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"Schlecht umgesetzt"
Grüne wollen Gesetz gegen "Homo-Heilung" ihre Zustimmung verweigern
Am Donnerstag stimmt der Bundestag über das Gesetz gegen "Homo-Heilung" ab, das wegen vieler Ausnahmen umstritten ist. Die Grünen haben angekündigt, den Entwurf nur nach Änderungen zu unterstützen.

Die Grünen hatten 2013 als erste Fraktion einen Antrag auf Verbot von "Konversionstherapien" gestellt – sieben Jahre später sind sie enttäuscht, dass der Entwurf der Bundesregierung zu löchrig ist (Bild: Bündnis 90 / Die Grünen NRW)
- 6. Mai 2020, 08:32h 3 Min.
Die queerpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag hat am Mittwoch erklärt, dass ihre Fraktion dem Entwurf der Bundesregierung zum Teilverbot der "Heilung" Homo- und Transsexueller nicht zustimmen könne. Ulle Schauws argumentierte, die augenblickliche Fassung des "Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen" (PDF) sei "enttäuschend". Ihre Fraktion habe daher zwei Änderungsanträge (PDF, PDF) eingereicht, um die Defizite des Gesetzentwurfes zu beheben.
"Die Bemühungen der grünen Bundestagsfraktion, die Kritik aus der Zivilgesellschaft und die des Bundesrates, den Gesetzentwurf wirkungsvoll zu gestalten, scheinen bedauerlicherweise keine Wirkung gebracht zu haben. Auch die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss wurden ignoriert", resümierte Schauws.
Ausnahmeregelungen für über 18-Jährige sowie homo- oder transphobe Eltern

Ulle Schauws bei einer Rede im Plenum vor Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
Konkret kritisierten die Grünen insbesondere zwei Punkte: Nur Jugendliche werden ausdrücklich vor "Homo-Heilung" geschützt. Bei älteren darf die archaische Praxis laut dem Entwurf ausdrücklich durchgeführt werden, sofern diese zustimmen und die Einwilligung nicht "auf einem Willensmangel beruht". "Mindestens bei jungen Menschen in der Altersgruppe zwischen 18 und 26 Jahren muss es aber einen vergleichbaren Schutzbedarf wie bei Minderjährigen geben", forderte Schauws. "Das zeigen gerade die Coming-out-Verläufe und familiäre Abhängigkeiten von jungen Erwachsenen."
Zweitens steht in der Kritik, dass sogar queere Jugendliche laut dem Gesetz ausdrücklich "geheilt" werden dürfen – im Gesetzentwurf gibt es dazu Ausnahmeregelungen für Eltern oder Erziehungsberechtigte. Dies könne laut Schauws dazu führen, "dass Jugendliche weiter unter enormen Druck geraten". Daher fordere ihre Fraktion, "dass der Gesetzentwurf Jugendliche auch vor dem Druck aus ihrem Umfeld schützt – und zwar ausnahmslos".
Schauws verwies darauf, dass auch LGBTI-Organistaionen Verbesserungen angemahnt hätten. "Es wäre sehr schade, wenn dieses Vorhaben, den wir 2013 mit einem ersten Gesetzentwurf initiiert haben, durch schlechte Umsetzung scheitert", erklärte die Bundestagsabgeordnete aus Krefeld.
Scharmützel zwischen LSVD und SPD
Insbesondere der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, die größte und bedeutendste LGBTI-Organisation des Landes, hatte den Entwurf der Bundesregierung scharf attackiert. Der LSVD erklärte vergangene Woche, dass das Gesetz in seiner aktuellen Fassung "offenbar ins Leere laufen soll" (queer.de berichtete). Das führte zu einer harschen Reaktion des queerpolitischen SPD-Sprechers: Karl-Heinz Brunner warf dem Verband vor, eine "böswillige" Falschbehauptung in die Öffentlichkeit zu tragen (queer.de berichtete). Auf diese Kritik reagierte der LSVD via Twitter leicht irritiert mit den Worten: "Man kann diese Kritik jetzt böswillig und falsch finden oder aber erklären, warum man auf die große Mehrheit der Sachverständigen nicht hören wollte oder konnte."
/ lsvdMan kann diese Kritik jetzt böswillig und falsch finden oder aber erklären, warum man auf die große Mehrheit der Sachverständigen nicht hören wollte oder konnte.
LSVD-Bundesverband (@lsvd) May 5, 2020
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Über den Entwurf und die Änderungsanträge der Grünen wird das Plenum des Bundestages voraussichtlich am späten Donnerstagnachmittag abschließend abstimmen. Es gilt als sicher, dass der Entwurf durchkommt, weil sich die Fraktionen von Union und SPD im Vorfeld auf ein "Ja" geeinigt haben. Die Anträge der Grünen werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Widerstand der Regierungsfraktionen scheitern. Dabei hatte Brunner erklärt, dass er eigentlich diese Änderungen befürworte, diese aber mit dem Koalitionspartner nicht durchzusetzen seien. Er sehe die Verabschiedung des Gesetzes aber als "wichtigen ersten Schritt" an und hoffe, das Gesetz in naher Zukunft verbessern zu können.
Experten-Organisationen wie der Weltärztebund sind übrigens bereits weiter als die Politik: Die internationale Vereinigung von über 100 nationalen Ärzteverbänden hatte bereits vor sieben Jahren in einer offiziellen Stellungnahme erklärt, dass "Homo-Heilung" für alle – nicht nur für Jugendliche – schädlich sei. Menschen, die sich dieser Tortur unterzogen hätten, hätten ein größeres Risiko an Depressionen zu leiden, Drogen zu missbrauchen oder zu versuchen, sich das Leben zu nehmen (queer.de berichtete). In einer Erklärung der Organisation wird Homosexualität als "natürliche Variation menschlicher Sexualität ohne direkt daraus resultierende schädliche Auswirkungen" beschrieben. (dk)















Ein Gesetz, das nur "Homoheilung" aus der Grauzone holt, aber die Opfer dieser Machenschaften nicht schützt und den Druck auf Minderjährige sogar noch erhöht, ist eine Pervertierung der ursprünglichen Idee.
Ich hoffe, dass auch FDP und Linke sich anschließen und dieses Gesetz, das von allen Experten abgelehnt wird, noch gestoppt werden kann.