Jesus (Gregório Duvivier, li.) und sein Partner Orlando (Fábio Porchat) in "Die erste Versuchung Christi" (Bild: Netflix)
Eine TV-Komödie, in der Jesus einen männlichen Partner hat, bewegt auch Wochen nach der Veröffentlichung bei Netflix Brasilien. Mehr als zwei Millionen Menschen unterzeichneten inzwischen Petitionen gegen den 46-minütigen Film "The First Temptation of Christ" ("A Primeira Tentação de Cristo") der populären Komikertruppe Porta dos Fundos (zu Deutsch: Hintertür), auch der Sohn des rechtsextremen und LGBTI-feindlichen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte in sozialen Netzwerken Stimmung gegen den Film gemacht (queer.de berichtete).
In den frühen Morgenstunden des 24. Dezember griffen dann mindestens vier Personen das Gebäude der Produktionsfirma in Rio de Janeiro mit Molotowcocktails an. Ein Sicherheitsmitarbeiter konnte den entstehenden Brand löschen, niemand wurde verletzt. Da sich der Mitarbeiter aber ernsthaft in Gefahr befand, ermittelt die Polizei inzwischen nicht nur wegen Brandstiftung, sondern wegen versuchten Mordes – und schließt nicht aus, zu einer Bewertung der Tat als Terrorismus zu kommen.
In einem Video bekannte sich eine Gruppe namens "Nationalistisches Volksaufstandskommando der großen brasilianischen Integralistenfamilie" zu dem Anschlag – zu den Flaggen des ehemaligen Kaiserreichs Brasilien (1822 bis 1889) und der rechtsextremen Integralismus-Bewegung. Der Anschlag im Namen des brasilianischen Volkes habe sich gegen die "gotteslästerliche" und "antipatriotische" Haltung der Komiker gerichtet, wie sie sich unter anderem in der Verpflichtung gegenüber dem Milliarden-schweren US-Konzern Netflix gezeigt habe.
Komiker wollen sich nicht einschüchtern lassen
In einer ersten Stellungnahme hatte Porta dos Fundos betont, dass man mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeite und hoffe, dass die Verantwortlichen gefunden und bestraft werden. Die Sicherheit der Mitarbeiter stehe an erster Stelle, man werde aber gestärkt und inspirierter weiter arbeiten in der Zuversicht, dass das Land "den Sturm des Hasses überleben" und Liebe und Meinungsfreiheit siegen werden.
Die Comedy-Truppe war 2013 gegründet worden und machte zunächst mit Youtube-Videos von sich reden, vor allem die Weihnachtsspecials waren beliebt. 2018 übernahm erstmals Netflix das damalige Special, das in Folge mit einem internationalen Emmy als beste Comedy ausgezeichnet wurde.
Gegen den aktuellen Film hatten zunächst christlich-fundamentalistische Gruppen wie das weltweite und auch in Deutschland zusammen mit der "Demo für alle" aktive Petitionsportal CitizenGo Stimmung gemacht. Sie rennen damit offene Türen ein: Bolsonaro stoppte in diesem Jahr etwa Mittel zur TV-Filmförderung und forderte neue Richtlinien ein, nachdem er sich über queere Inhalte empörte (queer.de berichtete). "Wer an Geld für Produktionen kommen will, die nicht auf Regierungslinie liegen, dem bleibt nur der Weg ins Ausland", kommentiert die "Süddeutsche Zeitung" in einem Artikel zum Anschlag. "Auch deshalb wiegt der Anschlag gegen Porta dos Fundos so schwer: Er trifft eine Produktionsfirma, die dank Netflix unabhängig von staatlichen Fördermitteln war – und die nun mundtot gemacht werden sollte."
Eine Bundesrichterin hat den Förderungsstopp inzwischen für illegal erklärt, eine Berufung steht an (queer.de berichtete). Ein Gericht schritt im September auch ein, als der evangelikale Bürgermeister von Rio ein Comicbuch wegen eines schwulen Kusses von einer Buchmesse verbannen wollte (queer.de berichtete). Doch der antiqueere Kulturkampf wird von der Regierung weiter mit angeheizt – und könnte zu immer schlimmeren Folgen führen.
Petition von CitizenGo, 40 Jahre nach Veröffentlichung von "Leben des Brian"
Über die Weihnachtsfeiertage beherrschte der Anschlag die brasilianischen Medien. Zwei Tage nach der Tat verurteilte Rios Bürgermeister den Anschlag in einem Interview öffentlich. Von Bolsonaro und auch Justizminister Sergio Moro beklagten Medien hingegen auch am Freitag noch ein anhaltendes "unangenehmes Schweigen". (nb)
Jesus war ja auch für seine Mordversuche und Brandanschläge berühmt...