Die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag "Augenwischerei" vorgeworfen. Der von der Großen Koalition geplante Passus im Entwurf zum zweiten Bevölkerungsschutzgesetz (PDF) werde nicht dazu führen, die Diskriminierung homo- und bisexueller Männer bei der Blutspende zu beenden.
Derzeit müssen Männer, die Sex mit Männern haben, nach einer Vorgabe der Bundesärztekammer (BÄK) zwölf Monate lang auf Sex verzichten, um Blut spenden zu dürfen. Einschränkungen gibt es auch für trans Menschen.
Nach jahrelanger Kritik schien zunächst ein Ende der Diskriminierung in Sicht. Gesundheitsminister Spahn kündigte im April eine Änderung des Transfusionsgesetzes als Teil des Pandemiegesetzes an. In dem Gesetzentwurf der Großen Koalition soll allerdings nur festgehalten werden, dass regelmäßig kontrolliert und aktualisiert werden soll, warum bestimmte Gruppen von der Blutspende zurückgestellt werden (queer.de berichtete). Dies sei "eigentlich eine Selbstverständlichkeit", kritisierten die Grünen bereits in der vergangenen Woche (queer.de berichtete).
Bundesärztekammer sieht keinen Änderungsbedarf
Bei einer öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf am Montag im Gesundheitsausschuss wollte die FDP-Politikerin Helling-Plahr von der Bundesärztekammer wissen, ob der beabsichtigte Passus einen tatsächlichen Effekt auf den Inhalt ihrer "Richtlinie Hämotherapie" (PDF) und damit auf das Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer haben werde. "Dies wurde explizit verneint", erklärte die FDP-Abgeordnete. Gesundheitsminister Spahn betreibe "reine Schaufensterpolitik, die sich gut anhört und den betroffenen Menschen Hoffnung macht, aber in der Praxis rein gar nichts verändert".
Auch die Grünen halten den Gesetzentwurf der Bundesregierung, über den am Donnerstag im Bundestag final beraten und abgestimmt werden soll, für unzureichend und kündigten einen Änderungsantrag an. "Wir fordern eine Überprüfung einmal im Jahr und zum anderen ein Verbot direkter und indirekter Diskriminierung", erklärte der queerpolitische Sprecher Sven Lehmann am Montag. "Damit wäre der praktische Ausschluss von homo- und bisexuellen Männern von der Blutspende sowie die diskriminierende Regelung in Bezug auf transgeschlechtliche Menschen per Gesetz ausgeschlossen."
Die Linke hatte sich zur Initiative des Gesundheitsministers nicht zu Wort gemeldet. Auch aus der SPD gab es keine öffentliche Kritik.
Am Freitag debattiert der Bundestag erneut
Für den Fall, dass sich FDP und Grüne am Donnerstag nicht durchsetzen können, muss sich der Bundestag dennoch weiter mit den diskriminierenden Blutspende-Regeln auseinandersetzen: Schon am Freitag ab 13.55 Uhr soll das Plenum laut der geplanten Tagesordung über den Ende 2019 eingebrachten FDP-Antrag "Einfach Leben retten – Blutspendeverbot für homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen abschaffen" (PDF) debattieren.
Andere Länder zeigen, wie es geht: Erst am Freitag hatte der Oberste Gerichtshof Brasiliens das Teilverbot für schwule und bisexuelle Männer beim Blutspenden als verfassungswidrige Diskriminierung gekippt (queer.de berichtete). Viele Staaten – darunter Italien und Spanien – beendeten den auf der Aids-Krise der Achtzigerjahre basierenden Ausschluss aufgrund der sexuellen Orientierung bereits vor Jahren. Zuletzt veranlasste sogar das LGBTI-feindliche Ungarn die Gleichstellung von schwulen und heterosexuellen Blutspender*innen (queer.de berichtete). (cw)
Praktisch könnte jeder mein Blut bekommen, der welches braucht. Das würde immer passen.
Sex habe ich seit >15 Jahren nur mit meinem Mann.
Wenn die Gesellschaft erwartet, dass ich lüge, um anderen Menschen zu helfen, damit ich mich einer guten Tat erfreuen kann, dann begeht sie einen Irrtum.