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Hass im Irak
Al-Sadr will "islamische Fahne" gegen Regenbogenflagge einsetzen
Die politische und religiöse Führung des Irak zeigt sich empört darüber, dass mehrere westliche Botschaften anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie Regenbogenfahnen in Bagdad gehisst haben.

Muktada al-Sadr bei einem Interview im französischen Fernsehen (Bild: Screenshot France 24)
- 19. Mai 2020, 13:22h 2 Min.
Erst Ende März hatte Muktada al-Sadr, einer der führenden schiitischen Geistlichen und Chef der nach ihm benannten einflussreichen sadristischen Partei, die gleichgeschlechtliche Ehe für die Existenz des Corona-Virus verantwortlich gemacht (queer.de berichtete). Jetzt hat der 46-Jährige erneut gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ausgeteilt, die er in einer neuen Tirade laut "Jerusalem Post" als "Psychos, die geistig krank sind", bezeichnete. Die Sadristen stellen die größte Fraktion im irakischen Parlament.
Al-Sadr zeigte sich empört, dass westliche Botschaften – konkret die Vertretungen Großbritanniens, Kanadas und der Europäischen Union – am Sonntag Regenbogenflaggen hissten. Anlass war der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Als Reaktion sollten irakische Botschaften in diesen Ländern "islamische Fahnen" hissen, forderte al-Sadr.
Die Diskussion um die Regenbogenfahnen im Irak ist inzwischen noch aufgeheizter. Nun hat sich auch der radikale…
Gepostet von Amed Sherwan am Montag, 18. Mai 2020
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Außenministerium: Regenbogenfahne widerspricht religiösen Werten
Auch offizielle Stellen protestierten gegen den bunten Stoff an westlichen Botschaften: Das irakische Außenministerium erklärte etwa auf Twitter, "die Fahne der Homosexualität" widerspreche den "hohen Normen und Werten, die von allen göttlichen Religionen respektiert werden".

"Wir erlauben es nicht, die homosexuelle Fahne auf unserem Boden zu hissen", erklärte der stellvertretende Parlamentssprecher Bashir Hadad. Er verlangte eine Entschuldigung der EU-Auslandsvertretung und forderte, dass die Diplomaten versprechen sollten, die Flaggenhissung nicht zu wiederholen.
Ausweisung "moralisch verdorbener Botschafter" gefordert
Hadi al-Amiri, der Chef der zweitgrößten Fraktion im irakischen Parlament, zeigte sich ebenfalls empört über die Regenbogenfahnen. Der 65-Jährige forderte sogar, "moralisch verdorbene Botschafter" aus dem Westen wegen des Vorfalls auszuweisen. Sie hätten schließlich "den heiligen Monat Ramadan" mit ihrer Aktion beschädigt. Auch viele weitere Abgeordnete schlossen sich der Kritik an.
Sexuelle und geschlechtliche Minderheiten sind im Irak vielen Repressionen ausgesetzt. Ein ausdrückliches Verbot von Homosexualität aus der Ära von Diktator Saddam Hussein wurde zwar 2003 abgeschafft, allerdings können Schwule und Lesben nach schwammig formulierten Sittlichkeitsgesetzen belangt werden. Außerdem gibt es seit Jahren Berichte darüber, dass islamistische Milizen oder "Scharia-Gerichte" Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung foltern oder töten.
Ende 2018 äußerte auch die deutsche Bundesregierung ihre Sorge über die Verfolgung Schwuler, Lesben, Bisexueller und trangeschlechtlicher Menschen im Irak. "Ein selbstbestimmtes Leben, eine feste öffentliche Partnerschaft, die Gründung einer Familie und ein Leben ohne Angst sind im Irak für schwule Männer faktisch nicht möglich", erklärte der damalige Außenstaatssekretär Walter J. Lindner (queer.de berichtete). (dk)
