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Literatur

Tiefe Einblicke in Leben und Werk einer wichtigen queeren Stimme

Alexander Chees Buch "Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" versammelt Essays zu den Themen Identität, Aktivismus, Aufwachsen und Schreiben – persönlich, ehrlich und schonungslos offen.


Alexander Chee hat lange als Aktivist der Schwulenbewegung in San Francsco gelebt und gehört heute zu den interessanteren Stimmen der New Yorker Literaturszene. Parallel zu seinem Essayband "Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" ist im Albino Verlag sein Roman "Edinburgh" erschienen (Bild: M. Sharkey)

Alles beginnt in Mexiko und endet mit Donald Trump, der eigentlich schon längst eine Mauer zum Nachbarland bauen wollte. Mexiko, wo der junge Alexander Chee einen Sommer im Rahmen eines Schüleraustauschs verbringt. Wo er, der einen südkoreanischen Vater hat, zum ersten Mal nicht auffällt, und sich den Spaß erlaubt, sich als "Alejandro aus Tijuana" vorzustellen. Sein Spanisch ist exzellent, er kommt durch.

Im ersten wie in eigentlich allen weiteren 15 Essays, die in dieser Sammlung enthalten sind, geht es um Alexander Chees Identität(en): Halb amerikanisch, halb koreanisch, schwul, Mittelschicht, Ostküste. Identitäten, die der heute preisgekrönte Autor erst erkennen und annehmen musste. Auch der (Aids-)Aktivismus gehört dazu, dem Chee, Jahrgang 1967, seit seiner Zeit in San Francisco verpflichtet war. Der Essay "1989" berichtet von einer Demonstration, von Polizeigewalt, Handschellen, Schlagstöcken. "Das ist das Land, in dem ich lebe", resümiert er nüchtern.

24 Absagen, bevor sein Debütroman veröffentlicht wird


"Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" ist Mitte Februar im Albino Verlag erschienen

"Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" (Amazon-Affiliate-Link ) gewährt uns tiefe und ganz persönliche Einblicke in das Leben und Werk von Alexander Chee, aber nicht nur das. Wie er über das Schreiben schreibt, über die Verzweiflung, aber auch Hingabe, entzaubert zwar unser idealisiert-romantisches Schriftsteller*­innen-Bild, doch lässt er so seine Liebe dazu umso kraftvoller erscheinen.

Ganz nüchtern beschreibt er das Schreiben als etwas, das mehr Handwerk als Talent fordert, als Job, der einen ernähren sollte. Eine sehr amerikanische Perspektive, gibt es hierzulande immer noch kaum universitäre Ausbildungen für Autor*­innen. Und überrascht dann fast mit einer leidenschaftlichen Erkenntnis, die er als Jugendlicher hatte: "Es gab da etwas, das ich fühlen wollte, und nur fühlte, wenn ich schrieb."

Die Anekdoten aus seinen Kellnerjobs oder aus Schreibseminaren – die er als Student besucht hat und die er heute selbst gibt – oder wie er den siebenjährigen Weg zu seinem Debütroman "Edinburgh" und den Kampf mit 24 Absagen vor seiner Publikation im Kleinverlag schildert, machen die Essaysammlung zu einer radikal ehrlichen, reflektierten und geistreichen Pflichtlektüre für Seminare zum Kreativen Schreiben. Oder all diejenigen, die schon immer einmal so ein Seminar besuchen wollten. Oder die schon drei angefangene Romane auf dem Desktop liegen haben.

In 16 Essays lernen wir diesen bodenständigen Autor kennen

Doch auch wer eher liest als schreibt, wird an der präzisen, mal metaphorisch-verschnörkelten Sprache und der Vielfalt an Themen, die Alexander Chee anspricht, sein Vergnügen haben. Sein kleiner Rosengarten, ein Lippenstift im Kaufhaus oder die zunächst sonderliche erscheinende Faszination für Tarot: Chee teilt Alltägliches, das zunächst banal daherkommt, und entdeckt darin Großes, hebt es auf eine völlig andere Stufe, ohne dass es konstruiert wirkt. Und berichtet auch über die sexuellen Übergriffe im Kinderchor, die ihn zu "Edinburgh" inspiriert haben. Über seinen früh verstorbenen Vater, Therapiesitzungen, Scham, Vorwürfe, über die Erkenntnis, dass er seiner Mutter nie davon erzählt hat, einen Tag vor Erscheinen des Romans.

"Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" ist nachhaltig inspirierend, und beweist, dass Alexander Chee zu den wichtigsten queeren literarischen Stimmen gehört. Nach den 16 Essays hat man das Gefühl, diesen auf die sympathisch-zugängliche und nicht abgehobene Art intellektuell-bodenständigen Mann kennengelernt zu haben. Wir kennen seine Wohnungen, haben mit ihm die Leidenschaft für Rosen geteilt, und uns von ihm ins Tarot-Legen einführen lassen. Und es hätte ewig so weitergehen können.

Infos zum Buch

Alexander Chee: Wie man einen autobiografischen Roman schreibt. Essays. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Nicola Heine & Timm Strafe. 384 Seiten Albino Verlag. Berlin 2020. Taschenbuch: 20 € (ISBN 978-3-86300-283-1). E-Book: 13,99 € (ISBN 978-3-86300-296-1)

Lesereise im April
Berlin: Dienstag 21.04., 19:30 Uhr, Literarisches Colloquium, Am Sandwerder 5
Freiburg: Donnerstag 23.04., 20 Uhr, Artjamming, Günterstalstraße 41
Leipzig: Montag 27.04., 19:30 Uhr, Literaturcafé im Literaturhaus Leipzig, Gerichtsweg 28
Wien: Dienstag 28.04., 19:30 Uhr, Buchhandlung Löwenherz, Berggasse 8

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#1 Homonklin_NZAnonym
  • 10.03.2020, 15:05h
  • Einblicke in das Leben, Denken, Empfinden von Jemand, der das so bereitwillig mitteilt, sind immer wie Reisen im Zeitenschiff. Über das Leben zu schreiben, kartografiert es für jene, die an den Reisen teilnehmen. Es kann zu Ideen anleiten, dar+über zu lesen, wie andere schreiben, was sie dazu bewegt. Autobiografisch zu schreiben, verlangt wohl dann großen Mut, solange man noch lebt. Weil man sich entblößt und Angriffen aussetzt, das Private zur Ausstellung werden zu lassen, auch Gedanken, die intimere Bereiche betreffen, als etwas, was sich die Meisten bei "intim" so denken würden.

    Die Absagen von den Verlagen, ja, das kann einen irgendwann brechen, oder aber man sagt sich, jetzt erst recht, und beschäftigt sich mit dem Eigenverlag. Oder man muss sich eben auf die Backen klemmen, und das Projekt so schreiben, wie es dem Verlag gefällt, der potenziellen Leserschaft gefallen kann, wenn man davon leben will, Schriftsteller zu sein. Dann schreibt man besser für die 90 oder was Prozent der Heteronormative, oder eher Sachbücher.

    In den Zeiten der neurechten Giftvulkane könnte es ratsam sein, sich wieder neue Verkleidungen für seine Charaktere auszudenken. Im autobiografischen Stil wird das umso mehr anspruchsvoll, wenn man vorhat, noch länger zu leben, anstatt heimlich zu vegetieren. Apropro Identitäten. Schreibe pseudonymtechnisch als Frau, und keiner merkts. ;)
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#2 NuminexEhemaliges Profil
  • 10.03.2020, 15:30h
  • Ich möchte nur sagen, dass ich eure Literaturbeiträge sehr mag. Gerne mehr davon! Als Anregung vll. einmal die Woche einen (schwulen) Klassiker vornehmen, etwa von Forster, Zimmer-Bradley oder White? Das wärs!
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