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Bundesverfassungsgericht
Deutschland darf Schwule nicht in Verfolgerstaat Pakistan abschieben
Obgleich Homosexuellen in Pakistan Verfolgung bis hin zur Todesstrafe droht, wollten deutsche Behörden einen schwulen Teenager abschieben. Karlsruhe hat das jetzt vorerst verhindert.

Tim Reckmann / flickr) Die deutsche Verfassung rettet einen jungen Schwulen aus Pakistan vor einer unsicheren Zukunft in seinem Heimatland (Bild:
- 17. Januar 2020, 13:36h 3 Min.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer jetzt bekannt gewordenen Entscheidung der Verfassungsbeschwerde eines 19-jährigen schwulen Mannes aus der pakistanischen Provinz Punjab stattgegeben. Der Beschluss vom 4. Dezember 2019 (2 BvR 1600/19) widerspricht Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Verwaltungsgerichts Cottbus.
Das Bundesverfassungsgericht stellte konkret fest, "dass "[…] unstreitig […] staatliche und nichtstaatliche Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen in Pakistan" existiere. Laut Gesetz kann in dem knapp 200 Millionen Einwohner zählenden Land männliche Homosexualität mit bis zu lebenslanger Haft bestraft werden, nach Scharia-Recht ist sogar die Todesstrafe möglich. Allerdings sind international bislang kaum Verurteilungen bekannt geworden.
Zum konkreten Fall: Der im Jahr 2000 geborene junge Mann war im Alter von 15 Jahren gemeinsam mit seinem Vater nach Deutschland geflohen. Sein erster Asylantrag, in dem ausschließlich das Vorbringen seines Vaters geprüft wurde, wurde abgelehnt. Nachdem der mittlerweile Volljährige sich als schwul geoutet hatte, stellte er einen Asylfolgeantrag. Dieser wurde vom BAMF abgelehnt. Daraufhin klagte der junge Mann und erklärte, ihm drohten in seinem Heimatland Verfolgung durch den Staat, durch seine Familie und durch die Zivilgesellschaft. Das Verwaltungsgericht Cottbus bestätigte die BAMF-Entscheidung mit dem Argument, dass es auf die Voraussetzungen für einen Asylfolgeantrag nicht ankomme, da Homosexuellen in Pakistan bereits keine Verfolgung drohe.
Verstoß gegen Grundgesetz
Das Verfassungsgericht hat nun in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einen Verstoß gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19, Absatz 4 des Grundgesetzes gesehen. Der ausdrückliche Hinweis der Verfassungsrichter, dass die Verfolgung Homosexueller in Pakistan existiere, sei für die Entscheidung eigentlich nicht erforderlich gewesen, erklärte Christoph Tometten, der Rechtsanwalt des Betroffenen. "Er kann also nur als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Ablehnung von Asylanträgen lesbischer und schwuler Schutzsuchender aus Pakistan für bedenklich hält. Das BAMF und die Verwaltungsgerichte täten gut daran, diesen Wink ernst zu nehmen."
Ein weiterer, wichtiger Aspekt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus sei aber vom Bundesverfassungsgericht unkommentiert geblieben. Das Verwaltungsgericht hatte die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verurteilung des schwulen Mannes auf Grundlage eines einfachen Rechentricks abgelehnt: Es rechnete in seiner Entscheidung vor, dass in "der Provinz Punjab ca. 5 bis 11 Millionen homo- und bisexuelle Menschen [leben]. Die Zahl von 10 Angeklagten sei in Anbetracht dessen verschwindend gering […]." Damit habe es laut der Schwulenberatung Berlin "geflissentlich ignoriert, dass ein Großteil der LSBTI* in Pakistan aus Angst vor Verfolgung versteckt leben". Der Antragsteller hatte dagegen vorgetragen, seine Homosexualität offen ausleben zu wollen. Bei der Frage, ob ihm in Pakistan Verfolgung drohe, müsse somit auf die Situation offen schwul lebender Männer betrachtet werden. Nach europäischem Recht dürfe das BAMF zudem nicht argumentieren, dass Schwule in ihrem Heimatland sicher seien, wenn sie versteckt lebten.
Der Betroffene war von der Fachstelle für LSBTI* Geflüchtete der Schwulenberatung Berlin unterstützt worden. (pm/dk)

Das krasse Desinteresse bei LGBT-Flüchtlingen und Asylsuchenden und die kackdreisten Tests in den entsprechenden Verfahren (Bsp: keine Pornos auf dem Smartphone, also nicht schwul, etc ...) sind einem Staate nicht würdig, der jedem anderen Land den moralischen Zeigefinger ins Gesicht streckt.