Unter dem Titel "rbb QUEER" präsentiert das rbb Fernsehen zum dritten Mal seine Filmreihe jenseits der Hetero-Norm: großes Kino mit Liebesgeschichten, Coming-of-Age-Filmen und Beziehungsdramen. Vom 18. Juni bis zum 6. August laufen donnerstags am späten Abend insgesamt acht queere Filme, sieben davon als deutsche Erstausstrahlung. Alle Filme wurden in den vergangenen Jahren auf queer.de vorgestellt.
"Der Christopher Street Day hat eine lange und stolze Tradition in Berlin. Ein Sommer ohne ihn in gewohnter Form ist kaum vorstellbar", erklärte rbb-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus zu "rbb QUEER" in einer Pressemitteilung des öffentlich-rechtlichen Senders. In der Coronakrise sei die Filmreihe "vielleicht ein kleiner Trost für die Community und unser Publikum in dieser Zeit". Unmittelbar vor jeder Ausstrahlung stellt rbb-Filmexperte Knut Elstermann die cineastischen Highlights vor und liefert Hintergrundinformationen zu ihrer Entstehung und Rezeption.
Starke weibliche Blicke und Festivallieblinge
Den Auftakt der Reihe macht am 18. Juni um 23.35 Uhr der preisgekrönte Coming-of-Age-Film "Siebzehn". In ihrem Regiedebüt zeigt Monja Art das Teenagersein in der österreichischen Provinz als Achterbahnfahrt der Gefühle und in einer Ansammlung von amourösen Minidramen, in denen lesbisches Verliebtsein für genau so viel Verwirrung sorgt wie heterosexuelles. "Siebzehn" wurde beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2017 als Bester Film ausgezeichnet. "Sensibel, entschlossen, wunderbar", urteilte die Jury.
Starke weibliche Blicke bestimmen die Reihe. Vier der Filme sind von Regisseurinnen, bei ebenso vielen Filmen haben Frauen die Kamera geführt. In "Beach Rats" (2. Juli, 23.25 Uhr) erzählt die US-amerikanische Regisseurin Eliza Hittman, auch mithilfe der düster-verträumten Kameraarbeit von Hélène Louvart, eine Geschichte von schwulem Erwachen auf Coney Island. Dort sind Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität ebenso Alltag wie eine oft einseitige Vorstellung von Männlichkeit. Für ihr poetisch-realistisches Coming-of-Age-Drama wurde Hittman beim Sundance-Filmfestival 2017 mit dem Regie-Preis ausgezeichnet. Bei der diesjährigen Berlinale erhielt sie für "Niemals Selten Manchmal Immer" den Großen Preis der Jury.
Regisseurin Catherine Corsini führt die Zuschauerinnen und Zuschauer in ihrem Sommerfilm "La belle saison – Eine Sommerliebe" (9. Juli, 23.30 Uhr) ins ländliche Frankreich der Siebzigerjahre. In strahlenden Bildern schildert sie die Liebesgeschichte zweier junger, gegensätzlicher Frauen zwischen Leidenschaft und konservativen Moralvorstellungen in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs.
Die lesbische Liebesgeschichte "La belle saison – Eine Sommerliebe" läuft am 9. Juli im rbb-Fernsehen (Bild: Alamode Film)
Widerständiges Kino
Aus Frankreich kommt auch der widerständigste Film der Reihe: Auf Basis persönlicher Erfahrungen erzählt Regisseur Robin Campillo in "120 BPM" (25. Juni, 23.25 Uhr) von einer Gruppe junger Aids-Aktivistinnen und -Aktivisten im Paris der Neunzigerjahre. In seinem mitreißenden Zeitstück, das in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, begegnet das schwule Liebespaar der damals weit verbreiteten politischen und gesellschaftlichen Ignoranz gegenüber HIV/Aids mit entschiedener Gegenwehr und einem unbändigen Willen zu leben. In einer Nebenrolle ist Frankreichs Starschauspielerin Adèle Haenel zu sehen.
Leiser, aber dabei nicht weniger stürmisch, hat der brasilianische Coming-of-Age-Film "Heute gehe ich allein nach Hause" (16. Juli, 23.35 Uhr) sein Publikum erobert, als er auf der Berlinale 2014 mit dem Teddy-Award für den Besten Spielfilm ausgezeichnet wurde. Daniel Ribeiros charmanter Film über einen blinden Teenager, der sich das erste Mal verliebt, begeisterte auch international Kritik und Publikum.
Von Vorpommern um die ganze Welt
Haben sich die ersten beiden Staffeln von "rbb QUEER" vor allem mit europäischen Perspektiven beschäftigt, führt die Reihe dieses Jahr um die ganze Welt. Die filmische Reise geht dabei nicht nur nach Österreich, Frankreich, Brasilien und die USA, sondern auch nach Kuba, wo "Viva" (23. Juli, 23.30 Uhr) spielt. Einfühlsam erzählt der irische Regisseur Paddy Breathnach vor der Kulisse der pulsierenden Metropole Havanna, wie ein queerer Junge und sein Vater nach langer Trennung ausgerechnet in einer Dragbar wieder zueinander finden. In Stefan Butzmühlens poetischem Seefahrerfilm "Lichtes Meer" (30. Juli, 23.30 Uhr) treibt der Ruf der Ferne einen jungen Mann aus Vorpommern auf ein französisches Containerschiff mit Ziel Martinique – und in die Arme eines geheimnisvollen Matrosen.
Unter welch massiven Repressionen queere Menschen an vielen Orten der Welt noch immer leiden, erzählt schließlich der Abschlussfilm der Reihe, das lesbische Liebesdrama "Rafiki" (6. August, 23.35 Uhr) aus Kenia. In seinem Heimatland, wo Homosexualität noch immer unter Strafe steht, wurde der Film zunächst mit einem Aufführungsverbot belegt, das erst nach einer Klage der Regisseurin Wanuri Kahiu gelockert werden konnte. "Rafiki" erzählt von zwei jungen Mädchen, die entschlossen gegen Homophobie, religiöse Dogmen und die Strenge der Eltern aufbegehren. Ein mitreißender Film, der vor Freiheitsliebe und Lebensfreude in strahlenden Farben leuchtet.
Die Edition Salzgeber, aus deren Verleih die meisten Filme stammen, lobte den rbb für die queere Filmreihe: "Ein lesbischer Liebesfilm einer jungen Regisseurin aus Kenia, ein Vater-Sohn-Drama aus Kuba, ein brasilianischer Coming-of-Age-Film über einen blinden Jungen, ein Film über die Aids-Aktivist*innen von ACT UP im Frankreich der frühen Neunziger – so vielfältig wünsche ich mir das deutsche Fernsehen", erklärte Geschäftsführer Björn Koll. "Weiter so! Vergessen wir nie, wie bunt, schön und divers diese Welt eigentlich ist bzw. sein könnte." (cw/pm)