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Kritik der Grünen
Bundesregierung kommt bei queeren Themen "nicht zu Potte"
Die schwarz-rote Bundesregierung hat dieses Jahr zu LGBTI-Fragen eher bescheidene Ziele. Die oppositionellen Grünen fordern mehr Engagement.

Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / flickr) Erstrahlt der Bundesadler in Regenbogenfarben oder doch eher Grau in Grau? (Bild:
- 9. Januar 2020, 14:28h 3 Min.
Das einzig große Gesetzesprojekt der Großen Koalition im LGBTI-Bereich für das Jahr 2020 ist das Verbot von sogenannten Konversionstherapien. Das geht aus der fünfseitigen schriftlichen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Ulle Schauws, der Sprecherin für Queerpolitik der grünen Bundestagsfraktion, hervor, die queer.de vorliegt. Das Bundeskabinett hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf kurz vor Weihnachten beschlossen. Laut der Antwort sei geplant, dass das Gesetz im "Mai/Juni 2020" in Kraft treten wird.
Des weiteren sei geplant, bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 ein Gesetz zum Schutz von intersexuellen Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen zu beschließen. Ein derartiges Verbot war im Koalitionsvertrag angekündigt worden, bislang konnten sich die Regierungsparteien aber auf keinen Gesetzentwurf verständigen (queer.de berichtete).
Aus dem Schreiben geht auch hervor, dass wohl nicht zeitnah mit der Reform des völlig veralteten und in Teilen verfassungswidrigen Transsexuellengesetzes aus dem Jahr 1981 zu rechnen ist. Hier sei der "politische Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung angesichts der Komplexität der zu klärenden Fragen noch nicht abgeschlossen". Ferner heißt es: "Wann ein Entwurf dem Bundeskabinett vorgelegt werden wird, steht derzeit noch nicht fest." Ein im Frühjahr 2019 vorgestellter Regierungsentwurf zu dieser Thematik war wenige Monate später nach scharfer Kritik von LGBTI-Aktivisten auf Eis gelegt worden (queer.de berichtete).
Zudem erwähnte die Bundesregierung in dem Schreiben mehrere Förderprojekte, Konferenzen oder Studien zur LGBTI-Thematik, die dieses Jahr angegangen werden sollen. Das Familienministerium wolle etwa im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 die Konferenz "Lesbische Frauen und deren (Un)Sichtbarkeit" durchführen. Das Gesundheitsministerium plane Projekte zur Verbesserung des Zugangs von Trans- und Intersexuellen zur Gesundheitsversorgung und zur Förderung eines "nicht-diskriminierneden Umgangs mit trangeschlechtlichen Personen durch patientenorientierte Schulungsmaßnahmen im Gesundheitswesen". Das Verteidigungsministerium unter der umstrittenen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wolle zudem unter anderem Mitte 2020 die Ergebnisse der Studie "Bunt in der Bundeswehr" vorzustellen.
Grüne: Wichtige Projekte werden liegengelassen
Die oppositionellen Grünen sehen die Projekte als bei weitem nicht ausreichend an. In einer gemeinsamen Erklärung sagten die beiden Abgeordneten Ulle Schauws und Sven Lehmann am Donnerstag, dass die Ökofraktion zwar die Gesetzesvorhaben für Intersexuelle und das Homo-"Heiler"-Verbot begrüßten. Aber: "Bedauerlicherweise kommt die Bundesregierung bei anderen queeren Themen gar nicht zu Potte: Ergänzung des Artikels 3 GG um Diskriminierungsverbot aufgrund sexueller Identität: Fehlanzeige. Eine Strategie gegen LSBTI-Feindlichkeit, beispielsweise in Form eines bundesweiten Aktionsplans: nicht in Planung. Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: nicht der Rede wert."
Auch die fehlende Reform des Transsexuellengesetzes sei inakzeptabel: "Wir fragen uns, ob diese Koalition noch regierungsfähig ist, wenn sie nach sechs Jahren gemeinsamen Regierens immer noch kein menschenwürdiges Gesetz zur Selbstbestimmung vorlegen kann", so Schauws und Lehmann. "Und statt Diskriminierung von lesbischen Paaren im Abstammungsrecht endlich zu beenden, sollen eine Konferenz organisiert und zwei Studien in Auftrag gegeben werden. Sicherlich ein wichtiges Anliegen, das aber eine rechtliche Gleichstellung von Mütter und deren Kindern nicht ersetzen kann." (dk)
