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Interview

"Mich ärgert das, wenn heutzutage noch Leute ihre Homosexualität verstecken"

Schauspieler Jan Bülow ist Hauptdarsteller im neuen Udo-Lindenberg-Biopic "Lindenberg! Mach dein Ding". Wir sprachen mit ihm über sein Verhältnis zum Panik-Rocker, Szenen ohne Unterhose und schwule Rollen.


Aufnahme vom Set: Jan Bülow als Udo Lindenberg (Bild: DCM / Letterbox)

Noch während seinem Schauspielstudium an der Hochschule Ernst Busch in Berlin angelte sich Jan Bülow, Jahrgang 1996, die Hauptrolle in "Hamlet" am Schauspielhaus Zürich. Nach Auftritten in dem Sozialdrama "Wanja" sowie der Coming-out-Geschichte "Aus der Haut" folgte vor drei Jahren die erste Hauptrolle in der Romanverfilmung "Radio Heimat" über eine Jugendclique im Ruhrgebiet. Nach der Netflix-Serie "Dogs of Berlin" von Christian Alvart übernimmt Bülow nun die Titelrolle in "Lindenberg! Mach dein Ding" von Hermine Huntgeburth. Mit dem Schauspieler unterhielt sich unser freier Mitarbeiter Dieter Oßwald.


Jan Bülow als Udo Lindenberg beim Performen von "Andrea Doria" (Bild: DCM / Letterbox / Sandra Hoever)

Herr Bülow, waren Sie ein Fan von Lindenberg? Oder ist mit man 23 Jahren zu jung für die Legende?

Ich bin kein Fan von Lindenberg gewesen, aber durch den Film auf jeden Fall ein Fan geworden. Erst heute morgen beim Frühstück hab ich Udo gehört. Mein Vater mochte Lindenberg schon immer und hat etliche Vinyl-Platten von ihm im Schrank stehen.

Für Ihre Auftritte am Schauspielhaus Zürich gab es hymnisches Lob, von der "Süddeutschen" bis zur Intendantin. Für Lindenberg sind Sie ein "genialer Vogel". Wie bleibt man als Überflieger auf dem Teppich?

Keine Ahnung. Ich glaube, ich habe das manchmal gar nicht so richtig verstanden. Das ging mir mit Udo ähnlich. Als ich vor dem gesessen bin, habe ich vergessen, was für ein totaler Rockstar und welch unfassbarer Typ der ist. Nach unserem ersten Treffen fiel mir erst spät in der Nacht ein: "Wow! Wen hast du da gerade getroffen!" Wenn nette Dinge über einen gesagt werden, freut es einen natürlich. Aber wenn man mir zu viele Komplimente macht, bekomme ich immer Herzrasen! (lacht)

Auf der Bühne in Zürich zeigten Sie sich ziemlich freizügig. Auch jetzt gibt es etliche Auftritte in Unterhose und auch ohne. Wie viel Exhibitionismus gehört zum Job?

Von unbegründeter Nacktheit halte ich wenig. Auf der Bühne sich einfach ausziehen kann jeder, dann ist auch alles gleich gesagt. Nacktheit als Beweis für vermeintlichen Mut langweilt mich ziemlich. Nackt zu sein wird erst interessant, wenn ein Widerstand damit verbunden ist. Wenn Angst oder Peinlichkeit damit verbunden sind, wird es schauspielerisch spannend. Bevor ich mich ausziehe, möchte ich gern wissen weshalb. Und diese Sex-Szene als Udo funktioniert nun einmal nur ohne Klamotten.


Poster zum Film: "Lindenberg! Mach dein Ding" startet am 16. Januar 2020 im Kino

Im Song "Na und?" hat sich Lindenberg sehr pointiert gegen Homohasser ausgesprochen. Hätten Sie Berührungsängste gehabt, wenn es eine schwule Szene im Film gegeben hätte?

Ganz im Gegenteil, ich bin da vollkommen offen. Ich würde mich freuen, wenn ich einmal schwule Szenen spielen dürfte.

Manchen Schauspielern gilt die sexuelle Orientierung als Karrierekiller.

Mich ärgert das, wenn heutzutage noch Leute ihre Homosexualität verstecken, weil sie befürchten, sie würden dadurch Fans verlieren. Es ist traurig und macht mich auch ein wenig wütend, dass darüber noch immer nicht offen gesprochen werden kann. Dieses Phänomen gibt es ganz besonders im Fußball. Es kann ja wohl kaum sein, dass alle Männer in der Bundesliga heterosexuell sind. Der Schweizer Film "Mario" mit Max Hubacher und Aaron Altaras hat das Thema sehr gut dargestellt.

Coming-out für Promis Pflicht oder Kür?

Ich kann das schlecht beurteilen, weil ich selbst nicht schwul bin. Prinzipiell finde ich diese Offenheit auf alle Fälle wichtig, um andere Leute zu ermutigen. Sobald einer sich frei äußert, werden andere folgen. Es muss doch auch ziemlich quälend sein, sich ständig zu verstecken und Angst zu haben, erwischt zu werden. Für mich wäre es jedenfalls enorm anstrengend, solche Geheimnisse zu machen.

Wie viel Hamlet steckt in Udo?

Eine Menge. Wobei Hamlet ja in jedem von uns steckt. Udo macht sein Ding, gleichzeitig gibt es immer wieder Selbstzweifel, denen er sich stellen muss. Auf eine einfache Formel gebracht, geht es um Genie und Wahnsinn, was gerade bei Künstlern häufig zu finden ist. Die Achterbahn geht vom Gefühl, der Größte zu sein, bis zu Depressionen und zu viel Alkohol.

Wie viel "Ich bin Udo"-Momente haben Sie gespürt?

Bei der Konzertszene in der Hamburger Laeiszhalle am Ende des Films hat es mich schon gepackt. Um uns herum waren jubelnde Komparsen im Saal, und während des Konzerts hatte ich das Gefühl, eine Zeitreise in sein Leben gemacht zu haben. Die Fans, die spürbare Begeisterung und dazu die laute Musik, die ich selbst eingesungen habe. Das war kein wirklicher "Ich bin Udo"-Moment, aber ein magischer Moment, in dem Udos "Geist", der immer dabei war, besonders deutlich wurde.

Wie viel Lindenberg steckt in Bülow?

Ich habe das Gefühl, Udo und ich sind ein bisschen seelenverwandt. Es gab in meinem Leben Situationen, von denen ich glaube, Udo hätte sich damals vielleicht ganz ähnlich verhalten. Ich würde behaupten, dass wir teilweise gleiche Gehirnwindungen haben.

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Hat sich Lindenberg beim Dreh eingemischt? Sagte er: "Spiel mich mal cooler, Junge!", oder sagte er: "Mach dein Ding!"?

Im Prinzip hat mich Udo schon machen lassen. Er kam nie vorbei und sagte: "Du machst das alles falsch!". Wenn er zum Dreh kam, haben wir einfach herum gewitzelt und gequatscht. Wir konnten uns von Anfang an ziemlich gut leiden. Später hat er mir einmal gesagt, für ihn sei ich sofort "der richtige Vogel" gewesen.

Wie groß war der Respekt des "richtigen Vogels" vor der Rolle?

Nach der ersten Freude kam ganz schnell die totale Panik – Udo würde wahrscheinlich sagen, "Panik passt!" (lacht) Jedenfalls habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht und hatte wahnsinnige Angst, etwas falsch zu machen oder zu interpretieren. Hermine Huntgeburth hat mir dann klar gemacht, dass wir diese Figur neu begreifen müssen und ihre Entwicklung zeigen. Udo ist ja nicht mit einer Zigarre im Mund geboren, sondern hat sich erst langsam zu diesem Typen entwickelt. Wir wollten keine Kopie, entscheidend war, zu checken, wie der Lindenberg so tickt.

Wieso tickt Otto Waalkes nicht auch im Film mit? Er lebte doch mit Lindenberg zusammen in der WG?

Otto gab es tatsächlich als Double in der WG. Aber im fertigen Film ist er nun nicht mehr dabei.

Brauchen Sie Schnittmengen zu einer Figur? Oder können Sie alles spielen, auch einen üblen Serienkiller?

Ich würde es mir zutrauen. Hamlet wird am Ende ja auch sehr fies. Den Wahnsinn zu spielen, macht schon Spaß.

Wie sieht der weitere Karriereplan aus?

Einfach mal schauen. Karrierepläne gibt es nicht, ich lasse mich treiben. Oder wie es ein älterer Kollegen gerne formulierte: Schichtkäse.

Infos zum Film

Lindenberg! Mach dein Ding. Biopic. Deutschland 2019. Regie: Hermine Huntgeburth. Darsteller: Jan Bülow, Detlev Buck, Max von der Groeben, Charly Hübner, Julia Jentsch, Martin Brambach, Ruby O. Fee. Laufzeit: 135 Minuten. Sprache: deutsche Originalfassung. Verleih: DCM. Kinostart: 16.01.2020

#1 PetterAnonym
  • 15.01.2020, 12:44h
  • "Mich ärgert das, wenn heutzutage noch Leute ihre Homosexualität verstecken"

    Mich ärgert das auch.

    Denn wenn die Gesellschaft und die Politik wüssten, wie viele wir sind und wie vielfältig wir auch sind, wäre die Akzeptanz viel größer bzw. die volle Akzeptanz viel schneller erreicht.

    Und gerade bei Promis kommt noch hinzu, dass sie auch eine gewisse Vorbildfunktion haben. Wenn sie der Öffentlichkeit was vorgaukeln, sagen sie damit auch aus, dass das etwas ist, was man verbergen muss, was bei Promis besonders fatal ist.

    Und letztlich nützt es auch jedem selbst, denn dieses ewige Versteckspiel, das ständige Aufpassen, die Angst vor Enttarnung, die Selbstverleugnung, etc. bleiben langfristig nicht ohne Folgen für die Psyche und vielleicht auch den Körper.

    ABER:
    Ich finde das zwar (gerade heutzutage) nicht okay, das zu vertuschen und ermuntere auch jeden, sich zu outen. Aber dennoch ist das die persönliche Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Und ich wäre gegen Zwangs-Outings. (Obwohl die Zwangs-Outings von Hape Kerkeling und Alfred Biolek durch Rosa von Praunheim dmals viel zum Positiven bewegt haben und den Betroffenen und ihren Karrieren auch nicht geschadet haben.)
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#2 niccinicciAnonym
  • 15.01.2020, 13:47h
  • jeder entscheidet für sich, so einfach ist das.
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#3 Alexander_FAnonym
  • 15.01.2020, 15:00h
  • Lieber Herr Bülow,
    sicher kann es mitunter fragwürdige Motive haben, seine Orientierung zu verstecken, und falls es sich bei diesen Klemmschwestern gleichzeitig um Anti-LGBTI-Aktivisten handelt, ist das eine Heuchelei, die zu verurteilen ist und die in schweren Fällen vielleicht sogar ein Zwangsouting rechtfertigen kann.

    Gleich alle, die ihre Identität verstecken oder leugnen, über einen Kamm zu scheren, halte ich aber auch für ziemlich dickfellig und, mit Verlaub, für eine Folge nicht ganz bewusst bewordener Privilegien. Denn ja, es ist ein Privileg, in einem Umfeld aufzuwachsen, das diese Identität akzeptiert und einen dafür nicht verstößt, so wie das bei Ihnen offenbar der Fall ist und natürlich auch überall der Fall sein sollte. Das ist es aber eben nicht, auch in Deutschland nicht, wo viele immer noch mit der Angst aufwachsen, das Gesicht und die Achtung und Wertschätzung ihrer Mitmenschen zu verlieren, wenn sie ihr unpassende Identität preisgeben.

    Auch Promis sind natürlich oft so aufgewachsen und entsprechend vor solchen Ängsten nicht gefeit. Im Gegenteil: ihr "Image" ist ihr ganzes Kapital, und wenn zu dieser Marke auch gehört, hetero zu sein, dann ist es naturgemäß mit umso größeren Ängsten verbunden, dieses Image zurechtrücken zu müssen. Die Reaktionen von Fans können da sehr aggressiv werden, und es kann mitunter auch mehr drohen, als bloß eine Geldflaute.
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