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Spahn-Vorstoß mit Ausnahmen

Bundes­regierung bleibt dabei: Kein komplettes Verbot von "Homo-Heilung"

Ein generelles Verbot von "Konversionstherapien" bei Erwachsenen verstoße gegen das Selbstbestimmungsrecht, antwortet die Regierung auf eine Forderung des Bundesrats zur Überprüfung der Altersgrenze.


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht im geplanten Verbot "ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: Es ist okay, so wie du bist" (Bild: BMG)

  • 21. Februar 2020, 14:49h 66 5 Min.

Die Bundesregierung hat zwei Wochen vor der ersten Bundestagsdebatte ihren finalen Gesetzentwurf (PDF) für ein strafrechtliches Verbot von "Homo-Heilung" vorgestellt. Nach Rückmeldungen von Verbänden und des Bundesrates wurden kaum noch Änderungen vorgenommen, so bleibt etwa eine von wenigen Ausnahmen abgesehen geltende Beschränkung auf Behandlungen an Minderjährigen bestehen.

Im November hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen ersten Entwurf des Vorhabens vorgestellt, mit dem Behandlungen, "die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind", verboten werden sollen. Die erste Fassung war von Opposition und Experten als nicht ausreichend kritisiert worden, unter anderem weil "Behandlungen" nur an Kindern und bei Jugendlichen nur mit Einschränkungen verboten werden sollten. Ein später vorgelegter Entwurf dehnte das Verbot auf alle Personen unter 18 Jahren aus. Ebenfalls untersagt werden sollen Behandlungen bei Personen über 18, wenn die Einwilligung zur Durchführung "auf einen Willensmangel" beruht.

Twitter / BMG_Bund | Vorstellung des Referententwurfs im letzten November bei Twitter
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Der Bundesrat hatte in der letzten Woche im Rahmen des Beratungsverfahren eine Stellungnahme beschlossen, mit der er um eine Überprüfung der Ausdehnung der Altersgrenze, zumindest auf bis zu 27-Jährige, bat – der Gesundheitssausschuss der Länderkammer hatte zuvor ein komplettes Verbot auch bei Erwachsenen gefordert. Die Bundesregierung hat dies nun in der Drucksache zum Gesetzentwurf abgelehnt, da es "sich mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbaren" ließe.

"Freiheit, sich für unethische, untaugliche oder schädliche Interventionen zu entscheiden"

"Bei einer volljährigen einwilligungsfähigen Person, die sich freiverantwortlich und vollumfänglich aufgeklärt über die fehlende Wirksamkeit und die Schädlichkeit einer Konversionsbehandlung unterzieht, wäre ein Verbot unverhältnismäßig", so die Regierung. "Dem stünde das Selbstbestimmungsrecht der Personen entgegen, das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG) verfassungsrechtlich geschützt ist und nicht nur Eingriffsgrund, sondern zugleich Eingriffsgrenze für das Verbot darstellt. Bei Personen über 18 Jahren geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese frei über eine Konversionsbehandlung entscheiden können."

Das Selbstbestimmungsrecht umfasse "auch die Freiheit, sich für unethische, untaugliche oder schädliche Interventionen zu entscheiden; hierin liegt nicht per se ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des Paragrafen 228 StGB", wie die Länderkammer argumentiert hatte. Auch eine Anhebung der Altersgrenze wäre unverhältnismäßig, so die Bundesregierung.

Direktlink | Alles legal, legitim, gesund und selbstbestimmt? Auftritt vom erwachsenen "Marcel" von der "Bruderschaft des Weges", die auf Enthaltsamkeit setzt und eine Art Nachfolgeorganisation der Homo-"Heiler"-Gruppe "Wüstenstrom" ist, bei einer "Demo für alle" 2015 in Stuttgart
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Die Länderkammer hatte eine Ausweitung der Altesgrenze "angesichts der nachgewiesenen erheblichen schädlichen Wirkungen dieser 'Behandlungen', für die keinerlei Indikation besteht", gefordert. "Insbesondere junge Menschen sollten auch über das 18. Lebensjahr hinaus effektiv geschützt werden. Coming Out-Prozesse finden auch jenseits der Altersgrenze von 18 Jahren statt. Zudem können auch bei jungen Volljährigen finanzielle Abhängigkeitsverhältnisse von Eltern bestehen", so die Begründung weiter. "Die emotionale und soziale Verselbständigung findet – insbesondere aufgrund längerer Schul- und Ausbildungszeiten – zunehmend später statt. Der Ablösungsprozess ist häufig mit besonderen sozialen Schwierigkeiten verbunden. Aus diesem Grund sieht das Kinder- und Jugendhilferecht in § 7 Absatz 1 SGB VIII eine Altersgrenze von 27 Jahren vor. Zumindest bis zu dieser Altersgrenze liegen oft noch der Minderjährigkeit vergleichbare Gefährdungslagen vor, so dass eine entsprechende Anhebung der Altersgrenze erwogen werden sollte."

Weiter Strafausnahme für Eltern

Auch weitere Forderungen des Bundesrates weist die Bundesregierung zurück: So sieht der Entwurf zwar ein öffentliches Werbeverbot für "Konversionstherapien" vor, bei dem Verstöße als Ordungswidrigkeit gewertet werden; nicht-öffentlich dürfen sie aber weiter beworben, angeboten oder vermittelt werden, solange sie sich an Personen über 18 Jahre richten. Auch bleibt die vom Bundesrat kritisierte Straffreiheit für die Durchführung von "Konversionsbehandlungen" bei Fürsorge- oder Erziehungsberechtigten bestehen.

Letztlich lehnt die Bundesregierung auch ab, das einzurichtende Beratungstelefon bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in seiner Arbeit näher zu definieren. Der Bundesrat wollte ins Gesetz aufnehmen lassen: "Die Beratung soll insbesondere über die Entwicklung der sexuellen und geschlechtlichen Identität informieren sowie Betroffene in ihrem Selbstwertgefühl stärken. Sie klärt über schädliche Folgen von Konversionsbehandlungen auf." Die Bundesregierung verweist darauf, dass entsprechende Ziele in der Begründung des Gesetzes enthalten seien. Zugleich sei die Beratung "ergebnisoffen" zu führen.

Twitter / bundesrat | Der Bundesrat durfte sich im Beratungsverfahren äußern, wurde aber in seinen Bedenken größtenteils ignoriert. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig
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Kritik der Grünen

Der Gesetzentwurf, dem ein umfassender Beratungsprozess mit Rückmeldungen aus einem Fachgremium und von Verbänden vorangegangen war, soll am 6. März in erster Lesung im Bundestag beraten werden. "Die Position der Bundesregierung ist eine große Enttäuschung und darf im parlamentarischen Verfahren nicht standhalten", kommentierten am Freitag die Grünen. "Sonst droht es, dass das Verbot von sog. Konversionstherapien sehr löchrig wird und keinen erforderlichen Schutz von queeren Menschen gewährleistet."

Vor allem das Beharren der Bundesregierung auf die Ausnahmeregelung in Bezug auf Eltern sei "brandgefährlich", so Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik der Grünen. "Sie ermöglicht Eltern und Erziehungsberechtigten weiterhin und ohne Folgen, Pseudotherapien durchzuführen. Denn dies kann dazu führen, dass Jugendliche weiter unter enormen Druck geraten. Wir fordern, dass der Gesetzentwurf Jugendliche auch vor dem Druck aus ihrem Umfeld schützt – und zwar ausnahmslos."

Die Grünen kritisieren auch das eingeschränkte Werbeverbot, das zu "Abgrenzungsproblemen" und einer Erschwerung der Verbotsdurchsetzung führe, und die Ablehnung von begleitender Öffentlichkeitsarbeit, wie sie der Bundesrat empfohlen hatte. Das Versprechen der Bundesregierung, auch abseits von einer Aufnahme in den Gesetzeszext geeignete Aufklärungskampagnen durchzuführen, sei "angesichts derer Untätigkeit bezüglich LSBTI-Themen wenig glaubwürdig", so Schauws. (nb)

#1 FilipProfil
  • 21.02.2020, 15:09hHamburg
  • "Dem stünde das Selbstbestimmungsrecht der Personen entgegen, das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG) verfassungsrechtlich geschützt ist und nicht nur Eingriffsgrund, sondern zugleich Eingriffsgrenze für das Verbot darstellt. Bei Personen über 18 Jahren geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese frei über eine Konversionsbehandlung entscheiden können."

    Gut möglich, dass mein Vergleich nun total hinkt und es total abwegig ist ? :
    Aber gerade was das Selbstbestimmungsrecht betrifft, interessiert es den Staat doch auch in Bezug auf die Inanspruchnahme einer Sterbehilfe nicht. Und die könnte ja auf meiner bewußten und vielleicht sogar in der Vergangenheit bereits dokumentierten Entscheidung fußen. Okay, das ist ein schwieriges und auch vielfach disskutiertes Thema. Aber das Verbot einer Konversionstherapie auch für jeden Erwachsenen, ist nun überhaupt nicht schwierig umsetzbar. Der es anwendet, begeht in meinen Augen Körperverletzung.
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#2 NuminexEhemaliges Profil
  • 21.02.2020, 15:15h
  • Aufruf: Kann sich bitte ein(e) schwuler oder lesbische(r) Jurist(in) aufraffen, diesen verlogenen Herrn vors Verfassungsgericht zu zerren, weil er zumindest in der Sterbehilfe, nachweislich und schriftlich dokumentiert, bereits über 100 Mal geltendes deutsches Recht gebrochen hat?!?!?

    www.tagesspiegel.de/politik/gesundheitsminister-ignoriert-ur
    teil-jens-spahn-verhindert-sterbehilfe


    - In der Hoffnung, dass er gerichtlich verurteilt wird, mit der Konsequenz einer Amtsenthebung und einer Nachfolge wie etwa Karl Lauterbach, der die Dinge zu 100 Prozent zu Ende denkt und umsetzt.

    (Mir ist klar, dass Lauterbach SPD und das Gesundheitsressort CDU geführt ist!)
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#3 Alexander_FAnonym
  • 21.02.2020, 15:21h
  • Fazit: Konversiontherapien werden verboten, außer natürlich für die, die sie am ehesten durchführen und bei denen sie sie schlimmsten Folgen haben. Erziehungs- und Fürsorgeberechtigte sind ja eben gerade die schlimmsten Täter in dieser Hinsicht, weil sie ihre Fürsorge hier auf hinterhältigste Weise missbrauchen. Da die aber wohl eine wichtige Klientel der CDU darstellen, darf man es sich mit denen natürlich nicht verscherzen.

    Die einstige Straffreiheit für Vergewaltigungen in der Ehe lässt grüßen...
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