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Eingriff in Kunstfreiheit
Brasilien: Gericht stoppt Netflix-Satire mit schwulem Christus
Nach heftigen Protesten von Fundi-Christen in Brasilien muss Netflix eine Jesus-Parodie aus dem Programm nehmen. Die vorläufige Entscheidung eines Richters in Rio de Janeiro soll die "Gemüter beruhigen".

Politiker und Geistliche hatten den Film "A Primeira Tentação de Cristo" (Die erste Versuchung Christi) als "Angriff auf den christlichen Glauben" kritisiert (Bild: Netflix)
- 9. Januar 2020, 07:32h 2 Min.
Ein brasilianischer Richter hat dem Streamingdienst Netflix die Verbreitung einer Weihnachtssatire mit einem schwulen Christus vorläufig untersagt. Der Richter in Rio de Janeiro erließ am Mittwoch eine einstweilige Verfügung gegen den Film. Damit wolle er bei Katholiken und in der Gesellschaft "die Gemüter beruhigen", erklärte Richter Benedicto Abicair.
Wegen des Films hatte die katholische Vereinigung Centro Dom Bosco Klage eingereicht. Das jetzt erlassene vorläufige Verbreitungsverbot betrifft auch die populäre brasilianische Komikertruppe Porta dos Fundos (zu Deutsch: Hintertür), die den Film mit dem Titel "A Primeira Tentação de Cristo" (Die erste Versuchung Christi) produziert hatte und durch ihren Youtube-Kanal populär wurde.
Brandanschlag gegen Produktionsfirma
Den Film hatte Netflix Anfang Dezember in sein Sortiment aufgenommen. Die Satire löste wütende Reaktionen unter konservativen Politikern und in katholischen wie evangelikalen Kreisen des südamerikanischen Landes aus. Hunderttausende Brasilianer unterzeichneten eine Petition gegen den schwulen Jesus, auch der Sohn des rechtsextremen und LGBTI-feindlichen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte in sozialen Netzwerken Stimmung gegen den Film gemacht (queer.de berichtete).
Am 24. Dezember wurde der Sitz von Porta dos Fundos in Rio de Janeiro von Unbekannten mit Molotowcocktails angegriffen. Ein Sicherheitsmitarbeiter konnte den entstehenden Brand löschen, Verletzte gab es nicht (queer.de berichtete). Inzwischen hat die Polizei einen Verdächtigen identifiziert – und einen Auslieferungsantrag in Russland gestellt, wo sich der Brasilianer derzeit aufhält.

Jesus (Gregório Duvivier, li.) und sein Partner Orlando (Fábio Porchat) in "Die erste Versuchung Christi" (Bild: Netflix)
Urteil könnte von höheren Instanzen wieder kassiert werden
Die jetzige Richterentscheidung gegen den Film erging in zweiter Instanz. Aufgehoben wurde damit eine erstinstanzliche Entscheidung, mit der die weitere Verbreitung des Films noch ermöglicht worden war. Eine endgültige Gerichtsentscheidung über die Klage des Centro Dom Bosco steht noch aus.
Der Vorsitzende der brasilianischen Anwaltskammer kritisierte die Entscheidung. "Die brasilianische Verfassung garantiert die freie künstlerische Entfaltung", sagte Felipe Santa Cruz dem Nachrichtenportal G1. "Jede Art der Zensur bedeutet einen Rückschritt und kann von der Gesellschaft nicht hingenommen werden." (AFP/dpa/cw)
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