Kommentare
Noch keine Kommentare.
Tino ist Lkw-Fahrer und offen schwul, sein einst bester Freund Antò steigt in seinen Truck und nicht mehr aus: "Drive Me Home" ist ein sehr ästhetisches Roadmovie über Vergangenheitsbewältigung und Freundschaft in einem ungewohnten Milieu.
Gemütlich, ganz gleichmäßig schaukelt der "Vulkaan" über Europas Autobahnen. Der Lkw ist Tinos ganzer Stolz. Ein schwarzer Mercedes-Truck, rote Flammen an den Seiten, teufelsrot leuchtet der flämische Name in der Frontscheibe. Ein Lkw mit eindeutiger, fast kämpferischer Message, der über den Kontinent rauscht, immer eine Deadline im Nacken.
Mit an Bord: Tinos (Marco D'Amore) bester Freund aus Kindertagen Antò, gespielt von Vinicio Marchioni. Seit Jahren haben sie sich nicht gesehen. Sie haben sich völlig aus den Augen verloren, nachdem Tino einfach aus dem sizilianischen Dorf verschwunden ist. Antò hat sich schließlich auf die Suche gemacht, hat Tino auf einem Rastplatz gefunden, und weil er sonst keinen anderen Plan hatte, ist er eingestiegen.
Was für ein Swingerclub!
So sitzen sie im "Vulkaan", dessen Fahrerhaus dann doch ganz schön eng wird. So eng, dass sie unweigerlich über die Vergangenheit sprechen müssen, streiten müssen. Irgendwas war da, irgendetwas muss geschehen sein, was beiden Freunden keine Ruhe lässt. Noch behalten sie es für sich.
Ihr Weg führt sie von Brüssel nach Antwerpen, wo sie die Nacht in einem Swingerclub verbringen. Und zwar in was für einem – eine üppige Sauna mit riesigem Pool. Es ist düster, verschwommen, das Licht ist dunkelblau-violett, die Körper werden schemenhaft, man hört entferntes Stöhnen aus den Ecken und Winkeln. Während Antò sich mit zwei Frauen im Pool vergnügt, hat Tino einen Mann gefunden.
Zwei Männer auf dem Weg zur Selbstfindung
Überhaupt, die Farben: Nach der durchswingerten Nacht muss Tino ohne Pause durchfahren, um die verlorene Zeit aufzuholen. In der Nacht leuchtet sein "Vulkaan" noch roter, noch gefährlicher, die Kamera von Paolo Ferrari macht dessen Nachnamen alle Ehre. Fast wie bei einem Autorennen folgen wir dem Lkw durch die teils engen Kurven.
Später wird das Roadmovie "Drive Me Home" stellenweise sogar essayistisch und genießt die Landschaft. Genretypisch sind hier zwei Männer auf dem Weg, um zu sich selbst zu finden, eine Reise mit konkretem wie abstraktem Ziel. Rückblenden entführen uns in die gute, alte Zeit auf Sizilien, als die Jungs bei der Olivenernte kräftig die Bäume geschüttelt haben.
Das Drehbuch hätte mehr wagen sollen
"Drive Me Home" profitiert insbesondere von seinem außerordentlich gestalteten Soundtrack, den Technobeats, die ganz kontrolliert das Geschehen begleiten und den Takt vorgeben. Regisseur Simone Catania findet hier und da ästhetische Bilder, die jedoch das große Manko nicht wettmachen: Die Geschichte dieser Freundschaft, die dann doch zu banale Auflösung der Geheimnisse, kann den Film einfach nicht tragen. Es entstehen Längen, und bei einigen Szenen hat man das Gefühl, sie seien lediglich Füllmaterial. Die Entwicklung ist zu einfach und vorhersehbar.
Schade, denn die Verortung in der für den queeren Film eher ungewöhnlichen Truckerszene und seine sympathische Besetzung durch Tino hätte durchaus noch mehr Potenzial gehabt. Filmisch ist "Drive Me Home" interessant, vor allem der Musik wegen, aber das Drehbuch hätte noch mehr wagen müssen, hätte die üblichen Wege verlassen sollen – so wie Tino, der im Stau einfach auf die unbequeme Landstraße abbiegt.
Links zum Thema:
» Den Film bei amazon.de anschauen oder bestellen
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
Noch keine Kommentare.