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Sachbuch

Was LGBTI-Gegner antreibt und wie man sie in die Schranken weist

"Besorgte Eltern reden die Sexualisierung herbei, die sie dann verbieten wollen" – Hannah Engelmanns Buch "Antiqueere Ideologie" ist ein kluger und hilfreicher Ratgeber für die politische Bildungsarbeit.


Die "Demo für alle" 2014 in Hannover. Ihre irreführenden Kampfbegriffe wie "Gender-Ideologie" oder "Frühsexualisierung" haben es in den letzten Jahren von der Nische teilweise in den Alltag geschafft, mit großer Unterstützung neurechter Medien und rechter Parteien (Bild: Norbert Blech)

Weltweit hetzen Konservative, Rechtsliberale, Rechtsextreme und Faschisten gegen die Menschenrechte von LGBTI. Das schmale Büchlein "Antiqueere Ideologie" (Amazon-Affiliate-Link ) aus dem Unrast-Verlag bietet nun einen kompakten Überblick über "Denk- und Argumentationsweisen, mit der seit einigen Jahren verstärkt gegen alles angegangen wird, was die Grenzen der Geschlechter kritisch untersucht". Antiqueere Ideologien wollen ein Zurück zu einer Vergangenheit, einer scheinbaren Sicherheit der Selbstverständlichkeiten, wo scheinbar Männer noch Männer und Frauen noch Frauen waren.

Engelmann wendet sich zunächst der Ökonomie zu. Der Neoliberalismus habe zu enormen ökonomischen Verwerfungen geführt (wie Niedriglohnsektor und unsichere Beschäftigungsverhältnisse), aber er sei mit emanzipatorischen Elementen (wie der Zunahme der Gleichstellung von Frauen und mehr Rechten für LGBTI) einhergegangen. Nach Engelmann greift die antiqueere Ideologie "die Unzufriedenheit auf, die dem regressiven Moment der Modernisierung, dem neoliberalen Moment des Progressiven entspringt – und wendet sich in tragischer Verwechselung gegen die Modernisierung, gegen das Progressive".

LGBTI als die "inneren Feinde" des "Volkes"


Hannah Engelmanns Buch "Antiqueere Ideologie" ist im Münsteraner Unrast-Verlag erschienen

Antiqueere Ideologien werden meist mit dem "Volk" verbunden. Dabei fungierten Queers als die "inneren Feinde." Engelmann zeigt, wie dabei auch bevölkerungspolitisch argumentiert wird. So zum Beispiel in der rechtsextremen Theoriezeitschrift "Sezession".

In kirchlich-rechten Kreisen und der AfD nimmt dabei der "Schutz der Kinder" vor "Frühsexualisierung" fast schon paranoide Züge an. Engelmann führt spannende Beispiele und Zitate an. Die Debatte um Aufklärungsbroschüren zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt ist dabei höchst skurril. Engelmann schreibt treffend: "Es ist eine paradoxe Doppeldynamik, mit der hier das Sprechen über Sexualität mit oder von Kindern einerseits tabuisiert und verdrängt werden soll, gleichzeitig aber als Sex- und Missbrauchsakt überinterpretiert wird und damit erst den abhanden gekommenen und offenbar vermissten Geruch des Skandalösen erhält. Besorgte Eltern reden die Sexualisierung herbei, die sie dann verbieten wollen."

Scheinbare Sicherheit durch Geschlechterrollen

Antiqueere Ideologien docken außerdem an den Selbstverständlichkeiten an. Engelmann führt aus, dass Anerkennung – und vor allem Liebe – in der Regel vergeschlechtlicht aufgefasst wird. Die einzelnen Menschen bzw. Subjekte fühlen sich dann in ihrer Autonomie bedroht, wenn diese Geschlechterrollen, die ihnen scheinbare Sicherheiten bieten, aufgebrochen werden.

Gerade wenn Sprache verändert wird (Gendersternchen etc.) wird in das Feld sozialer Wahrnehmungen eingegriffen, dies berühre die Existenz. Engelmann führt aus: "Anti-queer affizierte Subjekte neigen jedoch dazu, jede Aufweichung der Grenzen sozialer Kategorien als Angriff auf ihre soziale Existenzbedingung zu verstehen." Ein wertvoller Hinweis der Autorin, der uns ermutigen sollte, unsere Anliegen so vorzutragen, dass sie nicht als bedrohlich erscheinen, sowie eine Sprache zu benutzen, die nicht nur queere Fachleute verstehen.

Konkrete Tipps für die Bildungsarbeit

Der zweite Teil des Buchs widmet sich der konkreten Bildungsarbeit. Wie können wir Menschen erreichen und antiqueere Ideologien konkret zurückweisen? Hier werden niedrigschwellige Methoden und Übungen der queeren Bildungsarbeit bzw. "Diversity Education" diskutiert, um antiqueere Ideologeme zu durchbrechen. Engelmann betont, politische Bildungsarbeit müsse nah am Einzelnen und der Gesellschaft sein. Es gehe darum, Menschen zu ermutigen, ihnen Handlungsfähigkeit zu geben. Dem Dogmatismus von AfD und Co. müssten eigene Standpunkte entgegengehalten werden, die eben verhandelbar und undogmatisch seien. Recht hat sie.

Ein Manko an der Veröffentlichung ist, dass es sich um eine überarbeitete universitäre Arbeit handelt – mit dem dazugehörigen Korsett. Trotzdem weist Hannah Engelsmanns Buch einen sehr hohen Gebrauchswert auf, der uns verstehen lässt, warum es den Rechtsextremen gelingt, gerade mit dem Hass auf queere Menschen einen Brückenschlag in den Konservatismus zu vollziehen. Queere Politik und Praxis sollte die Hinweise berücksichtigen, um mittel- und langfristig den Angriff von rechts zurückzuweisen. Sehr lesenswert!

Unser Autor Bodo Niendel ist Referent für Queerpolitik der Bundestagsfraktion Die Linke.

Infos zum Buch

Hannah Engelmann: Antiqueere Ideologie. Die Suche nach identitärer Sicherheit – und was politische Bildung dagegen ausrichten kann. Taschenbuch. 116 Seiten. Unrast Verlag. Münster 2019. 14 €. ISBN 978-3-89771-326-0

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#1 Julian SAnonym
  • 08.03.2020, 13:35h
  • Ich habe das Buch zwar nicht gelesen, teile aber die hier angerissene Analyse:

    Die Homohasser und die Gegner von Aufklärung beschwören angebliche Gefahren für Kinder herbei, vor denen sie die Kinder schützen wollen. Aber diese Gefahren existieren gar nicht, sondern werden nur von ihnen erfunden.

    Da wird dann auch mal behauptet, Grundschüler würden gezwungen Pornos zu gucken oder an Gruppensex-Spielen teilzunehmen. Aber sowas entstammt nur deren kranker Phantasie und hat nichts mit der Realität zu tun.
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#2 GerritAnonym
  • 08.03.2020, 14:39h
  • Antwort auf #1 von Julian S
  • Ja, das ist jedem klar.

    Ich weiß nur nicht, ob die das wirklich alles glauben, oder ob sie genau wissen, dass das Unsinn ist und das nur erzählen, um Hass zu schüren, weil sie wissen, dass ihre Anhänger das nicht durchschauen.
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#3 schwulenaktivist
  • 08.03.2020, 14:57h
  • Die Kinder sind in Gefahr, WEIL die Eltern und Anderen sich weigern über Sexualität zu sprechen. Das ist ein grundsätzlich (heterosexuelles) Problem! Dazu gehört, dass Frauen sich über Sex ausschweigen und Lesben (eine grosse Zahl) es ihnen nach machen (Siehe auch Zündstoffe in der SiS 3'20!)
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#4 Alexander_FAnonym
  • 08.03.2020, 15:29h
  • Danke vielmals an die Redaktion für diese Rezension. Ich glaube, ich werde mir dieses Buch mal selbst durchlesen und mir ein Bild machen. Was in der Rezension beschrieben wird, klingt jedenfalls schonmal sehr plausibel und vielversprechend.
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#5 FinnAnonym
  • 08.03.2020, 15:57h
  • Antwort auf #1 von Julian S
  • Dann erwarte ich aber auch, dass die Politik sich nicht von so einer schrillen Minderheit beeinflussen lässt und Lehrpläne verzögert, abschwächt, überarbeitet, etc.

    Lehrpläne, Schulbücher, etc. werden in Deutschland weder von heute auf morgen, noch von Laien gemacht. Das sind Profis und das durchläuft zig Review-Prozesse und Überarbeitungen, wo Dutzende Leute involviert sind.

    Da kann es doch nicht sein, dass sich die Politik immer von solchen Bildungsfeinden beeinflussen lässt.
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#6 tchantchesProfil
  • 08.03.2020, 16:06hSonstwo
  • Antwort auf #2 von Gerrit
  • Genau letzteres ist es. Die Methode Trump (Johnson, Orban, Kazcinsky, Weidel...) funktioniert bestens. Sie ist auch keineswegs neu. Nur die Sündenböcke wechseln alle paar Jahrhunderte. Nach Hexen und Juden nun halt Schwule.

    Die Leute glauben, was sie glauben wollen. Sonst hätten die Pfaffen schon längst ihre Geschäftsgrundlage verloren.

    Ich bin nur wenig optimistisch, dem mit irgendeiner rationalen Argumentation entgegentreten zu wollen.
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#7 dellbronx51069Anonym
  • 08.03.2020, 18:23h
  • Es ist eben genau das Problem , dass dem mit Ratio nicht oder nur schwer beizukommen ist. Auch Minderheiten können etwas verändern im guten wie leider auch im Schlechten. Und zerstört ist schneller etwas als aufgebaut!
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#8 Nk231Anonym
  • 08.03.2020, 19:36h
  • Antwort auf #3 von schwulenaktivist
  • Kannst du da mal eine Zahl nennen oder besser noch Namen von den Frauen, die sich angeblich über Sexualität ausschweigen? Und angeblich eine große Anzahl von Lesben würden es ihnen nachmachen? Netter Versuch :'-D

    Ich kenne viele Frauen, die über Sexualität reden und zwar ganz ungeniert. Eine in der Öffentlichkeit bekannte Frau war Erika Berger. Von Alice Schwarzer kann man denken was man will, aber sie trug als erste dazu bei, dass sich Frauen emanzipieren und beginnen, nicht nur Beine breit machen zu müssen, sondern selbst Lust und Orgasmus auszuleben und es zu genießen.
    Die Überzahl von Lesben sind übrigens Vorbilder für hetero-Frauen. So viel zum Thema "Lesben machen Heteros alles nach." ;-P

    Wenn du also von Frauen sprichst, bitte konkretisiere diese bestimmte Frauen, die heutzutage noch prüde sind und knallrot werden, wenn sie das Wort Sex hören oder lesen. Denn ALLE Frauen sind das beim besten Willen nicht. Und es gibt sogar ein paar prüde Männer, die du gar nicht erwähnt hast.

    Hier Spaltung umzusetzen bringt gar nichts, weil es an der Realität vorbei geht!

    Ich bin nicht nur für Lesben aktiv, sondern für die ganze LSBTTIQ und möchte eine soziale Gesellschaft und Politik für ALLE.
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#9 BePrideAnonym
  • 08.03.2020, 20:03h
  • Auf diesem Weg möchte ich Euch auf eine gerade eben im Schleswig-Hostein-Magazin gezeigte Reportage über die Forschung eines Historikers über die Verfolgung von Schwulen in Lübeck während der Nazi-Zeit für eine mögliche Ablegung in Eurer Presseschau hinweisen.
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#10 Homonklin_NZAnonym
  • 09.03.2020, 06:00h
  • Fraglich wäre etwa auch, ob diese "besorgten" Leute und AfD-Anhänger mit diesem ganzen Abzielen auf sexuelle Inhalte die eigene Unaufgeklärtheit bzw. einen Kenntnismangel illustrieren. Wenn nicht, könnte man von einer Besessenheit mit solchen Wähnungen ausgehen, wie sie in den großen Angst-Kampfbegriffen wie "Frühsexualisierung" und sonstwelcher Gefahrenwarnung immer wieder auftaucht.
    Ob das kranke Fantasien bezeugt, oder eine überdurchschnittliche Beschäftigung etwas Manisches verbirgt? Gute Frage, man müsste diese Leute 7und ihren offenbar ausgeprägten Angsthorizont wahrscheinlich intensiver studieren.

    Das Buch möchte ich mir auch gern besorgen.
    Ich erlaube mir wenigstens schon länger zu denken, dass man die Art Leute nur durch unablässige Konfrontation mit Fakten und realen Lebenswelten zurück in die Nähe der Wirklichkeit weisen kann.
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