konversionstherapie" umzupolen versucht, muss künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Das Bundeskabinett stimmte am Mittwochvormittag einem Gesetzentwurf (PDF) von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu, der das Anbieten, Bewerben oder Vermitteln solcher Behandlungen unter Strafe stellt. "Homosexualität ist keine Krankheit, daher ist schon der Begriff Therapie irreführend", erklärte Spahn. "Ein Verbot ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: Es ist okay, so wie du bist."
Ziel des neuen Gesetzes sei es, die Pseudo-Therapien "so weit wie möglich zu verbieten", erklärte Spahn. "Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid." In Kraft treten soll es voraussichtlich Mitte kommenden Jahres. Nach Schätzungen des Ministeriums werden in Deutschland jährlich etwa 2.000 solcher Behandlungen angewendet.
Das Gesetz sieht empfindliche Strafen vor: Wer "Behandlungen" durchführt, die die sexuelle oder geschlechtliche Identität einer Person gezielt "verändern" oder unterdrücken sollen, muss mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe rechnen. Bei Verstößen gegen das Verbot des Bewerbens, Anbietens und Vermittelns können Bußgelder bis zu 30.000 Euro verhängt werden.
Der offen schwule CDU-Politiker Jens Spahn ist seit März 2018 Bundesgesundheitsminister im vierten Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel
Das Verbot gilt für alle – also nicht nur für Menschen, die berufsmäßig handeln. Auch Eltern können "bei gröblicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht bestraft werden", betonte das Ministerium.
"Konversionsbehandlungen" an Minderjährigen sollen generell verboten werden; an Volljährigen sollen sie verboten werden, wenn deren Einwilligung zur Behandlung auf einem "Willensmangel" beruht – also etwa auf Zwang, Drohungen, Täuschung oder Irrtum. Gegenüber einem früheren Entwurf hat Spahn die Kabinettsvorlage noch einmal verschärft: Ausnahmen des Verbots bei Heranwachsenden wurden gestrichen.
Bei seelsorgerischen und psychotherapeutischen Gesprächen gilt das Verbot allerdings nur dann, wenn die Gesprächspartner "zielgerichtet Einfluss zu nehmen versuchen auf die sexuelle Orientierung", wie das Ministerium mitteilte. Um Missverständnissen und Kritik vorzubeugen, stellt das Ministerium zudem klar, dass Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz wie etwa Pädophilie oder Exhibitionismus nicht von dem Verbot umfasst sind.
Spahns Ministerium rechtfertigte das "Heilungs"-Verbot mit den potenziellen Schäden der "Therapien". Es wies darauf hin, dass "keine der bekannten Studien den Schluss zulässt, dass die sexuelle Orientierung dauerhaft verändert werden kann". Wissenschaftlich nachgewiesen seien hingegen "schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche 'Therapien' wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko."
Das Gesetz soll nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums voraussichtlich Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Im Bundesrat sei keine Zustimmung notwendig. Die Länderkammer hatte vor wenigen Monaten selbst ein Vorgehen gegen "Heilungs"-Angebote eingefordert (queer.de berichtete).
SPD fordert weitere Gesetzesverschärfungen
Der Koalitionspartner SPD äußerte den Wunsch nach einem noch weiter gehenden Verbot. "Ich würde mir ein umfassendes Verbot der sogenannten Konversionstherapie auch für Erwachsene wünschen, das ist allerdings rechtlich schwer umsetzbar", erklärte Fraktionsvizechefin Bärbel Bas. "Wir werden den jetzt vorliegenden Kabinettsentwurf juristisch genau prüfen."
Die Duisburgerin Bärbel Bas sitzt seit 2009 für die SPD im Deutschen Bundestag (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
FDP, Linke und Grüne begrüßten, dass der Gesetzentwurf verschärft wurde: "Die deutliche Kritik von Opposition und Verbänden hat offenbar gewirkt", erklärte Jens Brandenburg, der FDP-Fraktionssprecher für LSBTI. Ulle Schauws, die grüne Sprecherin für Queerpolitik, mahnte an, dass "weitere, aufklärende Maßnahmen" beschlossen werden müssten.
Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits förmlich erklärt, dass Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit keine Krankheit seien und keine Indikation für eine 'Therapie' bestehe. Der Weltärztebund hatte 2013 die "Konversionstherapien" als Menschenrechtsverletzung und als mit der Ethik ärztlichen Handelns unvereinbar verurteilt (queer.de berichtete). (AFP/dpa/dk)
Haben ältere Opfer nicht denselben Schutz verdient wie jüngere Opfer?
Zumal die Schädlichkeit dieser Maßnahmen, die schwerste psychische Schäden verursachen und bis zum Tod führen können, für ALLE Altersgruppen wissenschaftlich belegt ist.