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Gerichtsurteil
Homosexualität bleibt in Singapur verboten
Zum zweiten Mal scheiterten Aktivist*innen vor Gericht. Das gesetzliche Verbot homosexueller Handlungen bleibe "wichtig, um die öffentliche Meinung und die Überzeugungen widerzuspiegeln", heißt es im Urteil.

Jnzl's Photos / flickr) Im südostasiatischen Stadtstaat Singapur stehen auf homosexuelle Handlungen offiziell ein bis zwei Jahre Haft (Bild:
- 30. März 2020, 13:34h 2 Min.
Sex zwischen Menschen des gleichen Geschlechts bleibt in Singapur weiterhin verboten: Ein Gericht in dem südostasiatischen Stadtstaat wies am Montag mehrere Klagen von Aktivist*innen gegen ein entsprechendes Gesetz erneut ab. Damit scheiterte auch der jüngste Versuch, das aus der britischen Kolonialzeit stammende Verbot zu kippen.
Der High Court of Singapore wies alle drei Einsprüche mit der Begründung ab, der Paragraf 377a verstoße nicht gegen Gleichheit und Redefreiheit. Klageführer waren ein Arzt im Ruhestand, ein DJ und ein Anwalt. Bereits 2013 hatte das Gericht das Verbot aufrecht erhalten (queer.de berichtete).
Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1938
Zwar wird das Gesetz nur selten angewendet, lesbische und schwule Aktivist*innen argumentieren jedoch, dass es der zunehmend modernen und lebendigen Kultur des wohlhabenden Stadtstaates widerspricht. Das 1938 eingeführte Gesetz sieht eine Höchststrafe von zwei Jahren Gefängnis für homosexuelle Handlungen vor. Mit einer Strafrechtsreform 2007 wurden Oral- und Analsex für Heterosexuelle und Lesben legalisiert, allerdings wurden Schwule von dieser Reform ausgenommen.
Die Tatsache, dass das Gesetz selten angewendet wird, mache es nicht "überflüssig", befand das Gericht. "Die Gesetzgebung bleibt wichtig, um die öffentliche Meinung und die Überzeugungen widerzuspiegeln", heißt es in einer Zusammenfassung des Urteils.
Aktivist*innen "sehr enttäuscht"
Er sei "sehr enttäuscht", sagte ein Klägeranwalt vor Reporter*innen. "Diese Gesetzgebung ist so diskriminierend."
Der erneute Rückschlag durch die Justiz in Singapur steht in starkem Kontrast zu den Fortschritten, die in anderen Ländern der Region zuletzt in Bezug auf LGBTI-Rechte erzielt wurden. 2018 entkriminalisierte der Oberste Gerichtshof Indiens gleichgeschlechtlichen Sex, indem er die Gesetze aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft aufhob (queer.de berichtete). Im vergangenen Jahr öffnete Taiwan die Ehe für lesbische und schwule Paare (queer.de berichtete). (cw/AFP)

aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der §§ 216, 217 (175, 175a) eines neuen Strafgesetzuches (1962)
Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz. (...) Nicht darauf kommt es an, auf Grund welcher geschichtlichen Erfahrungen (gemeint: die in die Thora eingeflossene Einstellung der Juden zur Homosexualität zur Zeit Nebukadnezars II.) ein sittliches Werturteil sich gebildet hat, sondern nur darauf, ob es allgemein anerkannt wird und als Sittengesetz gilt.
aus der Begründung des Bundesverfassungsgerichts zur Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Homosexuellenverfolgung (1957)
Die letztere Stelle ist vor allem deswegen interessant, weil das Bundesverfassungsgericht damit klarstellt, dass nicht Menschenwürde und Grundrechte das deutsche Strafrecht prägen, sondern die zur Zeit Nebukadnezars schriftlich fixierte jüdische Mythologie. Dabei ist es wirklich was für Genießer juristischen Irrsinns, dass es den Verfassungsrichtern tatsächlich gelingt, den Ursprung der nationalsozialistischen Anschauungen zur Homosexualität ausgerechnet im Judentum zu verorten. Wie auch immer: Inhaltlich weiter ist man in Singapur auch noch nicht.