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Diskriminierender Begriff
Auch in der "Kronen Zeitung" ist das "Homosexuellen-Milieu" lebendig
Seit Jahren appellieren queere Aktivistinnen und Aktivisten an die Medien, diskriminierende Begriffe wie "Homosexuellen-Milieu" nicht mehr zu verwenden. Dem größten österreichischen Boulevardblatt ist das offenbar wurscht.

Die "Kronen Zeitung" schreibt über einen angeblichen Hetero, der ins verruchte "Homosexuellen-Milieu" eintaucht – und verbreitet damit Vorstellungen aus alten Zeiten (Bild: krone.at)
- 7. Mai 2020, 11:47h 3 Min.
Begriffe wie "Homo-Milieu", "Homosexuellen-Milieu" oder "Schwulen-Milieu" verunglimpfen laut dem Bund Lesbischer & Schwuler JournalistInnen (BLSJ) sexuelle Minderheiten pauschal. Darauf hatte der Verband nach tendenziöser Berichterstattung im Mordfall Rudolph Moshammer bereits vor mehr als 15 Jahre hingewiesen (queer.de berichtete). Doch noch immer lebt der Begriff besonders in der Boulevardpresse weiter.
Ein Beispiel ist die "Kronen Zeitung", das österreichische Äquivalent zur deutschen "Bild". Das auflagenstärkste Boulevardblatt der Alpenrepublik hat das "Milieu" am Mittwoch sogar in eine Überschrift gepackt: "Blutige Eskalation – Ausflug ins Homosexuellen-Milieu endet mit Prozess", so der reißerische Titel. Darunter hieß es: "Ein Ausflug ins Homosexuellen-Milieu endete für einen Familienvater vor Gericht: Anklage Mordversuch."
In der Geschichte geht es um einen Wiener Koch, der angeblich mal gleichgeschlechtlichen Sex ausprobieren wollte. Nachdem er sich via Datingapp mit einem anderen Mann verabredet hatte, habe er kalte Füße gekriegt und dem Gegenüber eine Weinflasche über den Kopf zertrümmert. Er soll außerdem gedroht haben, seinen Widersacher zu töten. Das Urteil der äußerst nachsichtigen Richterin: 960 Euro Geldstrafe wegen Körperverletzung.
Mit dem Beschwören des "Homosexuellen-Milieus" erwecken Medien wie die "Kronen Zeitung" nach Ansicht vieler Aktivist*innen den Eindruck, dass es sich bei der Lebenswelt von Schwulen und Lesben pauschal um einen kriminellen Zirkel handelt – schließlich wird damit ein Zusammenhang mit verruchten Begriffen wie "Rotlichtmilieu" hergestellt. Den Begriff "Heterosexuellen-Milieu" gibt es hingegen nicht.
"Dieser Terminus ist sprachlicher Unsinn"
Der BLSJ erklärte 2013 in seinem Ratgeber "Schöner schreiben über Lesben und Schwule" (PDF) über das "Homosexuellen-Milieu": "Dieser Terminus ist sprachlicher Unsinn. Was oder wo soll dieses Milieu denn sein: die Stadt Köln, der Eurovision Song Contest oder gar das Amtszimmer einer lesbischen Politikerin? Solche Phrasen verunglimpfen Homosexuelle kollektiv, ganz so, als wären Lesben und Schwule wie Kriminelle in einer Art Rotlichtviertel organisiert. Kaum jemand würde über eine 'Gewalttat im Lehrermilieu' oder einen 'Doppelmord im Hetero-Milieu' berichten." Statt über einen "Mann aus dem Homosexuellen-Milieu" sollte schlicht über "einen Schwulen" berichtet werden, fordert der BLSJ in seiner Infobroschüre für Journalistinnen und Journalisten.
Trotz dieses gebetsmühlenartig wiederholten Ratschlags ist das "Homo-Milieu" bis heute in deutschsprachigen Medien quicklebendig. Anfang des Jahres verwendete sogar das altehrwürdige ZDF den Begriff (queer.de berichtete). Immerhin: Letztes Jahr hatte die Kölner Polizei nach Gesprächen mit dem BLSJ versprochen, den diskriminierenden Begriff künftig zu ächten (queer.de berichtete).
Twitter / BLSJdeWährend @polizei_nrw_k versprochen hat, in Pressemitteilungen nicht mehr vom #Homosexuellenmilieu zu schreiben, läuft es beim Kölner Stadt-Anzeiger noch nicht ganz rund: Der Tod eines … Mannes aus dem #Schwulenmilieu …https://t.co/XQWdtXvo18@kstade, @ksta_koeln pic.twitter.com/2nqvbTWNsZ
BLSJ.de (@BLSJde) November 20, 2019
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Es ist nicht das erste Mal, dass sich die "Kronen Zeitung" gegenüber Homosexuellen im Ton vergreift. Letztes Jahr wurde das Blatt sogar vom Presserat gerügt, weil ESC-Siegerin Conchita Wurst in einem Kommentar als "verhaltensgestört" und "krank" bezeichnet wurde (queer.de berichtete). (dk)

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