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Brandenburg
AfD: "Klassische Familie" wird diskriminiert
Die AfD lebt in ihrer eigenen Welt: Im Landtag behauptet die Rechtsaußenpartei allen ernstes, dass die "klassische Familie" gegenüber anderen Lebensmodellen, auch Homo-Paaren, schlechter gestellt sei.

Birgit Bessin (AfD) behauptet, ihre Partei habe "überhaupt keine Probleme mit gleichgeschlechtlichen Paaren"
22. Januar 2020, 17:57h 4 Min. Von
Im Landtag von Brandenburg wurde es am Dienstagnachmittag mal wieder laut: Die AfD-Fraktion war angetreten, um die "klassische Familie" zu retten. In einem Entschließungsantrag (PDF) forderte die Rechtsaußenfraktion ein "Bekenntnis zur Familie als Eckpfeiler der Gesellschaft" und wollte feststellen lassen, dass die "klassische Familie aus Vater, Mutter und Kindern […] im besonderen Maße der Natur des Menschen gerecht" werde. Im Umkehrschluss sind Alleinerziehende und Regenbogenfamilien damit aus AfD-Sicht offenbar unnatürlich.
Die Antrag enthält keine konkreten Maßnahmen – lediglich, dass durch einseitige Förderung von AfD-genehmen Familien eine "Erhöhung der Geburtenrate" erreicht werden soll. AfD-typisch wird wenig verschleiert vor einer Apokalypse durch Zuwanderung von Ausländern gewarnt: So sei "die Erhöhung der Geburtenrate" eine "Existenzfrage für unsere Kultur, unsere Art zu leben", heißt es konkret in dem Text. Außerdem werden abstrakt "weitere steuerliche Entlastungen und Förderungen bei Kinderreichtum" gefordert, aber nicht erklärt, warum Kinder aus Regenbogenfamilien oder von Alleinerziehenden schlechter behandelt werden sollen. In dem Antrag wird schlicht geleugnet, dass es sich dabei um Diskriminierung handelt. Wörtlich heißt es: "Politik für die Mehrheitsgesellschaft steht in keinem zwingenden Zusammenhang mit einer Aufgabe des Minderheitenschutzes oder Maßnahmen zum Schaden von Minderheiten."
Birgit Bessin stellte den Antrag für die Rechtspopulisten im Plenum vor – und behauptete, dass die rot-schwarz-grüne Landesregierung nichts für Familien tue. Bessin ist bereits eine alte Bekannte: Sie hatte in der letzten Legislaturperiode einen gescheiterten Antrag vorgestellt, queeren Projekten staatliche Förderung komplett zu streichen (queer.de berichtete).
Als erste Rednerin aus den Regierungsfraktionen warf die grüne Fraktionsgeschäftsführerin Sahra Damus der AfD vor, dass diese sich mit dem "gruseligen Antrag" in die Vergangenheit zurückwünsche. "Wünschen Sie sich vielleicht auch in eine Zeit zurück, in der Homosexualität verboten war? Meine Herren und wenige Damen der AfD, diese Zeiten sind vorbei und sie werden auch nicht durch ihre Anträge wieder kommen", so die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Sie beschuldigte die AfD, "keinerlei konkrete Vorschläge für Familien" in petto zu haben, sondern vor allem "Stimmungsmache" zu betreiben – und das in einer Zeit, in der Regenbogenfamilien noch immer benachteiligt werden.

Sahra Damus (Grüne)
Die Linkenpolitikerin Bettina Fortunato ergänzte, dass jeder Familie sei, "wer nachweislich Verantwortung für die Mitglieder dieser Gemeinschaft" trägt. Ausdrücklich nannte sie in diesem Zusammenhang auch Schwule und Lesben. Eine familienfreundliche Gesellschaft entstehe nicht durch "Förderung eines Lebensmodels", sondern indem man den Menschen Wahlfreiheit lasse. Ihre Rede solle ein "Plädoyer für die Akzeptanz der Vielfalt" sein.

Bettina Fortunato (Linke)
Danach folgte die äußerst wirre Rede der Abgeordneten Ilona Nicklisch von der konservativen Kleinpartei BVB/Freie Wähler, die bei der Landtagswahl am 1. September 2019 mit 5,05 Prozent knapp die Sperrklausel überwinden konnte. Sie war die einzige Nicht-AfD-Rednerin, die etwas Sympathie für den Antrag entgegenbrachte. Wegen ihrer "christlichen Überzeugung" halte sie es auch für bedauerlich, dass "traditionellen Strukturen weniger gelebt werden". Allerdings betonte sie auch, dass jeder leben solle, "wie es ihm gefällt". Sie bedauerte jedoch, dass heterosexuelle Ehepaare mit Kindern angeblich schlecht geredet werden würden.

Ilona Nicklisch (BVB/FW)
Für die Landesregierung trat daraufhin Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) ans Rednerpult. Sie erklärte, im AfD-Antrag sei ein "überkommenes Familien- und Frauenbild" allgegenwärtig, das "an die Fünfzigerjahre West" erinnere. Vielfalt sei jedoch heutzutage wichtig, Familie sei "immer da, wo Kinder sind". Die 62-Jährige stellte fest: "Dazu gehören auch Migranten- und Flüchtlingsfamilien, die uns genauso willkommen sind wie Familien, die hier schon immer gelebt haben."

Landessozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne)
Anschließend ergriff die AfD-Politikerin Birgit Bessin erneut das Wort und warf den anderen Parteien offenbar als Retourkutsche für deren Reden vor, die "traditionelle Familie" zu diskriminieren. Die Regierung spreche so, "als ob die Familie Keimzelle des Faschismus wäre", behauptete Bessin. Die AfD habe "überhaupt keine Probleme mit gleichgeschlechtlichen Paaren". Man strebe aber "eine andere Form von Familie an".
Danach haute Steeven Bretz (CDU) richtig auf den Putz und bezeichnete den AfD-Antrag als "ein verbales Geschwurbel ohne irgendeine konkrete Maßnahme". "Ich hab selten so einen Schwachsinn gelesen", so der Potsdamer. Die AfD versuche wohl, mit eigenartigen Formulierungen, intellektuell zu wirken. "Das ist grandios gescheitert."

Steeven Bretz (CDU)
In einer Kurz-Intervention revanchierte sich Bessin mit den Worten "blödes Gequatsche" und behauptete, die anderen Parteien wollten Heterosexuellen vorschreiben, wie sie zu leben hätten. Anschließend durfte sich auch der AfD-Politiker Daniel Freiherr von Lützow noch darüber empören, dass Bretz versucht habe, "Anträge der AfD in den Dreck zu sehen". "Hier wird für Minderheiten groß Politik gemacht. Aber für Familien passiert gar nichts", behauptete der 45-Jährige.
Obwohl Regierung und Nicht-AfD-Opposition noch Redezeit zur Verfügung hatten, wollte keiner mehr die nicht gerade ergiebige Debatte fortsetzen. Bei der darauf folgenden Abstimmung votierte nur die AfD für ihren Entschließungsantrag.

Nur die AfD stimmte ihren eigenen Antrag zu

Nur das Dumme ist, daß es dem nicht so ist! Sondern das Gegenteil! Alle Menschen werden nach und nach rechtlich gleichgestellt, egal welcher sexuellen Orientierung, Rasse, Herkunft oder Geschlecht sie sind! Es ist noch nicht alles umgesetzt. Doch das ist ausgerechnet das, was die AfD nicht will!