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Streit um Gesetz gegen "Homo-Heilung"

Karl-Heinz Brunner attackiert LSVD

Die queerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion ist sauer auf den größten deutschen LGBTI-Verband, weil dieser das Gesetz zum Verbot der "Homo-Heilung" wegen seiner vielen Mängel ablehnt.


Karl-Heinz Brunner ist Chef des SPD-Bezirks Schwaben und seit 2013 Bundestagsabgeordneter – seit März 2019 ist er auch Sprecher seiner Fraktion für die Rechte von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)

Der SPD-Politiker Karl-Heinz Brunner hat den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in einem Kommentar im schweizerischen LGBTI-Magazin "Mannschaft" ungewöhnlich scharf angegriffen. Grund ist, dass der LSVD die Abgeordneten wegen mehrerer Unzulänglichkeiten im geplanten "Gesetz zum Schutz vor Konversionshandlungen" dazu aufgefordert hatte, die Zustimmung zu verweigern. Der Entwurf soll am Donnerstagnachmittag vom Plenum des Bundestages beschlossen werden.

Der LSVD hatte vergangene Woche drei Kritikpunkte am Gesetz genannt und erklärt, dass sich damit die Gesetzeslage für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten sogar in Teilen verschlechtere (queer.de berichtete). Insbesondere der LSVD-Vorwurf, dass "das Gesetz offenbar ins Leere laufen soll", empörte Brunner. Dies sei "eine Falschbehauptung und eine böswillige noch dazu", so der 67-jährige Abgeordnete in "Mannschaft". Sarkastisch fügte er hinzu: "Vielleicht wird alles über Nacht besser, wenn andere Parteien in der Regierung sind".

Brunner: LSVD-Behauptung "kühn"

Ein Hauptkritikpunkt des LSVD und eines Teils der Bundestagsopposition ist, dass über 18-Jährige von ihrer Homo- und Transsexualität offiziell "geheilt" werden dürfen, sofern sie der "Behandlung" zustimmen und diese Einwilligung nicht "auf einem Willensmangel beruht". Hier argumentierte der LSVD, dass laut Ärzten und Psychologen Homo- und Transsexualität nie geheilt werden könne und dadurch die Einwilligung immer durch Täuschung erschlichen werde. Auf dieses Argument ging Brunner nicht direkt ein, sondern polterte: "Jedem volljährigen Menschen zu unterstellen er litte unter einem Willensmangel, wenn er so einen Blödsinn ins Auge fasst, ist zumindest kühn."

Der LSVD hatte außerdem kritisiert, dass Eltern laut dem Gesetzentwurf ausdrücklich keine Strafe befürchten müssten, wenn sie ihre homo-, bi- und transsexuellen Söhne oder Töchter "heilen" wollen. Dieser Passus war auch von Oppositionsfraktionen scharf kritisiert worden. So hatte die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, vergangenen Monat bereits erklärt: "Diese Straffreistellung suggeriert, dass Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte Konversionsbehandlungen durchführen können, ohne dabei ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich zu verletzen." Aktivist*innen warnen davor, dass damit erstmals in Gesetzesform festgeschrieben sei, dass Eltern ein Recht auf "Heilung" ihrer queeren Kinder hätten.

"Der Druck ist doch schon da"

Brunner erklärte zu dieser Problematik, dass die aktuelle Lage gefährlicher sei: "Dass diese Regelung die Gefahr [schafft], dass an ["Konversionsmaßnahmen"] interessierte Strukturen ihren Druck auf Fürsorge- und Erziehungsberechtigte – quasi erst aufgrund dieses Gesetzes –  erhöhen, kann ich nicht sehen. Der Druck ist doch schon da! Und ohne Gesetz noch mehr!"

Auch die LSVD-Kritik, dass Versuche von "Homo-Heilung" im Gesetz mit dem positiven Begriff "Behandlungen" umschrieben werde, wies Brunner unwirsch zurück. "Wollen wir diesen menschenverachtenden Unsinn endlich beenden oder ist uns die Begrifflichkeit wichtiger?", so der schwäbische Sozialdemokrat.

/ BrunnerGanzOhr
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"Gesetz ist ein wichtiger erster Schritt"

"Das vorliegende Gesetz ist ein wichtiger erster Schritt", erklärte Brunner. Er nannte fünf Punkte, die zu einem späteren Zeitpunkt im Gesetz ergänzt werden müssten. Dabei handelt es sich um die Erhöhung des Schutzalters, die Erhöhung des Strafmaßes, die effektive Durchsetzung von Berufsverboten von "Homo-Heiler"-Wiederholungstätern, die Schaffung von guten Beratungsangeboten und die Aufforderung an Religionsgemeinschaften, die "Konversionstherapien" zu ächten.

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Angst vor Wiederholung der TSG-Hinhaltetaktik

In der Frage über den Weg zu einem solch umfassenden Gesetz gibt es zwischen dem Parteipolitiker Brunner und LSVD-Aktivist*innen unterschiedliche Meinungen. Denn aus dem Verband befürchtet man, dass nach dem Beschluss des aktuellen Gesetz wohl erst einmal Nachbesserungen in den nächsten Jahren ausgeschlossen seien. Ein Beispiel für die Trägheit des Gesetzgebers ist das Transsexuellengesetz (TSG): Obwohl es 40 Jahre alt, nach einhelliger Meinung völlig veraltet und in Teilen verfassungswidrig ist, gibt es keine Reform; dabei ist der Leidensdruck vieler Transmenschen aufgrund des Gesetzes groß und Expert*innen fordern seit Jahren massive Änderungen (queer.de berichtete). Zudem hatten Politiker wechselnder Regierungen am Anfang mehrerer Legislaturperioden angekündigt, das Problem anzugehen – die christlich-liberale Regierung versprach etwa 2009 in ihrem Koalitionsvertrag, das Gesetz "auf eine neue zeitgemäße Grundlage [zu] stellen, um den betroffenen Menschen ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen" (queer.de berichtete). Geschehen ist freilich nichts. Auch die aktuelle schwarz-rote Regierung hat die Reform letztes Jahr mal wieder auf Eis gelegt (queer.de berichtete).

Brunner ist aber überzeugt, dass der Gesetzentwurf der Großen Koalition zur "Homo-Heilung" ein Schritt in die richtige Richtung sei: "Politik ist zäh, mühsam, manchmal nervig und Fortschritt erringt man Schritt für Schritt. Dieses Gesetz wird ein Fortschritt. Und deshalb stimmt die SPD dafür."

-w-

#1 AnonymAnonym
  • 05.05.2020, 12:59h
  • Ins Leere? Was denn bitte sonst als das? Was anderes geht in Deutschland auch gar nicht.

    Eine gefühlte Mehrheit in Deutschland erkennt die Ehe für Alle nicht ein, Gerichte erkennen das sich ebenfalls ins Leere laufende AGG nicht an, Bildungseinrichtungen erkennen den Art. 12 GG nicht an, Bundesländer erkennen Taten mit homophobem Hintergrund nicht als solche an, usw..

    Den Letzten beißen die Hunde!
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#2 Nk231Anonym
  • 05.05.2020, 13:30h
  • Antwort auf #1 von Anonym
  • Guter Kommentar, genau so ist es.

    Und tatsächlich kann es einen Wissensmangel bei 19 Jährigen geben, wenn das Elternhaus christlich geprägt ist, wo ja Homo- und Trans-Heilung vorwiegend beworben und geradezu gefordert wird.

    Und die Begrifflichkeiten sind bei Gesetzen äußerst wichtig, denn Schludrigkeit kann in juristischen Fällen sonst gegen das Opfer verwendet werden, das soll ja hoffentlich vermieden werden, oder wie stellen Sie sich das sonst vor, Herr Brunner?

    Das mit dem Alter ist auch nicht in Ordnung.

    Ich würde dem Gesetz, so wie es gerade ist, wenn ich Politikerin wäre, nicht zustimmen.
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#3 AmurPride
  • 05.05.2020, 14:45hKöln
  • Da ist wohl jemand eingeschnappt, weil er doch tatsächlich auf Applaus und Anerkennung für sein Stück "Arbeit" gehofft hatte....
    Und nun sagen ihm alle Betroffenen: "Das ist furchtbar schlecht gemacht!"
    Na ja, dann greift man halt auf das gute altbekannte politische Strickmuster zurück und erklärt die Betroffenen einfach mal eben "schupp die wupp" für sowohl inkompetent als auch undankbar!
    Nicht mit mir!^^
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