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Erster Erfolg
Stuttgart: Oberbürgermeister Fritz Kuhn will das "Eagle" retten
Nachdem die Gaststättenbehörde ein Musik- und Darkroom-Verbot verhängte, musste die schwule Traditionsbar schließen. Nach heftigen Protesten schaltete sich nun der grüne Rathauschef ein.

Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg / flickr) Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) versucht die Gemüter zu beruhigen (Bild:
- 6. Januar 2020, 08:24h 3 Min.
Die Schließung von Stuttgarts schwuler Traditionsbar "Eagle" zum Jahreswechsel hat am Wochenende zu großer Solidarität mit den neuen Betreibern und zu einem riesigen Proteststurm gegen die Politik geführt. Am Sonntag hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) nun reagiert. "Wir wissen, wie wichtig das #Eagle als Treffpunkt in Stuttgart ist", ließ er auf dem offiziellen Twitterkanal der Stadt mitteilen. "Wir werden nach dem Feiertag bei uns (Dreikönig) am Dienstag sofort intern den Sachverhalt prüfen und dann mit den Betreibern schnellstmöglich nach einer Lösung suchen."
Twitter / stuttgart_stadtWir wissen, wie wichtig das #Eagle als Treffpunkt in Stuttgart ist. Wir werden nach dem Feiertag bei uns (Dreikönig) am Dienstag sofort intern den Sachverhalt prüfen und dann mit den Betreibern schnellstmöglich nach einer Lösung suchen. @FritzKuhn1
Stadt Stuttgart (@stuttgart_stadt) January 5, 2020
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Eine "potentielle Gefahr für die Sittlichkeit"?
Eigentlich sollte die vor über 30 Jahren eröffnete Szenebar in der Mozartstraße ab 1. Januar unter einer neuen Geschäftsleitung weitergeführt werden, doch die Stadt habe eine neue Gaststättenerlaubnis am 30. Dezember nur mit hohen Auflagen ausgestellt, kritisierten die Betreiber in einem Hilferuf auf Facebook (queer.de berichtete). Untersagt worden sei unter anderem das Abspielen von Musik, der Aufenthalt teilweise entkleideter Personen in den Betriebsräumen, die Gewährung der Möglichkeit zum Dating sowie der Betrieb eines Darkrooms. Unter dieser Bedingungen habe man das Lokal nur schließen können.
Für den Darkroom sei seit vielen Jahren ordnungsgemäß Vergnügungssteuer an die Stadt Stuttgart gezahlt worden, wunderten sich die Wirte – und vermuten eine gezielte Schikane. "Es wird angeführt, die seit 30 Jahren im Eagle verkehrenden Gäste seien eine potentielle Gefahr für die Sittlichkeit und eine mögliche Belästigung der Nachbarschaft. Der Betrieb eines Szenelokals widerspräche daher dem öffentlichen Interesse."
Online-Petition zum Erhalt des "Eagle"
Mehr als 3.000 Personen haben bereits eine Online-Petition unterschrieben, in der die Rettung des "Eagle" gefordert wird. "Gerade in Zeiten der zunehmenden Anfeindung und Gewalt gegen Homosexuelle ist es von sehr großem öffentlichen Interesse, einen 'geschützen Raum' wie das Eagle zu erhalten", heißt es darin. "Es ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Stuttgarter Regenbogencommunity."
Eingeschaltet hatten sich auf die Organisator*innen des CSD Stuttgart. Auf Facebook sprach sich der Verein dafür aus, "alle beteiligten Akteur*innen zeitnah an einen Tisch bekommen". Die "riesige Welle der Solidarität" sei richtig gewesen. "Die genauen Umstände dieses absolut missglückten Betreiberwechsels gilt es aufzuarbeiten (Stichwort: 'Sittlichkeit') und Lösungen für einen zukünftigen Fortbestand des Stuttgarter Traditionslokals zu finden."
Das EAGLE Stuttgart ist als Schutzraum für unsere Community wichtig! Es ist daher gut, dass uns nach den Neuigkeiten aus…
Gepostet von CSD Stuttgart – Stuttgart Pride am Sonntag, 5. Januar 2020
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Unterstützung für das "Eagle" kam auch aus der Politik. Zusammen mit einer Grafik "Fuck each other! Not the planet" distanzierten sich die Stuttgarter Grünen auf Twitter von den Auflagen der Gaststättenbehörde. "Die Entscheidung ist keine politische, sondern wurde verwaltungsintern getroffen", heißt es in dem dreiteiligen Tweet. Fraktionschef Andreas G. Winter werde "alles dafür tun, dass das Eagle wieder öffnen kann".
Twitter / gruenestuttgartWir stehen für die offene Stadtgesellschaft!
GRÜNE Stuttgart (@gruenestuttgart) January 5, 2020
Wir wollen, dass sich Menschen aller Couleur in Stuttgart wohl- und akzeptiert fühlen und sich austoben können, wenn sie wollen. "Sittlichkeit" passt nicht zu unserer weltoffenen Stadt, sondern ist zu Recht ein Begriff aus dem (1/3) pic.twitter.com/AeFu0VaoDB
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Auch Thorsten Puttentat, Stadtrat der Wähler*innengruppe Die Stadtisten, kündigte gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" an, sich für das schwule Traditionslokal einzusetzen: "Hier geht es nicht nur um Minderheitenschutz oder um den Gedanken der Vielfalt in all ihrer Pracht – hier geht es um die Definitionshoheit der Kultur als Ganzem." Die Kinderbuchautorin Sue Glanzner teilte dem Lokalblatt mit, dass sie lange Zeit Nachbarin des "Eagle" gewesen sei und niemals etwas Negatives mitbekommen habe. In der Nachbarschaft sei das Lokal gar kein Thema gewesen.
Parallel hatte sich auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck in einem Brief an seinen Parteifreund Fritz Kuhn gewandt. Ihm fehle "jedes Verständnis für solche Auflagen", schrieb er an den Stuttgarter OB. "Niemand muss die Sittlichkeitsvorstellungen teilen, die an diesem Ort von den Besuchern geteilt werden; wer sich daran stört, soll sein Bier einfach woanders trinken. Eine offene Gesellschaft zeigt sich auch darin, dass der Staat sich aus solchen Dingen heraushält und sich nur dort regulierend einmischt, wo dies zum Rechtsgüterschutz erforderlich und angemessen ist." (cw)
Ich habe Oberbürgermeister Fritz Kuhn geschrieben. Der Stuttgarter Lokalpresse stuttgarter-zeitung.de …
Gepostet von Volker Beck am Sonntag, 5. Januar 2020
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