Weltweit hetzen Konservative, Rechtsliberale, Rechtsextreme und Faschisten gegen die Menschenrechte von LGBTI. Das schmale Büchlein "Antiqueere Ideologie" (Amazon-Affiliate-Link ) aus dem Unrast-Verlag bietet nun einen kompakten Überblick über "Denk- und Argumentationsweisen, mit der seit einigen Jahren verstärkt gegen alles angegangen wird, was die Grenzen der Geschlechter kritisch untersucht". Antiqueere Ideologien wollen ein Zurück zu einer Vergangenheit, einer scheinbaren Sicherheit der Selbstverständlichkeiten, wo scheinbar Männer noch Männer und Frauen noch Frauen waren.
Engelmann wendet sich zunächst der Ökonomie zu. Der Neoliberalismus habe zu enormen ökonomischen Verwerfungen geführt (wie Niedriglohnsektor und unsichere Beschäftigungsverhältnisse), aber er sei mit emanzipatorischen Elementen (wie der Zunahme der Gleichstellung von Frauen und mehr Rechten für LGBTI) einhergegangen. Nach Engelmann greift die antiqueere Ideologie "die Unzufriedenheit auf, die dem regressiven Moment der Modernisierung, dem neoliberalen Moment des Progressiven entspringt – und wendet sich in tragischer Verwechselung gegen die Modernisierung, gegen das Progressive".
LGBTI als die "inneren Feinde" des "Volkes"
Hannah Engelmanns Buch "Antiqueere Ideologie" ist im Münsteraner Unrast-Verlag erschienen
Antiqueere Ideologien werden meist mit dem "Volk" verbunden. Dabei fungierten Queers als die "inneren Feinde." Engelmann zeigt, wie dabei auch bevölkerungspolitisch argumentiert wird. So zum Beispiel in der rechtsextremen Theoriezeitschrift "Sezession".
In kirchlich-rechten Kreisen und der AfD nimmt dabei der "Schutz der Kinder" vor "Frühsexualisierung" fast schon paranoide Züge an. Engelmann führt spannende Beispiele und Zitate an. Die Debatte um Aufklärungsbroschüren zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt ist dabei höchst skurril. Engelmann schreibt treffend: "Es ist eine paradoxe Doppeldynamik, mit der hier das Sprechen über Sexualität mit oder von Kindern einerseits tabuisiert und verdrängt werden soll, gleichzeitig aber als Sex- und Missbrauchsakt überinterpretiert wird und damit erst den abhanden gekommenen und offenbar vermissten Geruch des Skandalösen erhält. Besorgte Eltern reden die Sexualisierung herbei, die sie dann verbieten wollen."
Scheinbare Sicherheit durch Geschlechterrollen
Antiqueere Ideologien docken außerdem an den Selbstverständlichkeiten an. Engelmann führt aus, dass Anerkennung – und vor allem Liebe – in der Regel vergeschlechtlicht aufgefasst wird. Die einzelnen Menschen bzw. Subjekte fühlen sich dann in ihrer Autonomie bedroht, wenn diese Geschlechterrollen, die ihnen scheinbare Sicherheiten bieten, aufgebrochen werden.
Gerade wenn Sprache verändert wird (Gendersternchen etc.) wird in das Feld sozialer Wahrnehmungen eingegriffen, dies berühre die Existenz. Engelmann führt aus: "Anti-queer affizierte Subjekte neigen jedoch dazu, jede Aufweichung der Grenzen sozialer Kategorien als Angriff auf ihre soziale Existenzbedingung zu verstehen." Ein wertvoller Hinweis der Autorin, der uns ermutigen sollte, unsere Anliegen so vorzutragen, dass sie nicht als bedrohlich erscheinen, sowie eine Sprache zu benutzen, die nicht nur queere Fachleute verstehen.
Konkrete Tipps für die Bildungsarbeit
Der zweite Teil des Buchs widmet sich der konkreten Bildungsarbeit. Wie können wir Menschen erreichen und antiqueere Ideologien konkret zurückweisen? Hier werden niedrigschwellige Methoden und Übungen der queeren Bildungsarbeit bzw. "Diversity Education" diskutiert, um antiqueere Ideologeme zu durchbrechen. Engelmann betont, politische Bildungsarbeit müsse nah am Einzelnen und der Gesellschaft sein. Es gehe darum, Menschen zu ermutigen, ihnen Handlungsfähigkeit zu geben. Dem Dogmatismus von AfD und Co. müssten eigene Standpunkte entgegengehalten werden, die eben verhandelbar und undogmatisch seien. Recht hat sie.
Ein Manko an der Veröffentlichung ist, dass es sich um eine überarbeitete universitäre Arbeit handelt – mit dem dazugehörigen Korsett. Trotzdem weist Hannah Engelsmanns Buch einen sehr hohen Gebrauchswert auf, der uns verstehen lässt, warum es den Rechtsextremen gelingt, gerade mit dem Hass auf queere Menschen einen Brückenschlag in den Konservatismus zu vollziehen. Queere Politik und Praxis sollte die Hinweise berücksichtigen, um mittel- und langfristig den Angriff von rechts zurückzuweisen. Sehr lesenswert!
Unser Autor Bodo Niendel ist Referent für Queerpolitik der Bundestagsfraktion Die Linke.
Infos zum Buch
Hannah Engelmann: Antiqueere Ideologie. Die Suche nach identitärer Sicherheit – und was politische Bildung dagegen ausrichten kann. Taschenbuch. 116 Seiten. Unrast Verlag. Münster 2019. 14 €. ISBN 978-3-89771-326-0
Die Homohasser und die Gegner von Aufklärung beschwören angebliche Gefahren für Kinder herbei, vor denen sie die Kinder schützen wollen. Aber diese Gefahren existieren gar nicht, sondern werden nur von ihnen erfunden.
Da wird dann auch mal behauptet, Grundschüler würden gezwungen Pornos zu gucken oder an Gruppensex-Spielen teilzunehmen. Aber sowas entstammt nur deren kranker Phantasie und hat nichts mit der Realität zu tun.