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Reality-Show
"'Big Brother' machte mich schwul"
Am Montag startet auf Sat.1 die 20. Staffel von "Big Brother". In die Fernseh-WG ziehen u.a. der schwule Pat und mit Gina und Michelle zwei bisexuelle Frauen.

Die drei queeren Kandidat*innen der 20. Staffel (v.l.n.r.): Michelle, Pat und Gina (Bild: SAT.1 / Arya Shirazi)
- 9. Februar 2020, 10:47h 3 Min.
Die Jubiläumsstaffel von "Big Brother" hat eine Queer-Quote von (mindestens) 21,4 Prozent. Unter den 14 Kandidat*innen, die Sat.1 in dieser Woche vorstellte, zählen drei klar zur LGBTI-Community: der schwule Pat und die beiden bisexuellen Frauen Gina und Michelle.
Für den 30-jährigen Trauredner Pat aus Niedersachsen ist der Einzug in die 20. deutsche TV-WG etwas ganz Besonderes: "'Big Brother' machte mich schwul", wird er auf der SAT.1-Homepage zitiert. Durch Walter aus der zweiten Staffel habe er gemerkt, dass er auf Männer stehe.
"Ich bin ein Hypochonder, eine Nervensäge, viel zu eitel und man muss mir alles fünfmal erklären – dennoch bin ich ganz liebenswert", sagt Pat über sich selbst. Er beschreibt sich zudem als "nicht sehr intelligent". Pat kann seiner Meinung nach zwar nicht mit umfassendem Allgemeinwissen glänzen, aber dafür habe er eine andere Stärke: seine hohe soziale Intelligenz. Bei Themen, die für andere tabu sind, nehme er kein Blatt vor den Mund – vor allem bei Sexthemen.
Gina und Michelle lieben Männer und Frauen
Der Sender selbst gibt sich in der Beschreibung der queeren Kandidat*innen eher verschwurbelt: "Vor allem in Bezug auf ihr Liebesleben ist nicht alles so klar", heißt es auf der Sat.1-Website über die 19-jährige Kellnerin Gina aus Würzburg, die ebenfalls in die "Big Brother"-WG einzieht. "Momentan ist Gina bisexuell, sie verliebt sich schnell in beide Geschlechter, doch die richtige Definition von 'Liebe' hat sie für sich selbst noch nicht gefunden."
Ob Michelle ihr helfen kann? "Die optimistische 26-Jährige ist bisexuell. Sie verliebt sich in den Menschen und nicht in sein Geschlecht", stellt Sat.1 die dritte queere Kandidatin vor. "Aktuell fühlt sie sich eher zu Männern hingezogen", heißt es über die Altenpflegerin, die schlechte Erfahrungen in einer lesbischen Beziehung machte: "Drei Jahre lang wurde Michelle von ihrer 13 Jahre älteren Lebensgefährtin manipuliert, diszipliniert, belogen und betrogen. Daraufhin folgte eine lange Phase der Selbstfindung."
"Wie viel ein Mensch wert ist, bestimmst du"
In der neuen Staffel der Reality-Show "Big Brother" werden die Kandidat*innen in zwei Häusern leben – einem rustikalen Blockhaus und einem futuristischen sogenannten Glashaus. Das Glashaus stehe laut Sat.1 für die Online-Welt – es bietet allerlei digitale Annehmlichkeiten. Zugleich sind die Bewohner*innen dort aber auch dem "permanenten und teils gnadenlosen Feedback" der Zuschauer*innen ausgesetzt. Anders sieht es im Blockhaus aus, das den gemütlichen Charme einer Skihütte versprüht. Dort lebt man einfacher, aber auch zurückgezogener.
Die neue Staffel sorgte schon vor dem Start für viel Kritik. Sat.1 bewirbt die Show mit Sätzen wie "Wie viel ein Mensch wert ist, bestimmst du". Die Zuschauer*innen können während der Show gelbe Sterne an die Bewohner*innen verteilen und sie somit auf- oder absteigen lassen. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen wird diese Kampagne von vielen als geschmack- und respektlos empfunden.
Die neue Staffel des Reality-Formats startet am Montag, den 10. Februar um 20.15 Uhr auf Sat.1. Es ist zugleich eine Jubiläumsstaffel – vor 20 Jahren lief "Big Brother" erstmals in Deutschland. (cw)

Links zum Thema:
» Offizielle Homepage zu "Big Brother"
Mehr zum Thema:
» Mehr TV-Tipps zu LGBTI-Themen täglich auf queer.de
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
20:15h, ATV2:
Love, Simon
Witzige und herzliche Coming-of-Age Geschichte über die spannende Reise des 17-jährigen Simon auf der Suche nach sich selbst und der ersten Liebe.
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Aha. So weit ist es also gekommen: jede_r kann per App über Wert und Würde der Bewohner_innen entscheiden.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar"? War da mal was? Woher kenne ich diesen Satz nur?
Naja, scheint heute ja keine Bedeutung mehr zu haben. Heute bestimmt jeder über den Wert anderer Menschen, je nach Gusto - je nachdem, wie beliebt oder unbeliebt sich dieser Mensch eben macht.
Passt irgendwie perfekt zum Zeitgeist. Authentizität ist kaum noch gefragt - statt dessen Anpassertum bis zum Brechreiz, um zu gefallen, um akzeptiert zu werden.
Und nicht nur der Neoliberalismus lehrt uns schließlich, dass wir an einer schlechten Bewertung letztlich selbst schuld sind: wir müssten uns doch nur anpassen. Dem Mehrheitsgeschmack anpassen - und alles läuft super paletti.
Wer das nicht kann oder nicht will: Pech. Der_die ist dann eben auch künftig weniger wert.
Arme deutsche "Hochkultur".
P.S. "...wird diese Kampagne von vielen als geschmack- und respektlos empfunden."" erinnert mich irgendwie an die kürzliche Duden-Diskussion. ICH sage: diese Kampagne IST geschmack- und respektlos. Dieses "wird so oder so empfunden" bedeutet letztlich nichts anderes als "Man kann das so oder so sehen". Sicher: Meinungsfreiheit und so.
Aber Kampagnen und Tools, die zur offenen und öffentlichen Abwertung von Menschen führen, fallen für mich definitiv unter "respektlos". Und das ist noch ein harmloser Begriff dafür, was da stattfindet.
Zeitgeist, mir graut vor Dir.