Im neuen Göttinger Tatort "National feminin" an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten bekommt es Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit Mordermittlungen im Umfeld von rechtsradikalen Studierenden zu tun, die einem überkommenen Frauenbild anhängen. Menschen, die die blonde deutsche Mutter oder Mutter in spe permanent von dunkelhäutigen angeblich sexwütigen Migranten bedroht sehen, deren Zuzug gestoppt werden müsse.
"Aus meiner Sicht als Feministin ist es herausfordernd, dass der Film das nach meiner Meinung in der Gesellschaft nicht angemessen behandelte Thema des Rechtsfeminismus beleuchtet", sagte die Schauspielerin am Telefon der Deutschen Presse-Agentur.
Vor den Dreharbeiten habe sie sich noch einmal mit dieser Bewegung befasst, erklärte Furtwängler. Widerstand gegen den Mainstream, sich in einer Subkultur wiederfinden und eine klare Verteilung unterschiedlicher Rollen von Mann und Frau seien wohl Beweggründe für junge Menschen, solcher Ideologie Glauben zu schenken.
Die Tote war Geliebte einer berühmten Professorin
Als niedersächsische Kommissarin Charlotte Lindholm sieht sich Furtwängler in "National feminin" einer sich so nennenden "Jungen Bewegung" gegenüber, nachdem die Studierende Marie Jäger (Emilia Schüle, "Ku'damm 59") tot und mit aufgeschlitzter Kehle im Göttinger Stadtwald gefunden wurde. Jäger war rechte Bloggerin sowie studentische Hilfskraft und – wie sich bald herausstellen soll – Geliebte der schillernd konservativen, mit einer Frau verheirateten Juraprofessorin Sophie Behrens (Jenny Schily, "Babylon Berlin"), die Verfassungsrichterin in Karlsruhe werden soll.
Wurde ermordet: Marie Jäger war mit ihrem Blog "National feminin" ein Star der jungen, rechten Szene (Bild: NDR / Frizzi Kurkhaus) Nach dem Drehbuch von Florian Oeller (Idee: Daniela Baumgärtl) präsentiert der Film von Franziska Buch ("Tatort: Das verschwundene Kind") dann Maries nationalistisch gesinnte WG-Clique: drei überaus verbissene Jungakademiker mit leeren Gesichtern. Davon durchdrungen, dass das Verbrechen nur ein Feind deutscher Frauen begangen haben kann. Der Polizei verweigern sie die Zusammenarbeit, weil sie ihr unterstellen, den wahren Täter gar nicht finden zu wollen. Wohl um bei Zuschauer*innen jeglichen Ansatz zu einer möglichen Identifikation im Keim zu ersticken, erscheint dieses Trio leider überdeutlich tumb gestrickt. Dafür überzeugen die wiederholten Einspielungen von Jägers Videoblog und des Internet-Shitstorms der rechten Szene umso mehr.
Ein "Tatort" auf der Höhe der Zeit
Mit einschmeichelnden Botschaften der hübschen jungen Frau einerseits und kruden Hasskommentaren auf Twitter und Instagram andererseits erscheint der Film, eine Produktion der Nordfilm im Auftrag des NDR für Das Erste, hier ganz und gar auf der Höhe der Zeit. Wie er es mit seinem Thema ja grundsätzlich sowieso ist. Das Drehbuch leidet jedoch an weiteren Vereinfachungen: So muss Lindholm gleich zweimal vor Kollegen statistiklastige Theorie-Vorträge über Gewalt gegen Frauen halten, um die Bedeutung des Gegenstands zu belegen.
Die lesbische Jura-Professorin Sophie Behrens ist die spannendeste Figur des Krimis. "Einerseits eine sehr unabhängige, intelligente Frau, die sich von niemandem vereinnahmen lässt, die gerne provoziert und sich selbst als Feministin sieht", so Schauspielerin Jenny Schily über ihre Rolle, die an die amerikanische Feministin Camille Paglia erinnert. "Andererseits vertritt sie fragwürdige Positionen und lässt sich von den nationalen Feministinnen feiern. Sie bleibt jemand, die schwer einzuordnen ist."
Ambivalente Figur: Jenny Schily als Jura-Professorin Sophie Behrens (Bild: NDR / Frizzi Kurkhaus)
Gleich in der ersten Szene des "Tatorts" gibt es eine Diskussion, ob jemand wie Sophie Behrens Bundesverfassungsrichterin werden darf. Schily selbst hält das für keine gute Idee: "Man weiß nicht, wo sie und ihre satten, zynischen, intellektuellen Freunde stehen. Sind sie demokratiemüde, sind sie mit dem Staat nicht zufrieden oder sind sie nur kritisch?", so die Schauspielerin. "Die Verführungskraft von Sophie Behrens liegt in ihrer Unabhängigkeit im Denken. Ich persönlich wäre mehr als skeptisch, so ein verantwortungsvolles Amt in ihre Hände zu legen." (cw/dpa)
Also, wenn das jetzt ein Mann wäre, dann würden Parteien quer durch die Bank ja einfach zustimmen.
www.queer.de/detail.php?article_id=32407
Aber wenn die Nazi-Position und Nazitum-Akzeptanz von Frauen vertreten wird, und ausnahmsweise mal so gar keine männlichen Nazis vorkommen, dann könnte sogar CDU/CSU-Wähler*innen der Gedanke kommen, dass Feinde von Menschenrechten im Verfassungsgericht vielleicht gar nicht nur kuschelig und eigentlich echt in Ordnung sind. Dann kann man darüber endlich mal so diskutieren, dass die Leute GEGEN eine solche Besetzung sind.
Das ist einfach so genial.
Und hat glücklicherweise auch gar nichts, absolut GAR nichts mit Misogynie zu tun.
Dabei ist sowas zu Frauen-Sichtbarkeits-Anlässen natürlich ganz besonders cool und wichtig. In Zeiten, in denen sich Meldezahlen zu an Frauen begangener häuslicher Gewalt (ausgeübt von Männern sämtlicher Hautfarben, oft mit demselben Herkunftshintergrund wie der Misshandelten) international so ungefähr verdoppeln, ist es wichtig, den Feminismus von seiner wahren Seite zu zeigen:
Als im Zweifelsfalle ziemlich kritische Bedrohung für den Rechtsstaat und die Verfassung.
Hachja, der öffentlich-rechtliche Rundfunk - stets geschickt darin, Schwerpunktthemen und Gedenkanlässe sinnvoll zu nutzen.
Zu "Hart aber Fair" könnte man auch echt mal wieder Gauland einladen, btw. Und ihn fragen, was er von der Folge hält. Über das Stadium, dass er dort von ihm selbst getätigte menschenfeindliche Parolen rechtfertigen müsste, sind wir inzwischen doch hoffentlich hinaus. Immerhin ist er keine Frau. Und von Männern kann man schließlich erwarten, klare Kante zu zeigen. Das MUSS man ja auch gar nicht sympathisch finden. Meinungen darf sich immerhin jede*r vollkommen für sich selbst bilden.