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Kunstfreiheit
CDU zweifelt an Denkmal für LGBTI in Düsseldorf
Der Bau eines Denkmals für den Kampf um queere Rechte war schon fast beschlossene Sache. Die CDU findet den siegreichen Entwurf des schwulen Künstlers Claus Richter nun allerdings "zweifelhaft". Er ist ihr ästhetisch zu rechts – oder zu links.

Konnte sich in einem Kunstwettbewerb durchsetzen: Claus Richters Entwurf für das LGBTI-Denkmal, das am Düsseldorfer Rheinufer errichtet werden soll (Bild: Claus Richter)
- Von Paul Schulz
11. April 2020, 08:31h 5 Min.
Claus Richter bleibt ruhig. Ob er Grund dazu hat, wird sich zeigen. Aber eigentlich ist die Geschichte auch nicht so kompliziert: Die Stadt Düsseldorf und das LSBTIQ+ Forum, in dem sich die queeren Initiativen der Stadt zusammen geschlossen haben, beschlossen im März 2018, irgendwo am Rheinufer ein Denkmal für verfolgte queere Menschen zu errichten. Macht Sinn, schließlich war Düsseldorf im Nationalsozialismus ein Zentrum der Homosexuellenverfolgung in Deutschland.
Die Kunstkommission der Landeshauptstadt lud 14 Künstler*innen ein, Entwürfe für das Denkmal einzureichen. Richter, der selbst schwul ist, erzählt: "Wir alle unternahmen einen langen Spaziergang durch die Stadt, um uns anzusehen, was es schon gab und was vielleicht noch fehlt. Dabei fiel mir auf, dass die meisten Monumente in Düsseldorf sehr kraftvolle Bronzestatuen sind, kämpferisch und mächtig. Und so etwas wollte ich auch für uns. Etwas, dass auf den ersten Blick vielleicht martialisch wirkt, aber seine Bedeutung verändert, wenn man näher rangeht."
Vier queere Kämpfer*innen mit gereckten Fäusten

Der Künstler Claus Richter (Bild: privat)
Richters Entwurf zeigt nun vier Personen, die wie Held*innen aussehen, die Fäuste kämpferisch gen Himmel gereckt, in Bewegung, offensichtlich bereit, in den Kampf zu ziehen, oder schon mitten im Getümmel. Mutig, selbstbewusst, keine Bittsteller, sondern Figuren, die etwas einfordern, das ihnen zusteht.
"Ja, das Vorbild waren schon die Kriegerdenkmäler in der Stadt", so der Künstler gegenüber queer.de. "Es ging und geht mir darum zu zeigen, dass da für etwas gekämpft wird, es eine Schlacht ist, an die da erinnert werden soll." Und es gehe auch um die Wehrhaftigkeit des Denkmals selbst. Das Berliner Mahnmal für die verfolgten Homosexuellen wird regelmäßig beschmiert oder beschädigt (queer.de berichtete). Richter wollte etwas schaffen, das schon von sich aus wehrhaft aussieht und sich in seiner Ästhetik Vandalismus widersetzt.
Außerdem sind seine Held*innen nicht eindeutig, wenn man ihnen näher kommt. Die männlichen Figuren haben feminine Züge, es wird mit Eindrücken und Rollen gespielt, das Rohe wird ironisch und gewollt gebrochen. Diese Vielschichtigkeit sah auch die Kunstkommission. Der Entwurf mit dem Titel "Ein seltsam klassisches Denkmal" war ein Erfolg, und Richter gewann den Wettbewerb.
"Auf der Abbildung sieht das Kunstwerk zweifelhaft aus"
Seine 1,70 Meter hohen Held*innen der Bewegung sollen nun bald auf einem Sockel, der sie zusätzlich erhöht, an einem noch zu findenden Ort am Rheinufer stehen. Allerdings nicht, wenn es nach der CDU geht. Denn die hat den Entschluss, das Denkmal zu bauen, fürs Erste verhindert. Richters Entwurf wurde im Kulturausschuss in Abwesenheit des Künstlers vorgestellt. CDU-Ratsherr Alexander Fils gab dabei zu Protokoll: "Auf der Abbildung sieht das Kunstwerk zweifelhaft aus." Was ihn zweifeln lässt: Die nach oben gestreckten und geballten Fäuste erinnerten ihn an die Bildsprache der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Und die sei damals unter anderem von links- und rechtsextremistischen Gruppierungen genutzt worden. Er müsse sich das Modell noch einmal näher ansehen, so Fils.
Das LSBTIQ+ Forum Düsseldorf kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Und wandte sich deswegen in einem offenen Brief an die Kulturpolitiker*innen. In dem es auch den Künstler in Schutz nimmt. Sprecherin Gabriele Bischoff: "Wir haben uns in einem Workshop mit 60 Teilnehmern intensiv Gedanken dazu gemacht, was eine solche Skulptur ausdrücken soll, und Claus Richter hat unsere Anregungen berücksichtigt."
Richter wurde inspiriert von Käthe Kollwitz
Richter erklärt im Interview mit queer.de seine Absichten auch noch einmal klar und deutlich: "Ich lebe in Köln, mein Atelier ist auch hier. Und das Käthe-Kollwitz-Museum. Ich liebe ihre Arbeiten und bin sehr oft da. Sie waren auch mit das, was ich bei der Arbeit an dem Entwurf im Kopf hatte." Macht ja Sinn: Das Werk einer der bekanntesten selbstbewusst bisexuellen Künstlerinnen der Welt als Grundlage für ein LGBTI-Denkmal zu benutzen: "Es geht mir um das Spielen mit Eindrücken. Darum, dass das Denkmal erst mal klassisch aussieht, aber sich beim Näherkommen für andere Sichtweisen öffnet."
Dass die CDU nun offenbar versucht ein Denkmal, das an politisch motivierte Verfolgung erinnern soll, wegen seiner impliziert politischen Botschaft in Zweifel zu ziehen, ist, wenn man näher rangeht, auch sehr vieldeutig – und seltsam klassisch. Denn zu der Tradition, auf die Richter sich in seinem Entwurf bezieht, gehören neben Kollwitz auch Menschen wie Ernst Barlach. Was ihnen gemein ist: Ihre Kunst war oft auch Ausdruck einer politischen Haltung. Einer humanistischen politischen Haltung. Diese anzuzweifeln, ist ein Statement in sich selbst. Die CDU will schon an die Verfolgung von LGBTI erinnern. Allerdings sollen die dabei wohl nicht zu kämpferisch, politisch und selbstbewusst auftreten. Wo käme man da hin…
Aber, wie gesagt, Claus Richter bleibt ruhig: "Das ist einfach Demokratie. Die Diskussion gehört für mich dazu und ist Teil eines Prozesses und der Arbeit. Ich würde mich freuen, den Entwurf noch einmal persönlich erklären zu können. Vielleicht haben ihn einige einfach noch nicht richtig verstanden. Dieser fortgesetzte Diskurs wird derzeit durch Corona verhindert. Was schade ist. Aber, das kann man ja nachholen."
Sorge darum, dass das Denkmal nicht gebaut werden könnte, macht er sich nicht. "Ich gehe im Moment davon aus, dass es passiert, aber es eben noch Gesprächsbedarf gibt. Das ist schon alles." Wollen wir hoffen, dass er Recht behält.
Links zum Thema:
» Das LSBTIQ+ Forum Düsseldorf zum geforderten Denkmal














