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Community-Richtlinien
Youtube: Kuss im Denkmal für homosexuelle NS-Opfer ist jugendgefährdend
Erneut sorgt Youtube mit seinem Jugendschutzfilter für Aufregung: Selbst ein Kuss, der an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus erinnern soll, ist dem Streamingportal zu heikel.

Immer wieder kommt es zu Irritationen über Youtube, das scheinbar eher homo- als heterosexuelle Inhalte sperrt
- 14. Januar 2020, 09:02h 3 Min.
Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas erhielt vor wenigen Tagen eine englischsprachige E-Mail von Youtube: Demnach verstoße ein von der Stiftung in ihrem Kanal hochgeladenes Video gegen die Community-Richtlinien des Portals: "Nach einer Untersuchung haben wir entschieden, dass das Video möglicherweise nicht für alle Zuschauer geeignet ist. Es wurde daher mit einer Altersbeschränkung versehen." Damit können nur angemeldete Nutzer über 18 Jahre das Video sehen.

Bei dem Film handelt es sich um ein fünfminütiges Video, in dem sich zwei Männer küssen. Das Video wurde in der Vergangenheit in Dauerschleife in der Sichtscheibe des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin abgespielt. Es wird von der Stiftung Denkmal betreut.
In der Mail des zum Google-Konzern gehörenden Videoportals heißt es ferner: "Inhalte, die verlängerten oralen Kontakt zeigen, der dazu gedacht ist, sexuell aufreizend zu sein, könnten mit einer Altersbeschränkung versehen werden, wenn der Inhalt nicht geeignet für alle Zuschauer ist." Warum ein Video, mit dem an die homosexuellen Opfer des Holocausts erinnert wird, von einem amerikanischen Dienst als "sexuell aufreizend" ausgelegt wird, verrät die Mail nicht.
Offenbar handelt es sich um eine Reaktion auf eine Beschwerde – obwohl das im letzten Jahr hochgeladene Video kaum angesehen wurde. Es ist unklar, ob eine tatsächliche Überprüfung durch einen Mitarbeiter erfolgte. Die Stiftung kann eine erneute Überprüfung der Entscheidung veranlassen.
Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass Youtube dieses Video mit einer Altersbeschränkung versieht. Bereits seit Jahren ist eine im Kanal "Berliner Statement" hochgeladene abgefilmte Fassung der Kuss-Schleife mit einer Altersbeschränkung versehen.
Wiederholte Kritik an Youtube
Das Streamingportal wurde bereits mehrfach dafür kritisiert, dass es zu hart gegen LGBTI-Inhalte vorgehe. So wurde 2018 ein queeres Antidiskriminierungsvideo für Jugendliche gesperrt, das von der deutschen Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft die Altersfreigabe "ab 0" (!) erhalten hatte (queer.de berichtete). Zuvor war ein Anti-Homophobie-Rap als "Hassrede" vollständig entfernt worden – nach Kritik wurde die Sperrung schließlich rückgängig gemacht (queer.de berichtete). Letztes Jahr verklagten zudem mehrere queere US-Youtuber das Streamingportal, weil das Portal sie wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert habe – Einstufungen als jugendgefährend hätten etwa zu weniger Aufrufen und Werbeeinnahmen geführt (queer.de berichtete).

Ausschnitt aus den Community-Richtlinien von Youtube
Schuld an der Sperrungen könnten auch automatisch arbeitende Jugendschutzprogramme und Filtersysteme sein, die oft LGBTI-Inhalte als vermeintlich sexuell blockieren. Dies passiert manchnmal auch mit Videos oder Texten aus Orten, die scheinbar anstößige Namen tragen, etwa die der englischen Stadt Middlesex oder des oberösterreichischen Dorfes Fucking. Aufgrund ähnlicher automatischer Filter kann auch queer.de in manchen Netzwerken von Firmen, Landtagen oder Restaurants nicht aufgerufen werden.
Der für Jugendliche gesperrte Kuss ist übrigens nicht mehr im Berliner Mahnmal zu sehen, allerdings aus ganz anderen Gründen als denen von Youtube: 2017 kam heraus, dass einer der Darsteller ein Rassist ist, der sich für eine LGBTI-feindliche Rechtaußenpartei in Dänemark engagierte (queer.de berichtete). Daraufhin wurde das Video ausgetauscht (queer.de berichtete). (dk)












