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Moderne Klassiker

Zehn queere Bücher für die Heimquarantäne

Das Leben in Corono-Zeiten findet zwischen Sofa, Kühlschrank, Balkon und Badewanne statt. Mit diesen Romanen kannst du dir Zeit in den eigenen vier Wänden ganz hervorragend vertreiben!


Endlich mal wieder lesen… (Bild: Birdsong)
  • Von Paul Schulz
    16. März 2020, 10:50h 10 7 Min.

Es wird momentan darum gebeten, dass wir uns mit wenigen Menschen umgeben und hauptsächlich Zuhause aufhalten. Das Leben sollte nur zwischen Sofa, Kühlschrank, Balkon und Badewanne stattfinden. Für die eher introvertierten Queerlinge unter uns ist das ohnehin der wünschenswerte, sehr unterhaltsame Normalzustand, auch wenn gerade nicht Corona ist. Es können gerade alle viel von ihnen darüber lernen, wie man ein schönes Leben in den eigenen vier Wänden hat und was man da machen kann. Lesen zum Beispiel. Hier sind zehn queere, moderne Klassiker, die ihr jetzt (wieder)entdecken könnt.

David Levithan: Two Boys Kissing – Jede Sekunde zählt

Craig und Harry wollen ein Zeichen für alle schwulen Jungs setzen. Dafür küssen sie sich. 32 Stunden, 12 Minuten und 10 Sekunden. So lange dauert es, um den Weltrekord im Langzeitküssen zu brechen. So lange dauert es, sich über die Gefühle füreinander klarzuwerden, nachdem man sich doch eigentlich gerade getrennt hat. So lange dauert es, das Leben aller schwulen Pärchen in der Umgebung für immer zu verändern. Levithan, einer der besten schwulen Autoren der Welt, braucht keine 20 Seiten, bis man tief in seine Geschichte eintaucht, die einen griechischen Chor aus an den Folgen von Aids gestorbenen Männern hat, der das Geschehende aus dem Jenseits mit ihrer ganzen Liebe und unerfüllten Sehnsucht erzählt und kommentiert. "Two Boys Kissing" ist so schön, so vielfältig und so wahr, dass man vor Freude heult, und nachdem man fertig ist, sofort von vorne zu lesen anfängt. (Ausführliche Rezension auf queer.de )

Ronald M. Schernikau: Legende

Schernikaus Opus Magnum kann einen wahnsinnig machen und komplett empören, in seiner absolut rücksichtslosen, fantasiegetränkten, referenzgesättigten Grenzenlosigkeit. "Legende" ist stellenweise eine fantastische, in sich verschlungene Zumutung auf 1.300 Seiten! Aber, man will sowas auch: Ein Autor, der sich komplett vergisst und dann doch so wieder gar nicht, der organisiert und fließen lässt, der wirklich schlau und gegenwärtig kommentiert und dann total abdriftet. "Legende" ist eine riesige Freude und eine Goldmine für Humor, Merkwürdigkeiten und das gegenwärtigste Schreiben über Deutschland, obwohl Schernikau lange tot ist. Der Verbrecher Verlag hat mit dieser umfangreich kommentierten Neuausgabe eine Heldentat vollbracht. Danke!

Emily St. John Mandel: Das Licht der letzten Tage

Am Anfang von Mandels viertem Roman sterben 98 Prozent der Menschheit innerhalb weniger Wochen durch die "Georgische Grippe". Aber darum geht es eigentlich nicht. So kraftvoll wie die Kanadierin in ihrer Dystopie das zivilisationsbeendete Ereignis auch beschreibt, ihr eigentliches Interesse ist das Danach. Wie sieht es 20 Jahre später aus? Überleben Kultur und Feinsinnigkeit? Ist die Schönheit der Kunst eine der Grundlagen unserer Gesellschaft? Die "Symphonie der Reisenden", ein Straßenorchester aus Überlebenden, findet das heraus. Ein queerer, alternder Mann bewahrt die Welt im Nebenraum eines Provinz-Flughafens. Ein Filmstar stirbt schon auf den ersten Seiten, und trotzdem erfahren wir alles über sein Leben. Ein Prophet verliert den Verstand. Mandels vielfach preisgekrönter Welterfolg ist ein zartes, unglaublich poetisches und verdammt unterhaltsames Meisterwerk, das vor allem eins vermittelt: Hoffnung.

Ursula LeGuin: Die linke Hand der Dunkelheit

Die Bewohner des Planeten Gethen sind uns Menschen verblüffend ähnlich – mit einem Unterschied: Sie kennen keine zwei Geschlechter. In ihrer Kultur sind geschlechtsspezifische Machtkämpfe, wie wir sie kennen, nicht möglich. Doch es gibt andere Formen von Macht. Der bis heute bedeutendste und weit über die Science-Fiction hinaus prägende Roman über Geschlechterrollen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft hat LeGuin in den Siebzigerjahren zu einer Vorreiterin nicht nur ihres Genres, sondern der gesamten Weltliteratur gemacht. Er ist wunderbare, weltentrückende und sehr, sehr schlaue Unterhaltung. Als LeGuin vor zwei Jahren starb, hatten sich alle vorgenommen, dass hier endlich mal zu lesen. Jetzt aber!

Armistead Maupin: Stadtgeschichten

Maupins "Stadtgeschichten" haben inzwischen neun Teile aus vier Jahrzehnten, sind das Grundlagenwerk queerer Literatur und die Chronik queeren Lebens der letzten 50 Jahre. Wer wissen will, wie man eine Seuche beschreibt, übersteht und Gewinn aus ihr schlägt, folgt der berühmtesten trans Figur der Welt, Anna Madrigal, und ihrem schwulen, HIV-positiven Ziehsohn Michael Tolliver freudestrahlend über tausende von Seiten, die nicht unterhaltsamer und menschlicher geraten sein könnten. Sie sind auch eine Lehrstunde darüber, wie man als Autor gesellschaftliche Entwicklungen vorausahnt und von der Utopie in die Gegenwart übersetzt. Und ein blanker, fantastischer Lesegenuss! (Ausführliche Rezension des achten Bands)

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Madeline Miller: Das Lied des Achill

Miller ist eine junge Professorin für alte Geschichte und hat mit ihrem Debütroman "Das Lied des Achill" vor fünf Jahren die beste schwule Liebesgeschichte der letzten zehn Jahre geschrieben. Kein Witz: Das hier ist besser als "Call me by your Name". Millers Fassung der griechischen Sage über Achill und seinen Geliebten Patroklos begleitet die beiden von ihrer gemeinsamen Kindheit bis zu Achills Tod, ist anfüllt mit Göttern, Geschlechterwechseln, weisen Zentauren, bösen Meereshexen-Müttern und wunderschönen Sexszenen. Es regnete Preise, Kritiker*­innenlob und begeisterte Leser*­innen. Wer noch nicht hat, sollte jetzt unbedingt. Das hier gehört gelesen!

Elizabeth Gilbert: Das Wesen der Dinge und der Liebe

Gilbert hat als Literaturautorin den Nachteil, dass sie auch "Eat, Pray, Love" geschrieben hat. Was viele ernsthaftere Leser*­innen davon abgehalten hat, ihren zweiten Roman als das zu erkennen, was er verdammt nochmal ist: ein zutiefst queerer und komplett wunderbarer Meilenstein über eine alternde Wissenschaftlerin im 19. Jahrhundert, die so niveauvoll und ausgiebig masturbiert wie niemand vor ihr in der Literaturgeschichte, sich in engelsgleiche schwule Männer verliebt, in Tahiti queere Ureinwohner besucht, die Sklaverei bekämpft und sich ansonsten mit Botanik und der Fortpflanzung von Moosen beschäftigt. Klingt merkwürdig? Ist es! Was es auch ist: ein feministisches, schlaues, fantastisches Fest auf 700 Seiten, das man nicht weglegen kann, bevor man es verschlungen hat.

James Baldwin: Giovannis Zimmer

Keine Liebe ist jemals unschuldig. Im Paris der Fünfzigerjahre lernt David, amerikanischer Expat, in einer Bar den reizend überheblichen, löwenhaften Giovanni kennen. Die beiden beginnen eine Affäre – und Verlangen und auch Scham brechen in David los wie ein Sturm. Dann kehrt plötzlich seine Verlobte zurück. David bringt nicht den Mut auf, sich zu outen. Im Glauben, sich selbst retten zu können, stürzt er Giovanni in ein Unglück, das tödlich endet. James Baldwin brach mit "Giovannis Zimmer" 1956 gleich zwei Tabus: Als schwarzer Schriftsteller schrieb er über die Liebe zwischen zwei weißen Männern. Sein amerikanischer Verlag trennte sich daraufhin von ihm, seine Agentin riet ihm, er solle das Manuskript verbrennen. Heute gilt "Giovannis Zimmer" als Baldwins berühmtester Roman. Die jetzt vorliegende und sehr gelungene Neuübersetzung von Miriam Mandelkow erschien erst Ende Februar und hat ein sehr lesenswertes Nachwort von Sasha Marianna Salzmann. (Ausführliche Rezension auf queer.de)

Christopher Isherwood: Der Einzelgänger – A Single Man

Was könnte es Schöneres geben, als in einer Zeit, in der einem das Alleinsein quasi von Medizinern verordnet wird, einen Roman über einen Einzelgänger zu lesen? Die Handlung: ein Tag im November 1962. In einem Vorort von Los Angeles lebt George. Seit Jim, sein Freund, ums Leben gekommen ist, ist ihm "das amerikanische Utopia" die Hölle auf Erden. Mühsam schleppt er sich durch den Tag: Er gibt einen Kurs an der Uni, besucht seine beste Freundin, fährt durch die Gegend – vor allem aber seziert er in einem unaufhaltsamen Gedankenstrom seine Umwelt. Auch dieser Tag scheint vorüberzugehen wie all die anderen zuvor, bis George nachts am Strand einem Studenten begegnet. "A Single Man" ist Isherwoods bester, zutiefst berührender Roman, der von Einsamkeit und der Furcht vor dem Anderssein erzählt, dem Scheitern zwischenmenschlicher Kommunikation und einer Gesellschaft, die vor all dem die Augen verschließt. Was er auch ist: eine wunderbare, gleich doppelte Liebesgeschichte auf schmalen 160 Seiten. (Ausführliche Rezension auf queer.de)

Benjamin Alire Saenz: Alles beginnt und endet im Kentucky Club

Deutsche lesen ja bekanntlich keine Kurzgeschichten. Eine Schande! Besonders, weil in Benjamin Alire Saenz' "Alles beginnt und endet im Kentucky Club", mit dem er als erster Latinx-Autor überhaupt 2014 den PEN/Faulkner gewann, so unfassbare Sätze wie "Manche Menschen sind so schön, dass sie einfach genau da hingehören, wo sie sich gerade aufhalten" stehen. Mit dem nicht ganz Dutzend durch einen simplen Trick miteinander verwobenen Storys über die Liebe, das Leiden und die Lust an der US-Grenze zu Mexiko, haben deutsche Leser*­innen die Chance, einen queeren Autor zu entdecken, der es schafft, politisch und poetisch, feinfühlig und mit ungeheurer Wucht sinnlich und schlau zu schreiben. Und sich dabei berühren und königlich unterhalten zu lassen. Sie sollten es endlich tun!

Noch ein Hinweis: Die queeren Buchläden sind ein unersetzbarer Teil der Community in Deutschland und bieten während der Corona-Krise versandkostenfreie Lieferung bis zur Wohnungstür an. Kauft eure Bücher bitte dort, auch online, um sie zu unterstützen. Es darf gehamstert werden – zum Beispiel bei Eisenherz.

#1 zundermxeAnonym
  • 16.03.2020, 11:27h
  • Gutes Ding die Idee mit den Empfehlungen.

    Könnt Ihr oder wer vllt was empfehlen, das in die Richtung Jean Genet geht?
    Mein lieber und gebildeter Buch-Empfehler kann leider keine mehr geben und selbst bekomm ich das nicht hin.
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#2 FilipProfil
  • 16.03.2020, 11:45hHamburg
  • Vielen Dank für eure Empfehlungen und die Hinweise, wo man es bestellen kann!

    Empfehlen kann ich noch "Leb wohl, Berlin" auch von Christopher Isherwood.

    Und es gibt auch eine Buchreihe von Lucas Timm, die sich schmunzelnd und locker"wegliest". Ähnlich leichte und lustige Kost auch "Mami, warum sind hier nur Männer" von Volker Surmann.
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#3 FavoritAnonym
  • 16.03.2020, 15:58h
  • Eine Ergänzung hätte ich zu Benjamin Alire Saenz. Sein Buch "Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums" ist super und mein Favorit!
    Und Madeline Miller ist in der Tat Top 10 würdig! Hier kann ich das englischsprachige Hörbuch besonders empfehlen. Der Erzähler ist Frazer Douglas und der hat eine hervorragende Stimme!
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