Offensichtlich nter Druck wegen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zu mutmaßlicher Korruption gegen seinen Sohn ist Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ausfällig gegenüber einem Journalisten geworden. "Ihr Gesicht sieht fürchterlich aus wie das von einem Homosexuellen, aber das ist natürlich kein Grund, Sie der Homosexualität zu beschuldigen", beschimpfte der sichtbar erregte Bolsonaro am Freitag einen Reporter.
Als dieser fragte, ob Bolsonaro einen Beweis dafür habe, dass eine verdächtige Einlage auf dem Konto seiner Frau eine Rückzahlung von Schulden sei, erwiderte der Präsident. "Fragen Sie Ihre Mutter, ob ihr Vater ihr eine Quittung gegeben hat." Dann fragte er den Journalisten, ob er eine Quittung für seine Schuhe habe. "Nein, haben Sie nicht", fügte er selbst hinzu.
Bolsonaros Sohn soll "Phantom-Angestellte" beschäftigt haben
Bolsonaros Ausbruch kam, nachdem er sich auf einer Routine-Pressekonferenz in Rio de Janeiro darüber beschwert hatte, dass er in den Medien als Rassist und Umweltzerstörer dargestellt werde. Die Medien seien gegen ihn und seinen Sohn, Senator Flavio Bolsonaro, eingestellt.
Staatsanwälte in Rio de Janeiro ermitteln, ob der junge Bolsonaro als Abgeordneter des Staates Rio de Janeiro Mitarbeiter beschäftigt habe, die keine Aufgaben zu erfüllen hatten. Eine weitere Untersuchung geht der Frage nach, ob diese "Phantom-Angestellten" einen Teil ihres Gehalts abgaben, der dann über ein Süßwarengeschäft in seinem Besitz "gewaschen" worden sei.
Stolze homosexuelle Gesichter
Der schwule brasilianische Ex-Abgeordnete Jean Wyllys reagierte mit einer Serie von Tweets auf den Ausbruch Bolsonaros. "Ein homosexuelles Gesicht – mit Stolz", schrieb er zunächst zu einem Bild von sich selbst. Anschließend postete er Porträtfotos von prominenten Lesben und Schwulen wie Harvey Milk, Judith Butler und Oscar Wilde.
Die Wahl Jair Bolsonaros im vergangenen Oktober hatte für Schockwellen in der brasilianischen LGBTI-Community gesorgt (queer.de berichtete). Der ehemalige Fallschirmjäger war 2017 von einem Gericht wegen Volksverhetzung verurteilt worden – Anlass war ein Interview aus dem Jahr 2011, in dem er unter anderem erklärt hatte, dass seine Kinder nie einen schwulen Sohn zur Welt bringen würden, weil sie eine "gute Erziehung" genossen hätten. In dem Interview fügte er hinzu, dass er einen schwulen Sohn nicht lieben könne: "Mir wäre lieber, er würde bei einem Unfall sterben."
Eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichts im Juni, dass Homo- und Transphobie ebenso zu bestrafen sei wie Rassismus, griff er als "komplettes Unrecht" an (queer.de berichtete). Nach seinem Amtsantritt hatte er auch erklärt, dass Brasilien kein "Urlaubsparadies für Schwule" werden dürfe (queer.de berichtete), und im Beisein von US-Präsident Donald Trump einen Kampf gegen "Gender-Ideologie" angekündigt (queer.de berichtete). (cw/dpa)