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Homophobie in Mitgliedsstaaten
EU-Kommissarin: "Es darf keine LGBTI-freien Zonen geben"
Gleichstellungs-Kommissarin Helena Dalli rügte in ihrer LGBTI-Antrittsrede indirekt die polnische Regierung. Die EU-Kommission werde nicht tatenlos zusehen, wenn Sticker gegen queere Menschen verteilt werden.

Das Magazin "Gazeta Polska" verbreitete im letzten Sommer Aufkleber mit durchgestrichenen Regenbogen und dem Aufruck "LGBT-freie Zone"
- Von Markus Kowalski
5. Februar 2020, 06:35h 3 Min.
Die neue EU-Kommissarin für Gleichstellung Helena Dalli hat den Umgang Polens mit LGBTI gerügt. "Ich will es klar sagen: Wir können es nicht zulassen, dass Sticker für LGBTI-freie Zonen verteilt werden." Auch dürften Mitgliedsstaaten keine Resolutionen gegen LGBTI verabschieden. "Diese Aktionen sollen Angst verbreiten".
Im vergangenen Sommer hatte das der regierenden rechtskonservativen PiS-Partei nahe stehende Magazin "Gazeta Polska" in sozialen Netzwerken angekündigt, der nächsten Ausgabe Aufkleber mit einer durchgestrichenen Regenbogenflagge und dem Aufdruck "LGBT-freie Zone" beizulegen (queer.de berichtete). Trotz tagelanger Kritik und in jenen Tagen Gewalt gegen den ersten CSD in Bialystok machte das Magazin die Ankündigung wahr, teilweise mit veränderten Stickern "LGBT-Ideologie-freie Zone", bis ein Gericht die Verbreitung stoppte (queer.de berichtete).
Die PiS hatte im letzten Jahr im Europa- und Parlamentswahlkampf gezielt Stimmung gegen Homo- und Transsexuelle gemacht, unterstützt von der katholischen Kirche und von Medien (queer.de berichtete). In diesem Zusammenhang beschlossen über 50 Städte, Kreise und Regionen Resolutionen, in denen sie sich etwa als frei von einer "LGBT-Ideologie" erklärten und sich gegen "Homo-Propaganda" oder Sexualaufklärung an Schulen aussprachen. Im letzten Dezember hatte bereits das Europaparlament die Beschlüsse in einer Resolution kritisiert (queer.de berichtete).

BartStaszewski / twitter) Vom queeren Aktivisten Bartosz Staszewski erstellte Karte der "LGBT(I)-freien" Zonen in Polen mit Stand Dezember 2019 (Bild:
Am Dienstag sprach Dalli vor der LGBTI-Intergroup des Europäischen Parlaments, einem Zusammenschluss von Abgeordneten, die sich für Queerpolitik engagieren. Für die Kommissarin war es die erste Rede im neuen Amt zu LGBTI-Themen.
Kommission werde "alles tun, was notwendig ist"
Dalli erklärte, sie verurteile jede Form von Gewalt, Hass oder Diskriminierung von LGBTI. "Was mir persönlich am meisten Sorge bereitet, ist die wachsende Zahl von gewaltsamen Übergriffen auf LGBTI", so Dalli. So gebe es zunehmend Angriffe auf CSD-Paraden in den EU-Mitgliedstaaten. "Diese Kommission wird nicht zögern, alles zu tun, was notwendig ist und im Rahmen der Verträge möglich ist."

European Parliament / flickr) Die maltesische Sozialdemokratin Hella Dalli ist seit 1. Dezember 2019 EU-Kommissarin für Gleichstellung. (Bild:
Konkret versprach Dalli, noch "im letzten Quartal dieses Jahres" eine LGBTI-Equality-Strategie vorlegen zu wollen. Dabei werde sie die Empfehlungen des Europäischen Parlaments und die Ergebnisse der zweiten LGBTI-Umfrage der EU-Kommission mit einbeziehen.
"Die Europäische Kommission kann nicht allein für Gleichstellung von LGBTI sorgen. Wir müssen eng mit dem Europäischen Parlament, mit den Mitgliedsstaaten und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten." Zur LGBTI-Intergroup sagte die Kommissarin: "Sie sind unser großer Verbündeter."
Viel Lob von den Abgeordneten
Bei den Abgeordneten stießen die Ankündigungen auf breite Zustimmung. "Wir haben die EU-Kommission schon so viele Jahre lang nach einer LGBTI-Strategie gefragt. Dass sie sie jetzt ankündigen, macht uns schon froh", sagte die niederländische Abgeordnete und Ko-Präsidentin der Intergroup Sophie in't Veld (Liberale).
"Danke, dass wir bei den Rechten von LGBTI zusammenarbeiten", schrieb die belgische Abgeordnete Petra De Sutter (Grüne) auf Twitter. "Die EU-Kommission kann etwas bewirken, wenn sie einen gemeinsamen Ansatz verfolgt."
Twitter / pdsutterThank you @helenadalli for working together on #LGBTI rights and #SRHR by mainstreaming equality in all DGs. The @EU_Commission can make a difference if it has one common approach for all equalities @LGBTIintergroup pic.twitter.com/3McDUh1xLa
Petra De Sutter (@pdsutter) February 4, 2020
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Der neue Ko-Vorsitzende der Intergroup ist Marc Angel (Sozialdemokraten) aus Luxemburg. Er schrieb, es sei "großartig, dass Helena Dalli Kommissarin für Gleichstellung ist. Als Ministern in Malta hat sie ihre Entschlossenheit bewiesen, für Rechte von LGBTI zu kämpfen."
Twitter / MarcAngel_luGreat to have @helenadalli as EU Commissionner for Equality. As a Minister in Malta she proved her determination to push LGBTI rights! An outspoken strong determined woman like her is what the EU commission needed to fight for EQUALITY https://t.co/zJiBGIBJrY
Marc Angel (@MarcAngel_lu) February 4, 2020
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Das Interesse an der Veranstaltung war groß, die Besucherplätze im Sitzungssaal des Europäischen Parlaments waren gefüllt. Die deutsche Abgeordnete und Ko-Vorsitzende der Intergroup Terry Reintke (Grüne) freute sich über die vielen Besucher. Sie versprach, für die nächste Sitzung einen größeren Saal zu buchen.

Links zum Thema:
» Livestream von der Veranstaltung mit Helena Dalli
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