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Kunstfreiheit
Brasilien: Oberstes Gericht kassiert Verbot von schwulem Jesus
Der Film "Die erste Versuchung Christi" darf weiter auf Netflix gezeigt werden. Eine Satire könne die 2000 Jahre alten christlichen Werte nicht schwächen, urteilte das Oberste Gericht.

Jesus (Gregório Duvivier, li.) und sein Boyfriend Orlando (Fábio Porchat) in "Die erste Versuchung Christi" (Bild: Netflix)
- 10. Januar 2020, 04:39h 2 Min.
Das Oberste Gericht von Brasilien hat die Verbreitung einer Netflix-Satire mit einem schwulen Christus erlaubt. "Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Satire die Macht hat, die Werte des christlichen Glaubens zu untergraben, die mehr als 2000 Jahre alt und in der Überzeugung der Mehrheit der Brasilianer verwurzelt sind", schrieb Gerichtspräsident José Antonio Dias Toffoli am Donnerstag in seiner Begründung.
Durch die Verbreitung des Films werde nicht der Respekt für den christlichen Glauben missachtet, führte der Richter aus. Wegen des Films mit dem Titel "A Primeira Tentação de Cristo" (Die erste Versuchung Christi) hatte die katholische Vereinigung Centro Dom Bosco Klage eingereicht.
Das Verbot währte nur einen Tag
Mit seiner Entscheidung annullierte das Oberste Gericht den Beschluss einer untergeordneten Instanz, welche am Mittwoch die Verbreitung des Films vorläufig untersagt hatte. Der Richter in Rio de Janeiro hatte das Verbot damit begründet, dass er in der Kontroverse um den Film "die Gemüter beruhigen" wolle (queer.de berichtete).
Den Film hatte der Streamingdienst Netflix Anfang Dezember in sein Sortiment aufgenommen. Die Weihnachtssatire schildert die Heimkehr des homosexuellen Jesus mit seinem Freund Orlando nach 40 Tagen in der Wüste. Zuhause haben Maria und Josef eine Überraschungsparty für ihn vorbereitet.
Shitstorm von Fundi-Christen und Homo-Hassern
Die Komödie löste wütende Reaktionen unter konservativen Politikern und in katholischen wie evangelikalen Kreisen des südamerikanischen Landes aus. Hunderttausende Brasilianer unterzeichneten eine Petition gegen den schwulen Jesus, auch der Sohn des rechtsextremen und LGBTI-feindlichen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte in sozialen Netzwerken Stimmung gegen den Film gemacht (queer.de berichtete).
In Rio de Janeiro wurde am 24. Dezember das Büro der populären Komikertruppe Porta dos Fundos (zu Deutsch: Hintertür), die den Film produziert hatte, von Unbekannten mit Molotowcocktails angegriffen. Verletzte gab es dabei nicht (queer.de berichtete). Ein mutmaßliches Mitglied einer rechten Gruppe bekannte sich zu der Tat und setzte sich Medienberichten zufolge später nach Russland ab.
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Bereits mehrfach stoppten brasilianische Gerichte die Zensur unerwünschter Inhalte. So erklärte eine Bundesrichterin den im August 2019 von Präsident Bolsonoro angeordneten Förderungsstopp für TV-Produktionen mit queeren Inhalten zwei Monate später für illegal (queer.de berichtete). Ein Gericht schritt im September auch ein, als der evangelikale Bürgermeister von Rio ein Comicbuch wegen eines schwulen Kusses von einer Buchmesse verbannen wollte (queer.de berichtete). (cw/AFP/dpa)
