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- 29. September 2005 3 Min.
Eine Hetero- Homo-Dreierbeziehung auf Russisch. Die witzig inszenierte Story zeigt das verrückte Liebesleben moderner Moskauer.
Von Christian Scheuß
Das Moskau von heute ist ein anderes, als wir es im Kopf haben. Kein dauerdepressiver Moloch mit grauen Hausfassaden, Plattenbauten und darin lauter verhärmte verarmte Menschen. Das neue Moskau ist eine Metropole, in der die gleichen Regeln gelten, wie in Paris, London oder Berlin. Alle wollen das schnelle Geld, besonders die jüngeren. Sie wollen sich Dinge leisten können, glücklich sein, eine gewisse Position erreichen. Sie arbeiten lange, gehen zum Fitness-Training, speisen in Restaurants, genießen Sex, Drugs & Rock'n'Roll. Genau in diese neue Mittelschicht führt uns "You I Love", der erste Spielfilm des Regisseur- Produzenten- und Autorenduos Olga Stolpovskaya und Dmitry Troitsky. Zugleich ist es der erste Kinostreifen Russlands, der offen und unbefangen Homosexualität darstellt.
Aber zunächst beginnt es sehr heterosexuell. Vera ist eine gut aussehende TV-Nachrichtenmoderatorin. Timofei ist ein kreativer Gestalter für Anzeigenkampagnen. Als sich beide kennen lernen, funkt es schnell zwischen Ihnen. Sie verlieben sich und der Sex erweist sich nicht nur als sportlich, sondern auch als sehr vitaminreich. Denn Vera steht auf Obst beim Liebesspiel. Alles könnte so lustvoll weitergehen, wenn nicht plötzlich ein junger Mann des Nachts auf der Motorhaube von Timofeis Auto landet. Ein Unfall, der für den Mongolen Uloomji glimpflich abgeht. Der junge Mann, der aus seinem Heimatdorf nach Moskau gereist ist, um dort seinen Wunschtraum Artist zu werden, wahrzumachen, wacht in Timofeis Wohnung aus seiner Ohnmacht auf. Und verliebt sich auf der Stelle in den großen blonden Lebensretter.
Nicht nur die Bisexualität, die Timofei an sich entdeckt, irritiert ihn. Auch Uloomjis Leichtigkeit und unverblümte, einfache Sicht der Dinge beeindruckt den beherrschten und kontrollierten Mann. Zunächst geschockt reagiert Vera, als sie merkt, was zwischen den beiden abläuft. Doch als sie merkt, das sie nichts zu verlieren hat, wenn sie sich auf die neue Konstellation einlässt, spielt sie mit. Mit der Dreierkonstellation sind alle zufrieden.
"You I Love" hat ein halbes Happy End. Aus der flott und stilsicher erzählten Komödie wird zum Ende ein Melodram. Wie es endet, sei hier noch nicht verraten. Nur soviel: Als Uloomjis Verwandtschaft aus der Mongolei anreist, prallen Tradition und Moderne heftig aufeinander. Und Homosexualität darf es in den Augen der Familie schon gar nicht geben.
Das Regisseur- Produzenten- und Autorenduo Olga Stolpovskaya und Dmitry Troitsky hat bei der Vorbereitung seines ersten Spielfilms deutlich zu spüren bekommen, welch heißes Eisen sie da trotz aller zunehmenden Toleranz in Russland angefasst haben. Geldgeber waren skeptisch bis ablehnend und Schauspieler zu finden, die einen Bi- beziehungsweise Homosexuellen spielen sollten, das war Sisyphusarbeit. "Tatsächlich ist unser Film so etwas wie eine kleine Revolution für das russische Kino," betonen die Beiden. Sowohl auf der Berlinale 2004, bei diversen Filmfestivals in den USA und Kanada, beim Verzaubert-Filmfestival im vergangenen Jahr, wie auch zuletzt in Turin sorgte "You I Love" für durchweg positive Reaktionen beim Publikum. Und das eben nicht nur wegen der beiden knackigen Darsteller.
"You I Love", Russland 2004, 83 Min., russische OF m. dt. UT, im Verleih von Pro-Fun Media, Kinostart: 29. September
29.09.2005
Links zum Thema:
» Die Webseite des Filmverleihs
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