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Diyanet-Skandal
Staatshomophobie in Türkei "extrem besorgniserregend"
Human Rights Watch hat die Unterstützung von Präsident Erdogan für die Hasspredigt von Diyanet-Chef Ali Erbas scharf verurteilt. Ermittlungen gegen Kritiker müssten sofort eingestellt werden.

Recep Tayyip Erdogan ist seit 2014 Präsident der Türkischen Republik (Bild: World Humanitarian Summit / flickr)
- 2. Mai 2020, 05:12h 3 Min.
Nach homophoben Äußerungen des Chefs der türkischen Religionsbehörde Diyanet fordert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) die Regierung dazu auf, die Brandmarkung von Lesben und Schwulen zu beenden. In einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme hieß es: "Die Regierung der Türkei sollte sicherstellen, dass alle ihre Repräsentanten Abstand nehmen von Bemerkungen, die lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Menschen sowie Menschen, die mit HIV leben, stigmatisieren, und die sie dem Risiko aussetzen, verfolgt und angegriffen zu werden."
HRW kritisierte zudem die Unterstützung höchster Regierungskreise für "hasserfüllte" Äußerungen. Das sei "extrem besorgniserregend". Außerdem müssten die Ermittlungen gegen jene, die sich gegen solche "homophoben Stellungnahmen von Staatsbediensteten" aussprächen, sofort fallengelassen werden, forderte HRW weiter.
Erbas: Homosexualität lässt Generationen "verrotten"
Diyanet-Chef Ali Erbas hatte in einer Predigt zu Beginn des Fastenmonats Ramadan am vergangenen Freitag in der Türkei gesagt, dass Homosexualität Krankheiten mit sich bringe und Generationen "verrotten" (queer.de berichtete). Konkret behauptete Erbas, dass HIV durch Homosexualität erzeugt würde. Er kritisierte zudem Ehebruch und das Zusammenleben unverheirateter Paare. Er rief Gläubige zum gemeinsamen Kampf auf, Menschen vor diesen "Arten des Bösen" zu schützen.

Ali Erbas (li.) wurde 2017 von Präsident Erdogan zum Chef der staatlich-türkischen Religionsbehörde Diyanet gemacht
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Montag, Erbas' Aussagen seien "absolut richtig", ein Angriff auf den Leiter der türkischen Religionsbehörde Diyanet sei ein "Angriff auf den Staat". Gleichzeitig schränkte Erdogan ein, die Äußerungen des Chefs der Religionsbehörde seien nur bindend für Muslime. Auch Justizminister Abdulhamit Gül verteidigte Erbas.
Die Anwaltskammer in Ankara warf Erbas hingegen vor, Menschen herabzuwürdigen und zum Ziel von Angriffen zu machen. "Es sollte niemanden verwundern, wenn Ali Erbas bei seiner nächsten Rede das Volk dazu auffordern würde, auf öffentlichen Plätzen Frauen als Hexen zu verbrennen", heißt es in einer Stellungnahme. Die Oberstaatsanwaltschaft in Ankara hat daraufhin Ermittlungen gegen die Anwaltskammer der Hauptstadt eingeleitet, unter anderem wegen "Herabwürdigung religiöser Werte". Auch Politiker der prokurdischen HDP und der sozialdemokratischen CHP kritisierten Erbas.
AKP-Regierung heizt Diskriminierung an
In Deutschland verurteilten alle im Bundestag vertretenen Parteien die Hasspredigt des Diyanet-Chefs. Sie mache einmal mehr deutlich, "dass die Situation für LGBTI-Personen in der Türkei unverändert sehr schwierig, ja gefährlich ist", meinte Michael Roth (SPD), Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt (queer.de berichtete).
Homosexualität ist in der Türkei nach dem Strafgesetzbuch nicht verboten, sondern wurde bereits im Jahr 1858 legalisiert. Queere Aktivist*innen beklagen jedoch immer wieder Diskriminierung, die von der homophoben AKP-Regierung angeheizt wird. Die CSD-Parade im Zentrum Istanbuls war in den vergangenen Jahren verboten worden, Aktivist*innen gingen aber dennoch auf die Straße (queer.de berichtete). (cw/dpa)














