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In Tor Ibens neuem Film "Orfeos Traum" kommen sich zwei gutgebaute wie kaltschnäuzige Mittzwanziger aus Berlin – der eine heimlich schwul, der andere angeblich hetero – unter der Sonne Griechenlands näher.
Die Freunde Enis (Julien Lickert) und Philipp (Sascha Weingarten), beide Berliner Twens, stählen ihre Körper im Fitnessstudio. Beide frönen ganz demonstrativ dem Körperkult, und beide sind zunächst einmal diametral entgegengesetzte Charaktere.
Während Enis in einer eher unaufgeregten Hetero-Beziehung ebenso unaufgeregt lebt und mit mäßiger Ambition sein Studium verfolgt, faulenzt Philipp vor sich hin, ohne wirklichen Lebensplan, ohne Verve. Sein Geheimnis: Er ist schwul, und zu allem Überdruss hat er ein Auge auf Enis geworfen. Eine Reise nach Griechenland, genauer nach Korfu, die die beiden unternehmen, nachdem Philip diese bei einem Gewinnspiel gewonnen hat, führt zu einer allmählichen Annäherung.
Durchtrainierte Körper und ein verführerischer Jüngling
Kameramann Manuel Ruge setzt in "Orfeos Traum", dem neuen Spielfilm von Tor Iben ("Wo willst du hin, Habibi?"), einen ersten erotisch-konnotierten Akzent, wenn er die durchtrainierten Körper im Fitnessstudio minutenlang beim Exerzieren ins Bild setzt. Später marschieren die Protagonisten unter der glühenden Sonne Griechenlands pausenlos mit freiem Oberkörper durchs Bild.
Besonders lasziv: Als sie sich während eines Tagesausflugs verlaufen, treffen sie auf Herkules (die Freude des Filmemachers an der griechischen Mythologie lässt grüßen!), einen verführerisch Unbekannten in Form eines griechischen Jünglings. Mit ihm verbringen sie eine Nacht unter ausgelassener Alkohollaune in der Höhle. Außer dass beide am nächsten Morgen ihr Geld und Herkules los sind, passierte nicht viel; und fast schon rührend mutet es an, wenn Philipp sehnsuchtsvoll nah an Enis liegt, sich fast, aber nur fast an ihn schmiegt, so ganz platonisch halt in der Höhle.
"Orfeos Traum" legt viel Wert auf die Ausleuchtung stimmungsvoller Bilder sowie pittoreske Natur- und Landschaftsaufnahmen. Diese teilweise enigmatischen Bilder korrespondieren mit dem rätselhaften Umgang, den die beiden Männer miteinander pflegen. Während manchmal in Liebesfilmen unentwegt geflüstert, gesprochen, geschrien, geweint oder geschwiegen wird, pendelt sich das kommunikative Level der beiden im Prollbereich ein. Die Kaltschnäuzigkeit und Schnoddrigkeit beider geht Hand in Hand mit der unvermeidbaren Berliner Tristesse, die auch dem Wesen Philipps eingeschrieben ist.
Fragliche Anleihen an die griechische Mythologie
Die Grundkonstruktion der Story ist ein alter Hut, ein immer wieder abgerufenes Konzept, vielfach inszeniert, vielfach gesehen, vielfach bewundert. Geschichten wiederholen sich, Geschichten entwickeln hie und da bekannte wie gängige wieder erkennbare Paradigmen. Das gilt für das Leben wie die Kunst. Allerdings sollten die verschiedenen Varianten eines sich wiederholenden Mythos in der Summe plausibel sein – und etwas Besonderes, Erfrischendes, Komisches oder Tragisches, ja auch gerne etwas Brutales unter der oberen, für alle sichtbaren Erzählschicht herausarbeiten.
Orfeo ist der italienische Name für Orpheus; und Orpheus wiederum ist in der griechischen Mythologie jener Dichter und Sänger, der mittels seines Gesangs, sämtliche Wesen und Nicht-Wesen betören konnte. Nachdem es ihm nicht gelang – so der Mythos – seine Ehefrau Eurydike wegen einer klitzekleinen Nachlässigkeit aus der Unterwelt zu befreien, wendet er sich kurzerhand der Knabenliebe zu, was ihm die dann doch nicht so homofreundliche Antike mit dem Tod quittierte.
Tor Ibens Film ist – man muss es so sagen – nur an ganz wenigen Stellen wirklich betörend, und der wohlklingende Titel kann nicht so wirklich mit dem Mythos zusammengebracht werden. Immerhin: Die beiden Jungs überzeugen in ihrem Gestus und Spiel zumindest mit ihrer aufrichtigen wie authentischen Raubeinigkeit und verkörpern nicht irgendwelche bilderbuchhaften, gestylten Idealtypen.
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