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Medienkritik
"Also normale Leute? Oder nur Homosexuelle?"
Ist der schwule TV-Star Jaecki Schwarz ein böser, alter, weißer Mann, der Fragen stellt, die man 2020 nicht mal denken sollte? Anmerkungen zur jüngsten MDR-Talkshow "Riverboat", in der es um erotische Männerunterwäsche ging.

Jaecki Schwarz, 74, war am 6. März in der MDR-Talkshow "Riverboat" zu Gast (Bild: Screenshot MDR)
- Von Paul Schulz
15. März 2020, 05:51h 4 Min.
Um die Frage im Teaser gleich mal zu beantworten: Nö. Dass einige Medienvertreter das jetzt behaupten, liegt nur daran, dass sich erwachsene Menschen im Spätprogramm des größten, deutschen dritten Programms, des MDR, speziell seiner Sendung "Riverboat", am Samstag der letzten Woche, nicht ohne minutenweise offenbar komplett den Verstand zu verlieren über erotische Unterwäsche für Männer austauschen können. Das fiel auch Moderatorin Kim Fisher zwischendurch auf. Zitat: "Ich werd bekloppt."
Verständlich, schließlich hatte Schlagerstar Howard Carpendale da gerade über das Fassungsvermögen eines der Männermieder den unvergesslichen Satz "Da fällt ein toter Vogel nicht aus dem Nest" geäußert. Da kann einem schon mal kurz schwummerig werden.
Schuld an der ganzen Misere waren Claudia und Jörn Wonneberger, wie könnte es auch anders sein. "Die Wonnebergers" sind ein "Designer-Ehepaar" das "in der Nähe" einer größeren Stadt im Sendegebiet des MDR Unterwäsche für Männer entwirft, mit der ihre Käufer vermutlich in jedem deutschen Swingerclub in der Nähe einer Autobahnabfahrt der King sind. So schwarze Sachen, die ein rot umrandetes Loch im Schritt haben und leuchten, als wären sie aus Hartschalenplastik. Zusammen mit etwas, das aussah wie ein extrem knapp sitzendes, sehr betrunkenes Ringerjersey, und einem silbernen Minirock für Männer war das alles im Studio an atmenden Modellen ("Die sind in einem Alter, da kann man alles tragen") oder einfach in den Händen der Talkrunde herumgereicht worden.
"Hier. Für dich, Matthias"
Zum Beispiel von Jaecki Schwarz. Als der das Teil mit dem Loch im Schritt mit den Worten: "Hier. Für dich, Matthias" grinsend an den links von ihm sitzenden ehemaligen Ministerpräsidenten von Brandenburg, den Herrn Platzeck, weiterreichte, war es das zweite Mal ums Publikum geschehen, das kurz lachen musste. Das erste Mal war 30 Sekunden vorher gewesen, als Schwarz, nachdem Herr Wonneberger ihm angeboten hatte, er könnte auch einen der Schlüpfer mitnehmen, antwortete: "Danke, aber lass mal. So große Ohren habe ich gar nicht."
Platzeck wollte, wohl wie immer auch wirtschaftspolitisch interessiert, noch wissen, "Wie verkauft sich das denn?" Frau Wonneberger wusste: "Sehr, sehr gut. Die Leute sind mutig." Woraufhin Jaecki Schwarz kurz nachfragte: "Also normale Leute? Oder nur Homosexuelle?" Womit er das Publikum ein drittes Mal enorm erheiterte, aber auch Kommentatoren auf die emanzipatorische Palme brachte.
Die schreiben jetzt Dinge wie: "Eine Frage, die im 21. Jahrhundert in keinster Weise mehr gedacht noch gestellt werden sollte" (Thüringen24). Echt? Nicht mal von 74-jährigen künstlerisch wertvollen, hoch ironischen Opis, die selber schwul sind und in einer Situation, in der sich Heteros gerade benehmen wie aufgescheuchte Nonnen circa 1861? Und die selbst von der Moderatorin mit "Entschuldigen Sie unser infatiles Gekreische" kommentiert wird?
Oder in der Co-Moderator Axel Bulthaupt, der mit seinem Partner in Leipzig lebt, einen der Slips mit spitzen Fingern hochhaltend, irgendwie im Ernst fragt: "Ist das auch pflegeleicht? … Da kommt jetzt die Hausfrau bei mir durch. Ich mein, wie wäscht man sowas denn?"
Wer will denn da "normal" sein?
Wer will denn da "normal" sein, heißt: sexnegativ, spießig und pubertär? Schwarz offenbar nicht. Besonders, wenn die Antwort der Designerin auf seine Frage ein etwas geplättetes, aber dafür komplett verkrampftes "Doch, das ist dann schon auch jeder Sexualität entsprechend" ist. "Das können alle Männer tragen, von 16 bis 100", behauptet ihr Mann noch. "Haben Sie das mal an einem Hundertjährigen ausprobiert?", hält sich Schwarz, einen weiteren Lacher des Publikums erntend, nun überhaupt nicht mehr zurück.
Und warum auch? Eine halbe Stunde vorher hatte er über seinen 74. Geburtstag im Februar und die damit verbundene Planung für seine Beerdigung gesagt: "Man nimmt jetzt keine Vorbestellungen mehr an." Und Gefangene macht man offensichtlich auch keine. Gut so.

Links zum Thema:
» Die ganze Sendung zum Nachsehen in der MDR-Mediathek
Mit diesem Scheiß belästigt dieser CSU-Rundfunk, Reiter lässt grüßen, den normalen Bürger und nutzt schamlos die sentimentale Empfänglichkeit der Bürger aus. Natürlich ist für den Thüringer das Kaffeetrinken am Samstagnachmittag wichtiger, auch können ruhig im Kyffhäuserkreis Arbeitslosenquoten von 30% grassieren (bereits manipuliert zum Positiven) , Hauptsache der Sturm auf das Rathaus in Wasungen am 11.11. findet statt und die schöne Sendung "Riverboat" mit dem Barklimperer am Klavier wird im Fernsehen gezeigt. Dabei wird das "wirtschaftliche Voranschreiten" Thüringens durch Präsentation der Besitzerin der Thüringer Bratwurstbude in Menteroda-Schacht vor dem Publikum ausgebreitet, weil sie einen neuen Arbeitsplatz mit schönem Minijob geschaffen hat für ihre darbende Cousine.
Diese Unterhosenshow passt hervorragend in die Vorstellungswelt der Thüringer Unions- und Alternativpolitiker. Da würde selbst Bernhard Grinsebacke, als abgehalfterter Ministerpräsident wieder munter werden, wenn er versuchen könnte mit dieser Reizwäsche einen jüngeren Lover aufzureißen.
Spaß beiseite, doch genau so sind die Bürger seit 30 Jahren erfolgreich verarscht worden. Nehmen wir den "Innovationspreis des Kyffhäuserkreises". Mit Riesenpomp fand die Preisverleihung im "Business Innovation Center" statt. Der 2. Preis ging an die Firma "Strickmoden Schadeberg" aus Bad Frankenhausen. Für die anwesenden Damen betonte der CDU-Landrat würde man auch im Anschluss an die Feierstunde eine Modenschau stattfinden lassen. Das stellt für die Macher von Riverboat eine geradezu wirtschaftliche Erektion dar.
Diese Form von Wirtschaftspolitik und deren Vermarktung ist entweder bodenloser Zynismus, weil man der Bevölkerung einen IQ von 30 zumisst, oder aber Ausdruck einer geistigen Haltung für die "Pepita" noch ein zu großes Karo darstellt.